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Ausgabe:

1892 Nr. 13

Spalte:

329-331

Autor/Hrsg.:

Duncker, H.

Titel/Untertitel:

Anhalt Bekenntnisstand während der Vereinigung der Fürstentümer unter Joachim Ernst und Johann Georg 1892

Rezensent:

Köhler, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 13.

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des Heidelberger Gymnafiums 1891: über das Fragment
des Lactanz de motilms animae; Commentationes Woelffli-
nianae (1891) S. 79—84: über das L. zugefchriebene
Gedicht de passione dow/ni, welcher Auffatz in der Einleitung
zum 2. Bande der Lactanz-Ausgabe revidirt werden
foll. Aufserdem vgl. man: Wiener Studien XIII, 1891,
S. 255—292: über die Quellen von Lactanzius' Schrift
,de opificio de/', die B. als eine Vorarbeit zu den Inbitu-
tionen betrachtet. Diefer Auffatz ift befonders beachtens-
werth wegen der forgfältigen Quellenanalyfe, aus der fich
ergiebt, dafs in der Schrift faft ausfchliefslich fremdes
Eigenthum verarbeitet ift, und ihr wirklicher Werth in
demjenigen liegt, was fie aus ihren Quellen mittheilt. |
Die Unfelbbändigkeit Lactanzens in philofophifchen
Fragen beleuchtet noch ein anderer Auffatz in den
Neuen Piniol. Jahrb. 1891, S. 225 ff. über ,Lactantius
und Lucretiu^. Ein Auffatz über den phoenix foll im
Rheinifchen Mufeum erfcheinen.

Zum Schluffe mag die Bemerkung geblattet fein,
dafs fo umfangreiche Unterfuchungen wie die über die
mortes (100 Grofs-Octavfeiten) deutlichere Einfchnitte
für das Auge aufweifen follten, wenn der Verf. nicht,
was noch beffer wäre, feine Refultate mit dem Vermerk,
wo die Einzelbelege zu finden find, am Schlufs zufammen-
ftellen will. Nicht etwa im Intereffe der blofsen Bequemlichkeit
des Lefers oder gar des Recenfenten wird diefe
Forderung gebellt, fondern im Intereffe der Ueberficht-
lichkeit der Unterfuchung.

Giefsen, G. Krüger.

Duncker, Confib.-R. Dr. jur. H., Anhalts Bekenntnisstand
während der Vereinigung der Fürstentümer unter Joachim
Ernst und Johann Georg (1570—1606). Ein Beitrag
zur deutfehen Kirchengefchichte aus ungedruckten
Quellen des Zerbber Haus- und Staatsarchivs. Deffau,
Baumann's Verl., 1892. (V, 256 S. gr. 8.) M. 4.50.

Durch das vorliegende Buch wird ein bisher noch
ungenügend durchforfchtes Stück deutfeher Kirchengefchichte
in dankenswerther Weife aufgehellt. Die
Arbeit ruht auf einem reichen ungedruckten Quellenmaterial
, welches dem Verf. im Archiv zu Zerbb zugänglich
war und von ihm zum erbenmal benutzt
worden ib. Sie giebt ein lehrreiches Bild der Vorgänge
und Zubände in einer kleinen Landeskirche während der
Zeit der dogmatifchen Spaltung des deutfehen Proteban-
tismus, welche fich in den letzten Jahrzehnten des
16. Jahrhunderts vollzog, und gewinnt dadurch ein über
das landeskirchliche hinausreichendes allgemeines Intereffe
. Die Reformation war nach Anhalt von Sachfen
aus gekommen und trug daher von Anfang einen luthe-
rifchen Charakter. So lange in Sachfen die Philippiben
am Ruder waren, hielten die Anhalter zu diefen. Nach
ihrem Sturz findet fich die Anhaltifche Landeskirche
ohne rechten Halt in einer Mittelbellung zwifchen den I
fich bekämpfenden Parteien. Das lutherifche Bekenntnifs
aufzugeben gedachte man in keiner Weife. Noch 1585
läfst Fürb Joachim Ernb ein Bekenntnifs vom heiligen |
Abendmahl (hier zum erben mal im Wortlaut veröffent- I
licht S. 247) von allen Geiblichen des Landes unter-
fchreiben, welches vollbändig lutherifchen Klang hat.
Nur von der Communicatio idiomatum fagt es nichts.
Diefe wird von den Anhaltern als ein über das Wort
Gottes hinausgehender Menfchenfund abgelehnt, daher
die Concordienformel zurückgewiefen. Dogmatifch klar
ift diefe Stellung nicht — denn die Allenthalbenheit der
menfehlichen Natur Chribi ib die logifche Folgerung
aus dem Satze von der fubbantiellen Gegenwart feines
Leibes und Blutes in den Abendmahlselementen, auch
abgefehen von dem Glauben des Empfangenden, — aber
religiös ehrenwerth. Das fromme Gemüth will fich die
Gewifsheit nicht nehmen laffen, dafs Chribus ihm wahrhaft
und perfönlich im Sacramente nahe fei und fich ihm
zu inniger Vereinigung darbiete. Mit dem Aufgeben der
lutherifchen Lehrform fürchtet man diefe Gewifsheit zu
verlieren; über die Art und Weife der Gegenwart zu
fpeculiren erfcheint als unfrommer Vorwitz. Mehr und
mehr fehen wir eine Annäherung an die reformirte Pfalz
fich vollziehen. Es ergeht eine Anzahl fürblicher Anordnungen
, wodurch die Kirchengebräuche im reformirten
Sinne geändert werden und der Gottesdienb ein refor-
mirtes Anfehen erhält, Abfchaftung des Exorcismus, Be-
feitigung der Altäre und Erfatz derfelben durch den
fchwarz behangenen Abendmahlstifch, Einführung des
Brotbrechens und der Stellung des adminibrirenden Geiblichen
hinter dem Tifch mit dem Angebellt nach der
Gemeinde. Mit allem diefem war eine dogmatifche
Neuerung nicht beabfichtigt, aber es behebt eine unwillkürliche
Wechfelwirkung zwifchen dem liturgifchen
Brauch und den Glaubensvorbeilungen der Gemeinde.
Ein Mandat (28 Artikel), welches 1597 ergangen fein foll
und der Landeskirche einen völlig reformirten Charakter
gegeben haben würde, ib, wie der Verf. fehr wahrfchein-
lich macht, untergefchoben, wohl in feindlicher Abficht.
Ein Agendenentwurf, welcher 1599 dem Fürben Johann
Georg von feinen reformirt gefinnten Theologen vorgelegt
wurde und über deffen Entbehungsgefchichte wir
erb hier vollen Auffchlufs erhalten, ib aller Wahrfchein-
lichkeit nach von dem Purben nicht bebätigt worden.
(S. 225.) ■

Den intereffanteben Bebandtheil diefer Agende bildet
ein Katechismus, deffen Einführung in den Volksfchulen
und der kirchlichen Kinderlehre die Verfaffer beantragen,
während für die höheren Schulen der Heidelberger empfohlen
wird. Es find die fünf lutherifchen Hauptbücke,
überarbeitet und mit zahlreichen Zufätzen verfehen, bei
welchen die Benutzung des Heidelberger Katechismus
unverkennbar ib. Der Dekalog ib durch das Bilderverbot
ergänzt, die Sacramentenlehre zwar in Anlehnung an die
lutherifchen Fragekategorien, aber im Inhalt von diefen
unabhängig, in unverhüllt reformirtem Sinn vorgetragen.
Wie fich aus zahlreichen Aeufserungen ergiebt, ib diefer
Katechismus, man kann ihn den erben Unionskatechismus
nennen, vielfach in Gebrauch gewefen, obwohl
officiell nicht eingeführt (Ausgabe von Schubert 1860,
auch abgedruckt bei Allihn, Die reformirte Kirche in
Anhalt, 1874). Näheres ib nicht zu erfehen, wie üben
haupt gerade die anhaltifche Katechismusgefchichte auch
nach den Forfchungen Duncker's noch weiterer Aufhellung
bedarf.

Die nächbe Verwandtfchaft zeigt das ,Reformations-
werk' der anhaltifchen Fürben mit dem wenig fpäteren
Vorgehen des Landgrafen Moriz von Heffen-Kaffel. Die
,Verbefferungspunkte', nach dem in Heben gewöhnlich
gebrauchten Ausdruck, find hier und dort diefelben:
Ergänzung der zehn Gebote nach dem Bibelwort und
daher kraft des zweiten Gebotes Befeitigung der Bilder,
Brotbrechen beim Abendmahl, Fernhaltung der neu aufgebrachten
Lehre von der Perfon Chribi. Einfach zum
Heidelberger Katechismus überzugehen, hat man auch
in Heffen nicht rathfam gefunden, fondern eine Bearbeitung
der lutherifchen Hauptbücke vorgezogen: der
heffifche Katechismus des Landgrafen Moriz bildet das
Seitenbück zu dem anhaltifchen. Nur dafs die anhaltifchen
Fürben nicht in der Weife felbbherrlich und ge-
waltfam vorgegangen find wie der Landgraf. Das Volk
und die Landbände waren in beiden Ländern den Reformen
vielfach nicht geneigt: die anhaltifchen Purben
haben dem Widerband, der von daher kam, keine Gewalt
entgegengefetzt, wie der heffifche Landgraf fchliefslich
zu feinem eigenen Schaden that, und find daher auch
nicht völlig durchgedrungen.

Bis zum Ende des Jahrhunderts, dies mufs man dem
Verf. zugeben, war nichts gefchehen, was als eine förmliche
Einführung des reformirten Bekenntnifses gedeutet

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