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Ausgabe:

1892

Spalte:

238

Titel/Untertitel:

Eduard Langhans, ein Zeuge der Geistesfreiheit 1892

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeiturg. 1892. Nr. 9.

238

Calmet zu hintertreiben; zu kurz befpricht er 11,251 die
von M. zum Druck beforgte Schrift des Marchefe Maffei
über den Conftantins-Orden, die nicht blofs ,bei der In-
quifition denuncirt', fondern in den Index gefetzt wurde
(Index 2, 596. 795. 854).

Bonn. F. H. Reufch.

Weitbrecht, Rieh.. Ketzergerichte. Neue gefchichtliche Erzählungen
. Leipzig, Buchhandlg. d.Evang. Bundes von
C. Braun, 1892. (VII, 503 S. 8.) M. 3. —; geb. M. 4. 50.

Mit demfelben Gefchicke, mit welchem Rieh. Weitbrecht
den Pauker von Niklashaufen für eine wirkungsreiche
dichterifche Erzählung zu verwerthen wufste, hat
er dies Mal fünf Stoffe aus der nachreformatorifchen
Zeit bearbeitet und unter dem Titel ,Ketzergerichte'
zufammengefafst. Für die erfte Erzählung ,die Glocken
von Guardia' bildet das Gefchick des Waldenferpredigers
Luigi Pasquali, für die zweite das Ende des Tondichters
Goudimel die hiftorifche Unterlage. Die beiden letzten
Stücke fpielen in Schwaben. Die eine führt in die Zeit
der Jefuitenherrfchaft in Württemberg, als Oefterreich
das unglückliche Land an fich rifs. In der anderen hat
Weitbrecht die Geftalten Schubart's und Gafsner's, des
damaligen fchwäbifchen Wunderdoctors, einander ge-
fchickt gegenübergeftellt, während das kaum erft reichsfrei
gewordene Kloner Söflingen einen der katholifchen
Kirche untreu gewordenen Klofterunterthanen durchjuftiz-
mord aus der Welt räumt. Diefe vier Erzählungen bilden
bei aller Verfchiedenheit des Stoffes, der Perionen und
Orte ein harmonifches Ganze, fle athmen denfelben
antirömifchen Geift und haben diefelbe Abficht, — dem
Lefer zu zeigen, wie Rom nur mit Gewalt und Lift feine
Macht ftärken und aufrecht halten kann, und wie allzeit
fleh Katholiken finden, welche folches Vorgehen ihrer
Kirche als Unrecht und Schmach empfinden, wenn fie
auch nicht den Muth haben auszutreten.

Den Mittelpunkt des ganzen Buches bildet die Tragödie
Kaspar Krell's, des fächfifchen Kanzlers. Auch
diefe Erzählung verräth ein gründliches Studium der
Zeitgefchichte, aber fie pafst nicht recht zu den vier
übrigen Erzählungen. Allerdings läfst fich Krell's Ende
unter den Titel Ketzergericht bringen, aber diefer Titel
kann doch für Weitbrecht nicht das einzig Mafsgebende
fein. Dann mufste er die Erzählung ,die Jefuiten vom
Asperg' ftreichen, denn fie giebt ftreng genommen kein
Ketzergericht, aber fie pafst ganz gut in ein Buch, das
Rom's Wege und Mittel fchildern will. Man mag auch
immerhin das Vorgehen gegen Krell mit Rom's Wegen
vergleichen, aber hier find doch wefentlich andere Mächte
wirkfam, als der päpftliche Abfolutismus. In der Zeit
der abfoluten Fürftengewalt fafsen die Köpfe der
Kanzler und Minifter überaus locker. Man denke z. B.
an Enzlin (in Stuttgart), Dankelmann und Struenfee.
Es find mancherlei Gewalten, denen diefe Männer zum
Opfer fielen, je nach der Gruppirung der politifchen
Parteien in den einzelnen Ländern. Auch die Religion,
Kirche und Confeffion mufs hier als Waffe gegen einen
Gewaltigen dienen, deffen ftarker Arm die unzufriedenen
Geifter niedergehalten. In Krell's Procefs fpielen
diefe Inftanzen eine grofse Rolle, das ift unleugbar, aber
fehe ich recht, fo fchliefst fich doch die Erzählung
Weitbrecht's vom fächfifchen Kanzler nicht ganz natürlich
an die übrigen an. Der Proteftantismus darf feine
Irrgänge nicht verheimlichen oder verleugnen. Und
wenn Weitbrecht einmal der Sammlung von katholifchen
Ketzergerichten eine Sammlung protefiantifcher zu Nutz
und Frommen der Gegenwart an die Seite ftellen will
und etwa Schwenkfeld, Seb. Frank, Servet neben Krell
ftellt, fo läfst fich das verftehen. Aber für die vorliegende
Sammlung möchte man Weitbrecht bitten, den
Kanzler von Sachfen etwa durch den .Prediger von

Reutlingen' zu erfetzen. Der Ketzerprocefs des Reichskammergerichts
zu Efslingen 1524 gegen Matth. Alber
bildet einen ebenfo fchönen, wie wenig gekannten Stoff.
Die heldenmüthige Haltung Reutlingens, die noch 1530
in Augsburg bei allen evangelifchen Städten Bewunderung
erregt, Alber's Geiftesklarheit und Ruhe, fein
durchfchlagender Witz, die neidvollen Umtriebe der
Tübinger Theologen gegen den gefeierten Prediger in
Reutlingen, zu dem die Tübinger an Sonntagen in Schaaren
von 300 Mann wandern, die Aengftlichkeit, mit der fie in
Efslingen auftreten, das Gefpött, das fie vom Volk
einernten, würde unter Weitbrecht's Händen zu einem
lebensvollen Bilde fich geftalten laffen. Es wird auch
kein Schaden fein, dafs diefer Ketzerprocefs nicht mit
Blut fchliefst, denn er wird auf deutfehem Boden geführt.
Alber's ruhige Klarheit und Witz fiegen über die Gegner.
Weitbrecht felbft wird zugeltehen, dafs diefer Stoff beffer
in die vorliegende Sammlung pafst, als der Kanzler von
Sachfen.

Nabern bei Kirchheim u/T. G. Boffert.

Eduard Langhans, ein Zeuge der Geistesfreiheit. Auffätze
— Vorträge — Reifebriefe. Mit Lebensbelchrei-
bung und Bildnifs. Bern, Schmid, Francke & Co., 1891.
(XLII, 358 S. 8.) M. 3. 20.

Eine recht dankenswerthe Erinnerung an den am 9. Januar
1891 verftorbenen Profeffor der Theologie in Bern, welcher
einft als Religionslehrer am Seminar zu Münchenbuchfee
Anlafs zu einem Sturm gegeben hat, davon die
Berner Kirche einige Jahre lang bewegt worden ift,
wie ich glaube, nicht eben zu ihrem Schaden. Wie fein
ihm im Tode vorangegangener Freund Bitzius war Langhans
ein Typus der Schweizer Reform-Theologie, dabei
eine fchlichte, aufrichtige und weltoffene, eine edle und
im Grunde durchaus pofitive Natur, nicht ohne poetifche
Anlage bei früh entwickelter Beobachtungsgabe. Letztere
erhellt namentlich aus feinen fehr lefenswerthen Reifebriefen
und fonftigen Erinnerungen. Was der jugendliche
Student befpielsweife aus Berlin fchreibt, ift für die dort
1858—59 herrfchenden Illufionen bezeichnend. Nach einer
anderen Seite hin bewährt fich fein Darftellungstalent in
den .Erinnerungen an Rom'. Aber auch der Rhein und
die Pyrenäen find anziehend gefchildert. Eine durchaus
praktifche Natur, fchlofs fich Langhans in Fragen der
Theologie und Philofophie, zumal auch der ihn vorzugs-
weife intereffirenden Religionsgefchichte meift an Andere
an. Aber auch aus zweiter Hand nimmt man gut und
und frei Angeeignetes gern entgegen , wo fo viel Gefchick
vorhanden ift, anfehaulich, fafslich und mit künft-
lerifcher Anmuth darzuftellen. Einzelnes von dem Dargebotenen
(die Ueberfchriften lauten: .Leffing's Nathan',
.Religion und Naturwiffenfchaft', .Bibelerklärendes', ,Chri-
ftenthum und Sittlichkeit', .Religionsgefchichtliches') war
fchon von dem Verftorbenen felbft veröffentlicht worden.
Anderes ift neu. Den einleitungsweife mitgetheilten Lebensgang
hat der College Steck verfafst. Ergänzungen
dazu bietet in der .Proteftantifchen Kirchenzeitung' (Nr.
3 und 4 diefes Jahrganges) der Leipziger Hans Blum,
der fich fchon zur Zeit, da er in Bern die Rechte ftudirte,
dem theologifchen Freunde eng angefchloffen hatte und
feither in fteter Verbindung mit ihm geblieben war.
Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Metzger, MflTa. D. G.J., DiTchrirtUche Wahrheit, in ihrem
inneren Zufammenhange aus der h. Schrift nach
Oetingers realiftifcher Auffaffung entwickelt und mit
Bezugnahme auf die neueften theologifchen Syfteme
dargeftellt. Stuttgart, Gundert, 1892. (VIII, 328 S
gr. 8.) M. 4.80.
Es ift gewifs aller Ehren werth, wenn ein einftiger

Miffionar die fpärlichen Freiftunden, die ihm fein jetziger