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Ausgabe: | 1892 |
Spalte: | 243-244 |
Autor/Hrsg.: | Rohden, G. von |
Titel/Untertitel: | Ueber christocentrische Behandlung des lutherschen Katechismus 1892 |
Rezensent: | Smend, Julius |
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durch diefelbe fich in feiner anthropomorphiftifchen Wendung
mufs richten laffen. Darüber hilft uns erft die Er-
kenntnifs hinweg, dafs die fog. Vernunftidee Gottes mit
dem religiöfen Gottesglauben gar nicht in Concurrenz
treten kann, weil fie in Wahrheit nichts anderes ift als
der inhaltleere Gedanke eines unbedingten, auch von
unferem erkennenden Bewufstfein unabhängigen Seins.
Die richtige Kritik der anthropomorphiftifchen Vorftell-
ungen von Gott braucht bei diefer Erkenntnifs nicht zu
kurz zukommen; nur erwächft fie nicht aus einer Vernunftidee
von Gott, fondern aus der kritifchen Selbftbefinnung
über Grund und Art unferes religiöfen Glaubens felbft. —
So, wie an diefem Punkt die Begriffsbaukunft des Ver-
faffers fchwierige Probleme nicht löft, fondern verdeckt,
fo ift es auch an anderen Stellen. Der Verf. bewegt fich,
befonders im erften Theil, in abltractem Denken. Aber
feine Abftraction ift häufig nicht diejenige, welche durch
Beifeitelaffung der Aehnlichkeiten die Unterfchiede der
Dinge in möglichft fcharfes Licht rückt, fondern diejenige
, welche durch Beifeitelaffung der charakteriftifchen
Unterfchiede weitfchichtige Begriffe von möglichft viel-
feitiger Anwendbarkeit zu fchaffen fucht. Ein Beifpiel!
Zur Vernunftidee von Gott gehört nach dem Verf. der
Gedanke der abfoluten Einheit oder Identität alles Ver-
fchiedenen; die Identität alles Verfchiedenen ltellt fich
uns aber auch in der Schönheit und ihrer Harmonie dar
und fie weckt darum eine Ahnung von Gott. Aber auch
zum Wefen des Menfchen gehört das Streben nach Einheit
des Geiftes im Sinn der Identität ,und fomit auch'
nach Identität aller Geifter in der Menfchheit durch die
Liebe; in diefem Streben der Menfchen nach Identität
liegt hiernach auch eine Annäherung an Gott als die
Identität alles Verfchiedenen. Oft laffen fich durch das
Band folcher allgemeiner Begriffe nur allzu geiftreiche Beziehungen
herftellen; etwa folgende: wie es zwifchen
allen Reichen der Natur Uebergänge giebt, fo giebt es
auch einen Uebergang zwifchen Menfchheit und Gott,
nämlich Jefum Chriftum und feine Erlöfung; diefe läfst
fich auch, da die Höhepunkte in der Gefchichte fich mit
denen im Leben des Einzelnen zufammenftellen laffen,
als die ,Confirmation der Menfchheit' bezeichnen.
Stuttgart. Max Reife hie.
Rohden, Pfr. Dr. G. von, Ueber christocentrische Behandlung
des lutherischen Katechismus. [Aus: .Mittheilungen
und Nachrichten für die evangel. Kirche in Rufsl.']
Riga, L. Hörfchelmann, 1891. 42 S. gr. 8,) M. 1. —
Die Anfchauungen des Verf.'s über die Aufgabe des
kirchlichen Religionsunterrichts find aus früheren Arbeiten
bekannt. Er folgt auch in diefem, vor der Petersburger
Synode gehaltenen Vortrag den von Gottfchick vertretenen
Gedanken, die er im Einzelnen auszuführen fich
bemüht. Ein Eeind des abftracten Formalismus, wie
ihn die übliche dogmatifche Methode unvermeidlich
macht, erklärt er fich mit Entfchiedenheit für unmittelbare
Anknüpfung an die lebenwirkende Gefchichte Jefu;
dem Aufbau eines künftlichen Syftems abgeneigt, verlangt
er den Anfchlufs an die (im Sinne felbftändiger,
mannigfaltiger Ausprägung der chriftl. Heilsgewifsheit
verftandenen) 5 Hauptftücke. An der Hand einiger
Thefen wird die Erfpriefslichkeit des Verfahrens dar-
gethan und eine Skizze gegeben, welche dasfelbe über-
fichtlich durchführt.
Das doppelte Intereffe, das den Verf. leitet, erfreut
fich immer allgemeinerer Anerkennung. Dafs der ab-
fchliefsende Unterricht in der chriftl. Religion, wie er
hier vorgeflellt wird, auf die den Kindern bereits vertrauten
Hauptftücke zurückzugreifen hat, erfcheint felbft-
verftändlich. Dafs ein jedes der letzteren von der Ge-
ftalt Chrilti her fein Licht empfangen foll, ift nicht minder
natürlich, wenngleich wir diefen Gedanken noch mehr
in den Vordergrund (teilen, insbefondere auch darauf
hinweifen möchten, dafs eine günftige Weiterentwickelung
der chriftl. Erkenntnifs bei den aus der Schule Entladenen
nur dann gewährleiftet ift, wenn die öffentliche
Verkündigung, die Predigt von Chriftus, an den Gegen-
ftand des genoffenen Unterrichts unmittelbar anknüpfen
und das Verftändnifs desfelben ausbauen und vertiefen
kann. Die Schwierigkeit beginnt bei der Frage, wie das
Leben Jefu mit dem Katechismus verfchmolzen werden
foll. Der Verf. legt die Hauptftücke zu Grunde, um
den Lebensgang des Herrn im Einzelnen zur Illuftration
jener zu verwenden. Und man mufs zugeben, dafs dies
in einer geiftvollen und gründlichen Art gefchieht. So,
wenn der 1. Artikel dahin beftimmt wird: Chriftus bringt
Gott zu den Menfchen (durch feine anfehauliche Abbildung
des Vaters in feinem Wirken; durch fein eigenes
perfönliches Sohnesvertrauen); der 2. Art.: Chriftus bringt
die Menfchen zu Gott (er ift uns der eingeborene Gottes-
fohn; diefer Gottesfohn ift der Unferige geworden); der
3. Art.: Chriftus ift im heiligen Geilte unter feiner Gemeinde
gegenwärtig als der lebendige Herr etc. — Unfer
Hauptbedenken ift dies, dafs der Verf. einer neuen
Syftematik verfällt, die zwar er felbft mit Geift und
Leben zu erfüllen weifs, die aber unter anderen Händen
rettungslos in die alten Wege auszugleiten droht. Zudem
befürchten wir eine Menge unliebfamer Zerreifsungen
und Wiederholungen, welche für das Ganze den Eindruck
der Einfachheit gefährden müffen. Daher wir vorläufig,
ohne die Mifslichkeiten des eigenen Vorgehens zu verkennen
, das Leben Jefu als Grundlage und Faden des
Unterrichts fefthalten möchten, die Hauptftücke fumma-
rifch an geeigneten Stellen einflechtend. Dies mag etwa
in der Weife gefchehen, dafs bei Darfteilung der Predigt
Chrifti das Wort von der Gerechtigkeit an den 10 Geboten
, der Begriff des Vaters an dem 2. Hauptftück,
der Gedanke des Reiches Gottes an dem Gebet des
Herrn und den Sacramenten aufgezeigt werde, fo zwar,
dafs der Katechismus jedes Mal das zufammenfaffende
Schlufsergebnifs der bezüglichen Lehrftücke darbiete, die
fortgehende Darfteilung des Lebens Jefu aber den einheitlichen
Eindruck des chriftl. Heilsgutes verbürge, auf
den es uns wie dem Verf. allermeift ankommt. — Die
Schrift fei, namentlich wegen der mannigfachen fördernden
Winke und Anregungen im Einzelnen, allen denen
wärmftens empfohlen, welche noch auf der Suche nach
der bellen Methode find.
Friedberg. J. Smend.
Bibliographie
von Bibliothekar Dr. Johannes Müller.
Berlin W., Opernplatz, König). Bibliothek.
iCcutfcbe üiteratur.
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6. —
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