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Ausgabe:

1892

Spalte:

303-304

Autor/Hrsg.:

Hase, Karl von

Titel/Untertitel:

Gesammelte Werke. Bd. III, 1. Halbbd.; Bd. IV, 2. Halbbd.; Bd. X, 1. Halbbd.; Bd. XI, 2. Halbbd.; u. Bd. XII, 2 Halbbde 1892

Rezensent:

Harnack, Adolf

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3°3

Theologifche Literaturzeitung. 1892. Mr. 12.

304

Univerfitätswefens. Des fchädlichen Zeitungswefens wird
auch gedacht und des böfen Einfluffes des Aemter-
wefens (,dem Sieger die Beute'). ,Ein Hauptgebrechen
der heutigen amerikanifchen Literatur läfst fich mit
einem Worte bezeichnen: fie ift allzu demokratifch'.
,Leute, deren Ruf nicht über die Grenzpfähle eines
Städtchens gedrungen, finden drüben noch fchonende,
rückfichtsvolle Biographen'. Die hiftorifche Literatur der
Amerikaner vermag mit der englifchen noch in keine
Concurrenz zu treten; nur in der Gefchichtsfchreibung
des eigenen Landes haben fie Ausgezeichnetes geleiftet
(Parkman und Bancroft). Auf die religiöfe und confef-
fionelle Literatur wird dann ein Blick geworfen. Endlich
werden noch einzelne Schriftfteller und Gelehrte, foDean,
Draper, Crocker, J. Freeman Clarke, Carey, Bret
Harte, Poe, Mark Twain erwähnt und felbft der
Romane wird gedacht. Ich bin nicht im Stande, Döllin-
ger's Urtheile, die auch hier auf dem ausgebreitetften
Wiffen ruhen, zu kritifiren. Doch fcheint mir gefagt
werden zu dürfen, dafs die Amerikaner in der Theologie
und Gefchichtswiffenfchaft in neuefter Zeit bedeutende
Fortfehritte gemacht haben. Der Vortrag fchliefst mit
den Worten: ,Nicht den Deutfchen, nicht den Slaven,
fondern der angelfächfifchen Raffe ift in kommenden Zeiten
jener Geiftesprimat befchieden, den im Alterthum erft die
Griechen, dann die Römer befafsen. DieDeutfchen werden
ihren ficher nicht geringen Antheil an diefem Primat
haben, aber nur mittelbar, durch das Medium der englifchen
Sprache. Ihre Sprache kann fchon darum, weil
die Erlernung allzu fchwierig ift, niemals ein weltbeherr-
fchendes Idiom werden. Es ift gut, es ift nothwendig,
dafs wir uns das bei Zeiten klar machen'.

Die Stücke V—VIII find Vorträge, die in Sitzungen
der hiftorifchen Claffe der Akademie gehalten worden
find (refp. beftimmt waren), und in deren Publicationen
hätten erfcheinen follen. Das erfte (1863) behandelt die
Schenkungsurkunden der Kaifer Ludwig I., der Ottonen
und Heinrich's II. für den römifchen Stuhl. Es ift durch
die Forfchungen Si ekel's überholt, aber der Herausgeber
hat doch Recht gethan, es uns nicht vorzuenthalten. Das
zweite (1864) unterfucht die Ermordung des Herzogs
Ludwig von Bayern i. J. 1231. Döllinger kommt zu dem
Ergebnifs, dafs der Herzog auf Anftiften Friedrich's II.
durch einen Affaffinen ermordet worden fei. Das dritte
Stück (Ende der fünfziger Jahre) ift eine unvollftändige
Skizze der Gefchichte des TJebergangs des Papftthums an
die Franzofen. Es ift vom Herausgeber als Einleitung
zum vierten Stück (1872) aufgenommen worden, welches
eine genaue Darlegung der Kataftrophe von Anagni, der
Gefangennahme Bonifaz des VIII., enthält.

Berlin. A. Harnack.

Hase, Karl v., Gesammelte Werke. Bd.III, i; IV, 2; X, i;
XI, 2 und XII, 1. 2. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1891
und 92. (VII, 438 S.; S. 363-774; IX, 370; VIII, 3S6
und IX, 588 S. gr. 8.) ä M. 5. —

Von der Gefammtausgabe der Hafe'fchen Werke,
die ich in diefer Zeitung 1891 Mr. 15 angezeigt habe,
find 6 weitere Halbbände erfchienen. Band IV, 2 bringt
die ,Gefchichte Jefu' zum Abfchlufs. Band III, 1 ift neu ; er
enthält von der ,Kirchengefchichte auf Grundlage akademi-
fcher Vorlefungen' die Periode von Luther bis zum weft-
phälifchen Frieden. Der Lefer findet hier nicht nur Bekanntes
in Hafe'fcher Beleuchtung, fondern auch Ergeb-
niffe felbftändigerQuellenftudien. In derUeberficht über die
Darftellungen fehlt leider ein Urtheil über Janf fen's Werk;
ein folches fand fich in den Papieren nicht (f. die Anmerkung
S. 9 f.). Dafs Maurenbrecher feine Studien und
Skizzen z. Gefch. d. Reformationszeit ,meift ohne neues
Quellenftudiurm gefchrieben hat, ift wohl kein gerechtes
Urtheil. BandX, 1 enthält von den Theologifchen Reden

und Denkfchriften die umfangreiche, in der Jugend ge-
fchriebene Abhandlung ,Vom Streit der Kirchen an den
chriftlichen Adel deutscher Nation', die fuperiore Schrift
,Die beiden Erzbifchöfe' (1839), die prophetifche Flug-
fchrift ,Der Papft und Italien' (1861) und die Denkfchrift
,Des Culturkampfs Ende' (1878). Band XII, 1 bringt die
,Reden an die Jünglinge der freien Hochfchulen Deutfch-
lands' (1820) und Denkfchriften aus der Jugendzeit, nämlich
,Vom Juftizmord' (1826), ,Sachfen und feine Hoffnungen
' (1830 unter dem Pfeudonym Karl v. Steinbach
veröffentlicht) und ,Das junge Deutfchland' (1836—1837).
Der zweite Halbband enthält die 1848/9 auch unter dem
j Pfeudonym herausgegebenen vaterländifchen Denkfchrif-
j ten: ,Welch ein gefeierter Parteiführer hätte ich mit
j meiner leidenfehaftlichen Feder nicht werden können,
wenn ich blofs die eine Seite in ihrer ganzen Schärfe
fähel' — und das Jenaifche Fichtebüchlein (dazu am
! Schlufs ein Verzeichnifs der gedruckten Schriften von
Hafe.) Der lO.und 12.Band find von Oscar von Hafe
herausgegeben und bevorwortet.

Die Krone aber deffen, was uns diesmal geboten
ift, bildet der Band XI, 2. Er enthält die ,Annalen meines
Lebens', wie fie Hafe felbft: aus Tagebüchern bis z. J.
1865 zufammengeftellt (von 1830 an), und wie fie dann
aus Niederzeichungen von 1866—1888, welche Hafe mit
voller Regelmäfsigkeit am Neujahrstag und am Geburtstag
, dem 25. Auguft, gemacht hat, ergänzt werden konnten.
Aber der Herausgeber, D. Alfred von Hafe, dem
überhaupt der wärmfte Dank gebührt, hat aufserdem den
Briefwechfel zur Ergänzung herbeigezogen, vor allem
die Briefe an die Frau und die Kinder — es find
Briefe eines Mannes, der die Kunft des Reifens ebenfo
verftand wie die Kunft: des Erzählens. So ift die wür-
digfte Biographie entftanden, in ihrer Art ein Kunftwerk,
mit dem fich wenige Biographien vergleichen laffen.
Man kann nicht leicht etwas Anziehenderes lefen; es ift
viel fchöner und viel gehaltvoller als die ,Ideale und Irr-
thümer', und reiht fich fchicklicher den ,Erinnerungen aus
Italien' an, als jenen. Fortgeführt ift es bis ins letzte
Decennium: man begleitet den Mann und den Greis, und
man lernt nicht nur fehr viel für die Gefchichte und für
das Leben, fondern man lernt vor Allem den Reichthum
und den tiefften Gehalt der Perfönlichkeit Hafe's beffer
kennen und inniger verehren, als aus irgend einem anderen
Werke, welches er felbft gefchaffen. Das wufste
man freilich längft, dafs er nicht zu jenen Gelehrten gehört
hat, von denen nichts nachbleibt, wenn man fie durch
ihre Werke dividirt — ,die meiften Menfchen find Juriften
Theologen, Keffelflicker, keine Menfchen'; — aber wie
ftark der Baum war, an deffen Blüthen wir uns erfreut
und aus deffen Zweigen wir goldene Aepfel gebrochen
haben, wie tief feine Wurzeln gegründet waren, welchen
erquickenden Schatten er fpenden konnte, und wie er
gewachfen ift unter dem Licht der Sonne und dem Thau
des Himmels — das lehren uns diefe Annalen.

Berlin. A. Harnack.

Nitzsch, Prof. Dr. Friedr. Aug. Berth., Lehrbuch der
evangelischen Oogmatik. 2. Hälfte. Freiburg i/B., J. C.
B. Mohr, 1892. (XVI u. S. 207—628. gr. 8.) M. 9. 60.

Das Lehrbuch der Dogmatik, deffen erfte Hälfte
ich in Nr. 13 diefer Zeitfchrift 1889 zur Anzeige gebracht
habe, liegt nun abgefchloffen vor. Die dogmatifche
Principienlehre, die die Lehren von der Religion und
vom Chriftenthum behandeln follte, ift durch die Lehre
von der heiligen Schrift und vom Wefen des Proteftan-
tismus zum Abfchluffe gelangt. Und die fpecielle Dogmatik
erledigt das eigentliche Gebiet der Glaubenslehre
in drei Lehrftücken: Anthropologie, Theologie undChrifto-
logie. Das erfte umfafst die Lehre von der Gottebenbildlichkeit
und von der Sünde, — das zweite die Aus-