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Ausgabe:

1892

Spalte:

297

Autor/Hrsg.:

Lipsius, R. A. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Theologischer Jahresbericht. 10. Bd., 1890 1892

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Kiel.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrlchs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 12. 11. Juni 1892. 17. Jahrgang.

Theologifcher Jahresbericht, 10. Bd. (Harnack).

Cramer, In welke verhouding staan de beide
Apologieen van Justinus tot elkander en wan-
neer zijn zij vervaardigd? (Krüger).

Kobell, Ignaz von Döllinger, Erinnerungen
(Harnack).

Döllinger, Akademifche Vorträge, 3. Bd.
(Harnack).

Hafe, Gefammelte Werke [Fort!.] (Harnack).
Nitz Ich, Lehrbuch der evangelifchen Dogmatil
2. Hälfte (H. Schultz).

Tifchhaufer, Grundzüge der Religionswiflen-

fchaft (Reifchle).
Achelis, Praktifche Theologie, 2 Bde. (Gott-

fchick).

Scheven, Evangelien-Predigten (Achelis).
Fttrft, Chriften und Juden (Kühn).

Theologischer Jahresbericht. Unter Mitwirkung von Baur,
Böhringer, Dorner etc. hrsg. von R. A. Lipfius.
10. Bd., enthaltend die Literatur des Jahres 1890. Braun-
fchweig, Schwetfchke & Sohn, 1891. (X, 597 S. gr. 8.)
M. 12. —

In diefem Jahrgang vermifst man die Namen Ben-
rath's und Nippold's als Referenten. Dafür find Löfche

dafs was zur Charakteriftik der Ketzer in Cap. 26 vorgebracht
wird (XtjovOiv iavxovg slvai 9-sovg) zu Marcion
fchlecht paffe, und das ift freilich (trotz Harnack, zur
Quellenkritik u. f. w. 1873, S. 12) nicht zu leugnen. Auch
fcheint ihm der Zufammenhang durch die Marcionnotizen
geftört. Ich vermag über diefe Frage ein ficheres Urtheil
nicht abzugeben: die Annahme von Interpolationen ift
faft ftets fo fehr von der fubjectiven Stimmung des Be-
und Kohlfchmidt eingetreten. Beide haben die Arbeit j obachters abhängig, dafs ein Anderer kaum zu folgen
ihrer Vorgänger würdig fortgefetzt. Soviel ich zu ur- vermag. Auch ich bin der Anficht, dafs unfer Juftintext
theilen vermag, fleht der neue Band in keiner Hinficht an manchen Stellen nicht mehr der urfprüngliche ift,
den früheren nach, und wir, die wir die Früchte diefes wenn ich auch fo einfchneidende Operationen, wie Cramer
faueren Fleifses mühlos ernten, können nur aufs neue ne hier übt, für gefährlich halte. Uebrigens ift es fehr
dem Herausgeber und den Mitarbeitern unferen wärm- erfreulich, dafs Cramer die Art und Weife, wie neuerdings
ften Dank fagen. An das Uebelwollen, welches Herr Gründl die Frage nach den Interpolationen bei Juftin
Lüdemann meinen Arbeiten entgegenbringt, habe ich behandelt hat, gebührend zurückweift. Mag es fich aber

mich bereits gewöhnt und bin auch nicht erftaunt, dafs
es ihn zu einer Prophezeiung begeiftert, die bereits als
Thatfache vorgetragen wird (S. 118). Aber wenn er mir
vorwirft, ich kennte den Eingang zu Tertullian's Schrift
de virg. vel. nicht, und mir demgemäfs mittheilen zu
müffen meint, Tertullian habe auch griechifch gefchric-
ben (S. 130), fo ftellt er fich das Gefchäft, mir etwas
am Zeuge zu flicken, doch zu leicht vor.

Berlin. A. Harnack.

Cramer, J. A., In welke verhouding staan de beide Apologieen
van Justinus tot elkander en wanneer zijn zij vervaardigd?

I und II. — [Aus: .Theol. Studien'.] Utrecht, Ke-
mink & Zoon, (1892). (42 und 36 S. gr. 8.)

Zu der Zahl derer, die mit heifsem Bemühn die
Abfaffungszeit der Juftinifchen Apologien zu ermitteln
fuchen, hat fich nun auch ein niederländifcher Gelehrter

gefeilt, der durchaus vertraut mit der einfchlagenden I dete, da er im Gedächtnifs der Nachwelt kaum erhalten
Literatur doch feine eigenen Wege gegangen ift. Ichftelle geblieben ift. Darum genügt das blofse Vorkommen diefes
fein Hauptergebnifs kurz voran: Juftin hat zwei von ein- Titels, um die Abfaffung der Apologie für die Zeit vor
ander unabhängige Apologien gefchrieben, von denen 139 feflzulegen. Dafs dazu fich andere Gründe von

mit den Marcionftellen verhalten wie es will, auf keinen
Fall laffen fie fich bei der bekannten Unficherheit der
Ketzerchronologie zur Datirung der Apologie heranziehen.

Anders fleht es m. E. mit der Zufchrift. Cramer
ift zwar der Anficht: ,Wie die Zufchrift jetzt lautet, in
den Handfchriften der Apologie wie bei Eufebius, kann
fie nicht von Juftin herrühren' und er fchliefst darum:
,Für die Zeitbeftimmung der Apologie hilft fie uns nichts'.
Ich glaube, auch wenn man den erften diefer Sätze
unterfchreibt, ift ein fo radicaler Schlufs nicht nöthig.
Ganz gewifs hat Juftin nicht das gefchrieben, was jetzt
in unferen Handfchriften und bei Eufebius zu lefen ift.
Aber die Zufchrift enthält eine Titulatur, die kaum anders
als in einer beftimmtenZeit denkbar ift: denKofenamen
Verzss zm us fürMarc Aurel, der nach i39inofficiel-
lenTiteln nicht mehr vorkommt. Es erfcheint mir faft
unmöglich, dafs Juftin um 150 diefen Titel fo verwendet
hätte, ganz unmöglich aber, dafs ein Späterer den Namen
einfehob oder bei feiner Conftruction der Zufchrift verwen-

die erfte nicht lange nach der Thronbefteigung des

Gewicht, wie das Fehlen des Titels Caefar bei Marc

Antoninus Pius, die zweite etwa um 152 (nicht vorher) 1 Aurel, gefeilen, darf ich hier nicht wieder ausführen,
verfafst worden ift. Diefes Ergebnifs ftimmt im Allge- j Man kann mit Cramer darin einig fein, dafs weitere
meinen mit dem, was ich in den J. pr. Th. 1890, Heft IV Angaben zur Zeitbeftimmung der Apologie fich nicht ge-
nachgewiefen zu haben meine, überein. Aber die Cra- winnen laffen: weder die 150 Jahre, noch der jüdifche
merifche Abhandlung enthält eine Reihe neuer Beob- Krieg laffen beftimmte Schlüffe zu. Doch möchte ich

jetzt gröfseres Gewicht als früher auf die bekannte Notiz
des Eufebius in der Chronik ad ann. 140 legen, die mir
allerdings die Abfaffung der Apologie vorauszufetzen
fcheint. Es ift ein Verdienft von Cramer, nachdrücklich
auf die Chronik verwiefen zu haben, trotzdem auch er
weifs, dafs der urfprüngliche Text fich nicht mit Sicherheit
ermitteln läfst. Ift aber das oben Gefagte richtig,

achtungen und giebtan mehreren Punkten zu Widerfpruch
Anlafs.

Von den Angaben, die zur Zeitbeftimmung der
erften Apologie herangezogen werden können, behandelt
Cramer zuerft die Marcionftellen (Cap. 26.58) und kommt
hier zu dem überrafchenden Schlufs, dafs diefe Stellen
von einem Späteren eingefchoben feien. Er ftützt fich,

abgefehen von dem Hinweis auf den fchlechten Textzu- fo folgt zugleich, dafs die Abfaffung der zweiten Apo
ftand der Apologien überhaupt, vornehmlich darauf, logie hinter 152 liegt: denn erft damals ift nach Anficht
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