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Ausgabe:

1892

Spalte:

356-357

Autor/Hrsg.:

Walter, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Seine Lantagspredigten und sein Lebenslauf. Nach Briefen und Aufzeichnungen 1892

Rezensent:

Eck, Samuel

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fpondenz des Landgrafen mit dem Augsburger Stadt-
fchreiber Georg Frölich aus den Jahren 1539—1554.
Ohne wefentlich Neues zu bringen, bietet fie doch für
Einzelnes, z. B. die Haltung Augsburgs in der kritifchen
Zeit vor dem fchmalkaldifchen Kriege, Ergänzungen zu
den Sailer'fchen Berichten. Die Briefe Frölich's, in
frifchem, offenen Ton gefchrieben, zeigen einen Mann
von warmem Antheil und nicht geringem Verftändnifs
für die grofsen politifchen und religiöfen Fragen jener
Zeit. — In einem Excurs zu diefem Abfchnitt führt Lenz
einen wohl überzeugenden Indicienbeweis, dafs Frölich,
wie fchon G. Voigt in den Abhh. der phil.-hift. Kl. der
Kön. Sächf. Gefellfch. der Wiffenfch. VI, 737 vermuthete,
wirklich der bisher unentdeckte Verfaffer der in Men-
cken's Scriptores rer. Germ. III, 1361 befindlichen Schrift
vom .Schmalkaldifchen Kriege' ift.

Ein fehr zuverläffig bearbeites Regifler befchliefst
das ganze Werk, das den bedeutendffen Arbeiten über
jene Zeit unbedenklich beigezählt werden darf. Den
Schlufs unferes Referats mögen wiederum einige kurze
Bemerkungen bilden: S. 24 wird der an den Regensburger
Verhandlungen 1541 theilnehmende ,Nurmber-
gifche theologus1, Johann Veit genannt, es war dies aber
kein anderer, als der bekannte Veit Dietrich, wie auch
das Regifter S. 587a richtig angiebt, nur dafs es hier auch
zur betreffenden Stelle heifsen mufs, nicht ,in Nürnberg',
fondern ,in Regensburg'. Die Bezeichung desfelben S. 311
als ,Veit Theodor' ift auch eine ungebräuchliche; entweder
: Veit Dietrich, oder: Vttus Theodoras. — S. 28
Z. 2 v. u. des Textes lies ,weil' ftatt weit. — S. 62 Z. 17
ift zweimal vivificatione zu lefen; S. 65 Z. 6 v. u. des
Textes: fanatici; S. 80 Z. 25 etlich, ftatt erlich. — S. 85
Z.5: die Unterredung des Landgrafen mit König Ferdinand
fand nicht ftatt, da Letzterer erft am 21. Juni in Regensburg
ankam, während Philipp fchon am 13. abreifte. —
S. 292 Z. 2 macht Lenz zu den Worten: ,hat er [Herzog
Wilhelm von Baiern] feiner Schwerter, Herz. Ottheinrich's
Gemahl dreifsigft gebat' ein [??J. Es fcheint hier allerdings
das Zeitwort ausgefallen zu fein; unter dem
,dreifsigft gebat' ift aber wohl nicht anders zu verftehen,
als die missa trigesima (vgl. Gregorii M. Dial. IV, 55),
die Exequien für die am 12. April 1543 verdorbene Gemahlin
Ottheinrich's, Sufanne, eine Tochter Herzog
Albrechts IV. von Baiern. — S. 354 Z. 4 prakticieren,
ftatt pakticieren.

Oberrad. Enders.

Staatsraison und Recht. Die confeffionellen Wirren in
Livland vom Jahre 1865 bis zur Gegenwart. Von
K. v. D. Leipzig, Duncker & Humblot, 1891. (V,
97 S. gr. 8.) M. 2. —

Nach zwei einleitenden Abfchnitten über die Con-
verfion der vierziger und die Reconverfion der fechziger
Jahre kommt der Verfaffer unter III und IV auf fein
eigentliches Thema, indem er den juriftifchen Nachweis
zu liefern unternimmt, dafs 1) der gerichtlichen Verfolgung
lutherifcher Prediger, wie fie gegenwärtig geübt
wird, jede Rechtsgrundlage fehlt, und dafs 2) die den
Livländern garantirte Gewiffensfreiheit rechtlich in vollem
Umfange fortbefteht. Ich habe an der rein juriftifchen
Giltigkeit diefes Nachweifes eins auszufetzen. Art. 10
des Friedensinftruments von 1721 befagt, ,dafs in
felbigen (abgetretenen Ländern) die griechifche Religion
hiefüro ebenfalls frei und ungehindert ausgeübt werden
könne'. Diefe ,griechifche Religion' umfafst nun u. A.
ein beftimmtes kanonifches Recht. Für die in Livland
wohnenden Angehörigen diefer Religion hat dies Recht
felbftverftändlich Geltung. Denn die Abrogirung desfelben
würde eine Befchränkung der Freiheit der grie-
chifchen Religion bedeuten, fie würde ihr verwehren,
nach den ihr eigenthümlichen Satzungen zu leben oder

ihre Glieder zur Befolgung derfelben anzuhalten. Alfo
Livländifches Recht, um mich kurz auszudrücken, ge-
ftattet in Mifchehe lebenden Eltern, die Confeffion ihrer
Kinder nach freier Wahl zu beftimmen. Das kanonifche
Recht der griechifchen Kirche (vgl. Kattenbufch, Con-
feffionskunde I, 437 f. Meyer in diefer Zeitung 1890
S. 41) verbietet urfprünglich überhaupt die Ehe mit
Häretikern und hält wenigftens die Beftimmung feft, dafs
die Kinder aus folcher Ehe orthodox getauft werden
müffen. Der Ukas Peter's d. Gr., der fchwedifchen
Kriegsgefangenen die Ehe mit Orthodoxen geblattete
(S. 52 vgl. .Bifchof F. Walter' S. 8 f. 153 f. 311 f.), ift
als eine Conceffion in diefem Sinne aufzufaffen. Und
wenn unter eigenthümlichen gefchichtlichen Verhältnifsen
diefes fchon abgefchwächte kanonifche Recht für Glieder
der orthodoxen Kirche in Livland ftillfchweigend aufser
Geltung gefetzt wird, ift es damit überhaupt aufgehoben?
Vielleicht wird doch auch der Jurift die Erwägung gelten
laffen, dafs die orthodoxe Anfchauung vom Myfterien-
charakter der Ehe Confequenzen nach fich zieht, die
fich einer Beurtheilung nach rein .weltlichen' Gefetzen
auf die Dauer entziehen. Hat die Kirche fich zu Zeiten
in einer Nothlage gefehen, in der fie aus irgend welchen
Gründen verhindert war, ihr eigenes Recht auszuüben,
fo wird fie in Tagen der Macht vermuthlich anders verfahren
. Dem Verf. aber mufs ich den Vorwurf machen,
dafs er zu einfeitig ,Livländifches' Recht in Betracht
gezogen hat. Freilich ift dies Verfahren faft allgemein
üblich. Aber man verdeckt fich dadurch die ganze
Schwere des Kampfes, in dem unfere dortigen Glaubens-
genoffen flehen. Dächte man fich auch alle einzelnen
Ausfchreitungen und Gewaltthaten hinweg, der Gegen-
fatz zwifchen einer Kirche, die fich die rechtgläubige
nennt und die in diefem rechten Glauben Dogma, Cultus
und Recht gleichermafsen umfafst, und einer Gemein-
fchaft, die als häretifch gilt, bliebe dennoch beliehen.
Wäre das mehr als ein Waffenftillftand, deffen Bruch
täglich erwartet werden müfste? Es ift mir fchwer ver-
ftändlich, wie man hinter den glatten Worten des Ny-
flädter Friedensvertrags den Knäuel von gefchichtlichen
Gegenfätzen überfehen kann, den rechtliche Deductionen
nicht entwirren werden. Denn Juriften find es doch
wohl noch nie gewefen, die eine Kirche reformirt haben.
S. 82 /. uloshenie (Gefetzbuch) für die fmnlok j/rosperc/e

Rumpenheim. S. Eck.

Walter, Bischof Dr. Ferdinand, weil. General-Superintendent
von Livland. Seine Landtagspredigten und fein Lebenslauf
. Nach Briefen und Aufzeichnungen. Leipzig,
Duncker & Humblot, 189I. (VI, 408 u. 101 S. Lex.-8.)
M. 10. —

Diefes Buch bezeichnet ohne Frage den weitaus
bedeutendften Beitrag zur Livländifchen Frage, der in
letzter Zeit erfchienen ift. Denn Ferdinand Walter, einer
reich begabten Familie entflammend, über die S. 5—72
fehr anziehende Mittheilungen bieten, hat als Paftor in
feiner Geburtsftadt Wolmar (1833—55; geb. 1801), als
geiftlicher Beifitzer des Petersburger Generalconfiftoriums
(1842 — 49), als Livländifcher Generalfuperintendent
(1855—64) in allen kirchlichen und vielen politifchen
Kämpfen feiner Heimath eine unbeftrittene Führerftellung
eingenommen. Seine Aeufserungen und Briefe, Predigten
und Denkfchriften find mithin gefchichtliche Documente
erften Ranges. Befonders gilt das von den fünf Predigten
, die er in der Jakobikirche Riga's, ,der Livländifchen
Kathedrale' zur Eröffnung der Landtage
1856, 57, 60, 62, 64 gehalten hat. Die letzte hat ihn fein
Amt gekoftet. Die Verhandlungen, die fich an fie an-
fchloffen, find durch Dalton's Offenes Sendfehreiben auch
uns näher gerückt worden. Es ift dankenswerth, dafs
fie jetzt in genauem Abdruck vorliegt. Zahlreiche andere