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Ausgabe:

1892 Nr. 11

Spalte:

286

Autor/Hrsg.:

Stockmeyer, Imman.

Titel/Untertitel:

Festpredigten 1892

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Seite 1

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285

Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. II.

286

Gottes reflectirt er nicht; und vollends dafs er dies Gewand
chriftlicher Hoffnung mit den vorgefundenen jüdi-
fchen Vorftellungen vergliche, worüber Schürer II,
417—466 ihm die befte Auskunft geben würde, kommt
ihm nicht in den Sinn. Er hat den Muth, die fefte Erwartung
der Urgemeinde, dafs die damals Lebenden
felbft die Farufie Chrifti fchauen würden, zu leugnen; aber
die Stellen, auf die es hauptfächlich dabei ankommt,
1 Theff. 4 und 1 Kor. 15, werden (S. 36. 37) ohne Bedenken
ignorirt. Jeden Schein folcher Erwartung meint
er durch 2 Pt. 3, 8 verfcheuchen zu können; aber dafs
er damit Gegnern das Recht in die Hand giebt, die
Wiederkunft Chrifti felbft, die ioyäxri tj/isga, als einen
Jahrtaufende dauernden Procefs aufzufaffen, bedenkt
er nicht.

Auf die Polemik gegen Ritfehl S. 82—m gehen
wir nicht näher ein. Das ift eine unwürdige Art des
Streitens, die dem fachlich relativ Berechtigten einzelner
Bedenken alle Ueberzeiigungskraft nehmen, die vielmehr
jeden, der chriftlichen Anftand liebt, zur Verthei-
digung des Gefchmähten verpflichten und den Herrn
Verf. bei allen Unverblendeten discreditiren wird. Es
ift zu beklagen, dafs der Herr Verf., welcher zu tüchtiger
theologifcher Arbeit die Ausrüftung hat, durch die
hervorgehobenen Fehler die heilfame Wirkung feines
Buches felbft unmöglich gemacht hat.

An Einzelheiten fei noch notirt, dafs S. 4 ff. das
fogenannte Symbolum Apostolicum fälfehlich als öku-
menifches Symbol bezeichnet, dafs S. 27 Hebr. 13, 14
falfch citirt, dafs S. 97 I Kor. 2, 9 falfch interpretirt wird.

Marburg. E. Chr. Ache Iis.

Farrar, Archidiak. Hofpred. ehem. Prof. Rev. Frederic
W., D. D. F. R. S., Ewige Hoffnung. Fünf Predigten,
gehalten in der Weftminfter-Abtei zu London November
und December 1877. Aus dem Engl, überf.
Braunfchweig, Schwetfchke & Sohn, 1891. (VII, 104 S.
8.) M. I.2C.

Referent möchte auf diele Predigten die Aufmerk-
famkeit der Lefer mit warmer Empfehlung richten. Zwar
der Titel: ,Ewige Hoffnung' fcheint zu weit für den Inhalt
zu fein; denn die Predigten behandeln die Fragen: 1. was
der Himmel ift; 2. ift das Leben lebenswerth? 3. ,die Hölle'
— was fie nicht ift; 4. werden wenige feiig werden? 5. irdi-
fche und ewige Folgen der Sünden; fie haben theils nur
die ewige Hoffnung für das einzelne Subject im Auge, —
auch die erfte Predigt gehört in diefe Kategorie; denn
der ,Himmel' ift der Zuftand, in welchem wir wirklich
das find, was wir hier nur zu fein gefchienen haben oder
zu fein wünfehten, die Erfüllung des Verlangens vielmehr
etwas zu fein als wohin zu gelangen, — teils enthalten
fie eine tiefreligiöfe Polemik gegen das Dogma von den
ewigen Höllenftrafen. Aber das Reich Gottes und feine
Vollendung und alles, was damit zufammenhängt, wird
nicht in den Kreis der Betrachtung gezogen. Auch mag
man mit vollem Recht die Centralfteilung der Perfon
und des Werkes Chrifti, wenigftens die ausdrückliche
Hervorhebung derfelben, vermiffen. Allein was die
Predigten in hohem Grade anziehend und ergreifend
macht, ift aufser der meifterhaften Beherrfchung der
Sprache die pfychologifche Wahrheit und deren
Macht, welche darin entfaltet wird. Der Verfaffer kennt
die Gedanken, die Stimmungen, die Weltanfchauung der
grofsen Schaaren, die fich um feine Kanzel drängen, und
er weifs das Befte, was fie haben, zu verwerthen, um fie
an die Schwelle des gläubigen Chriftenthums zu führen.
Man möchte die fünf Reden vielleicht beffer apologetifche
Vorträge als Predigten nennen; auf den Namen kommt's
nicht an, wenn nur die Art und Weife, wie der Verf.
feine Aufgabe anfafst und durchführt, lernbegierige

Lefer, namentlich in den Kreifen der Prediger grofs-
ftädtifcher Gemeinden, findet.

Die Ueberfetzung ift vorzüglich gelungen ; wohl nur
an einer Stelle (S. 101), wo .Störung' ftatt ,Einmifchung'
zu lefen ift, fchimmert das englifche Original durch.
Ein Druckfehler findet fich nur S. 98 Jofua' ftatt Jofa'.
Mehr als Druckfehler ift S. 55 ,Hieronimus' und S. 55
und 82 ,Origines'.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Stockmeyer, Antiftes Dr. Imman., Festpredigten. Gehal
ten in den letzten Jahren feiner Amtsführung. Ab-
fchiedsgrufs an die Münftergemeinde. Bafel, Reich,
1891. (III, 158 S. 8.) M. 1.20.

Der ehrwürdige Senior der theologifchen Facultät
in Bafel bietet in diefen 15 Predigten feiner Münftergemeinde
einen Abfchiedsgrufs. Sein Pfarramt hat er
niedergelegt, um ausfchliefslich feiner Profeffur Zeit und
Kraft zu widmen. Wir hören einen Seelforger reden,
der in einem langen Theologenleben einen reichen Schatz
der Erkenntnifs Gottes und des Menfchenherzens ge-
fammelt hat. In diefem feelforgerlichen Gepräge liegt
der Charakter und der Werth der Predigten. Durch finnige
Betrachtung und Auslegung des Schriftwortes führt
der Herr Verfaffer in die Bewegungen, die inneren und
äufseren Kämpfe des individuellen Chriftenlebens ein und
weifs auf demfelben Wege das die Räthfel löfende, die
Müden ftärkende und die Traurigen trottende Wort zu
finden. Die Predigten find rein analytifch gehalten, fo
fehr, dafs er in der Weihnachtspredigt S. 42. 43. cha-
rakteriftifch für die ganze Sammlung fagt: ,indem wir
jene erfte Weihnachtspredigt ... Wort für Wort erwägen
und bei jedem Worte uns erinnern: das ift auch
uns gefagt'. Nur feiten wird das Thema, nur feiten
werden die Theile genannt, und meiftens fehlt auch
fachlich die Einheit des Ganzen und der einzelnen Ab-
fchnitte. Vielleicht würde derTitel: .Bibelftunden'da paffender
fein. Der Münftergemeinde wird es auf die Form
der Predigten ihres vielgeliebten und hochverehrten feit-
herigen Antiftes wenig ankommen; durch den Inhalt
und um des Predigers willen wird der Abfchiedgrufs
ihr ein werthvolles Vermächtnifs bleiben.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Sülze, Paft. D. Dr. E., Die evangelische Gemeinde.

[Zimmer's Handbibliothek der prakt. Theologie,
Bd. Ia.] Gotha, F. A. Perthes, 1891. (VI, 283 S.
gr. 8.) M. 4. 40.

Dies Buch hat nicht die conftruirende Theorie eines
Doctrinärs verfafst, fondern die langjährige vielfeitige
Amts- und Lebenserfahrung eines Mannes, der feine
Vorfchläge den Bedürfnifscn ablaufchte und, foweit es
die Verhältnifse gematteten, im praktifchen Leben erprobte
. Es erzählt uns in fchlichtefter Form, oft nur
zwifchen den Zeilen, von durch allerlei Gewiffensnöthe
der unzureichenden Leiftungen des Amtes veranlafsten
Unternehmungen und taufenderlei Hemmungen nach den
verfchiedenften Seiten, von Erfolgen und Verzichten.
Dabei redet in jedem Wort ein Herz voll glühender
Liebe zu der heilbedürftigen Menfchenfeele, voll Vertrauens
zu der allein rettenden Kraft des Chriftenthums.
voll demüthiger Zuverficht, dafs Gott es den Aufrichtigen
gelingen laffe und feine Sache zum guten Ziel
führe. So wird die Leetüre zur Erbauung und bringt
dem Kleinglauben befchämende Stärkung. Das Buch
bietet uns die Ergebnifse eines Lebens des unermüdlichen
Ringens nach den echt evangelifchen Formen des
Gemeindelebens, durch welche der chriftliche Glaube in
den Einzelnen wie in der Gemeinfchaft als die alles