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Ausgabe: | 1892 Nr. 12 |
Spalte: | 315-316 |
Autor/Hrsg.: | Fürst, A. |
Titel/Untertitel: | Christen und Juden 1892 |
Rezensent: | Kühn, Bernhard |
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Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 12.
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faft ausfchliefslich predigt er dem einzelnen Individuum.
Endlich mufs homiletifch das freie, meiftens an Jefus
gerichtete Eingangsgebet jeder Predigt beanftandet
werden. Wohl tritt hier gewöhnlich die Communicativ-
form auf; allein es ift doch deutlich, dafs ein freies Gebet
, zumal ein längeres vor der Textverlefung, den
Charakter eines Gemeindegebetes gar nicht haben
kann, aus dem einfachen Grunde, weil die Gemeinde ein
ihr völlig fremdes Gebet des Einzelnen nicht mitzube-
ten vermag. Ein freies Gebet kann im Gemeindegottes-
dienft nur unmittelbar nach der Predigt gerechtfertigt
werden, und an diefer Stelle auch nur dann, wenn der
Prediger die Herzen der Gemeinde gepackt zu haben
das Vertrauen hegen darf und wenn er den Inhalt der
Predigt in feinem Gebete austönen läfst.
Trotz diefer Ausheilungen ift die Sammlung Sche-
ven's als eine ihrem Zweck durchaus entfprechende und
deshalb als eine Bereicherung unferer homiletifchen
Literatur zu begrüfsen.
Marburg. E. Chr. Achelis.
Fürst, Dr. A., Christen und Juden. Licht- und Schattenbilder
aus Kirche und Synagoge. Strafsburg, Strafs-
burger Druckerei u. Verlagsanftalt, 1892. (V, 316 S.
gr. 8.) M. 3. -
Es ift ein Ergebnifs jahrelanger mühfamer Studien,
welches der Verfaffer in einer Reihe von 35 Auffätzen
theilweife fchon vor längerer Zeit niedergelegt hat. Diefe
Auffätze find alle fchon in Delitzfch's Quartalfchrift
erfchienen und in diefer Sammlung mit den nothwendig
gewordenen Veränderungen und Zufätzen wieder abgedruckt
. Wie der Titel es fagt, ift das Gemeinfame
für alle hier behandelten Gegenftände die Berührung
zwifchen Chriftenthum und Judenthum und zwar fteht
dabei im Vordergrunde das Aufeinandertreffen der ver-
fchiedenen Lehrmeinungen in beiden Religionen. Die
Perfönlichkeiten, mit denen wir auf folche Weife nähere
Bekanntfchaft machen, find in den feltenften Fällen öfter
genanntekirchengefchichtlicheErfcheinungen: vonfolchen
wüfften wir, abgefehen von Origenes, deffen Schrift gegen
Celfus, und von Chryfoftomus, deffen Reden wider die
Juden in verhältnifsmäfsig kurzen Artikeln gewürdigt
werden, nur drei anzuführen, nämlich Julian von Toledo,
Johann Emanuel Veith und Philipp van Limborch.
Julian, deffen jüdifche Abftammung von Fürft feftgehalten
wird, erfcheint hier in feinem Verhältnifs zu den Stammesbrüdern
als ein Kind feiner Zeit, die gegenüber jüdifchen
Herausforderungen mit den ftärkften Mitteln der Abwehr
vorging, im Uebrigen als eine edle, echt chriltliche
Perfönlichkeit. Sowohl dieCharakterfchilderungdesMannes,
wie die ausführliche Würdigung feines Werkes über
die Sexta aetas geben Fürft Gelegenheit, fich in fcharfen
Gegenfatz zu der Gefchichte der Juden von Grätz zu
ftellen, wie denn überhaupt diefer und andere jüdifche
Gelehrte der Neuzeit bei aller ausgefprochenen Liebe
des Verfaffers zu Israel fchlecht genug wegkommen.
Der Auffatz über Veith enthält im Wefentlichen allerdings
nur, was fein Biograph Löwe bereits über fein
unermüdliches Arbeitsleben und feinen merkwürdigen
Bildungsgang feftgeftellt hat, wird aber für viele Lefer
die erfte ausführlichere Nachricht über den vielbewunderten
Prediger bilden, da eben doch nicht Jeder
jedes Buch lefen kann, felbft wenn es in fein Fach
fchlägt. Von Philipp van Limborch ift die Schrift De
veritate religionis cJiristianae, ein Meinungsaustaufch
zwifchen ihm und dem portugiefifchen Juden Orobio de
Caftro, in einer ziemlich ausführlichen Inhaltsangabe und
Beurtheilung vertreten. Von allen übrigen Perfönlichkeiten
, deren Leben und Lehre Fürft dargeftellt hat,
find höchftens noch einige als in gewiffen kleineren
Kreifen bekannte zu bezeichnen, die meiften werden
den meiften Lefern zum erften Male begegnen, aber
fchwerlich, ohne ihre Theilnahme zu erregen. Jeden
unter bemerkenswerthen Umftänden vollzogenen Ucber-
tritt vom Judenthum zum Chriftenthum, jedes irgendwie
bedeutende, fchriftlich feftgeftellte Religionsgefpräch
zwifchen Bekennern der beiden Religionen hat der
fieifsige Forfcher aufgefpürt, und faft wichtiger noch
als die fcharffinnigen Vertheidigungsgründe von beiden
Seiten, die hier aufgeführt werden, find uns mancherlei
Beobachtungen über das Denken und Fühlen, wie über
die jeweilige fociale Stellung des merkwürdigen Volkes
gewefen, das wieder einmal in Aller Munde ift. Es
fehlt in der Sammlung auch nicht an befonderen Abhandlungen
über jüdifche Eigenart, meift in Geftalt von
Befprechungen neu erfchienener Bücher; wir finden eine
folche über Hindernifse der Bekehrung der Juden mit
Bezug auf eine Schrift des italienifchen Convertiten
Lombrofo, über den leichten Uebergang zur chriftlichen
Religion nach der gleichnamigen Schrift von Juftus Möfer
und ähnliche andere. Ein einziger längerer Auffatz behandelt
nicht einzelne Perfönlichkeiten: er ift betitelt
,Die Juden im Elfafs' und giebt eine ausführliche ge-
fchichtliche Darftellung über die Gefchicke des Volkes
in Colmar (nach Mofsmann) und Strafsburg, und da die
Zuftände in der letzteren Stadt für Gefinnung und Auftreten
der Chriften im ganzen Lande vorbildlich waren,
fo ift der gewählte Titel der culturgefchichtlich wichtigen
Abhandlung wohl zu rechtfertigen.
Dresden. Dr. phil. B. Kühn.
Bibliographie
von Bibliothekar Dr. Johannes Müller.
Berlin W., Opernplatz, Königl. Bibliothek.
iDeutfcbe Hiteratur.
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