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Ausgabe:

1892 Nr. 7

Spalte:

179-183

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der alte Glaube und die Wahrheit des Christenthums 1892

Rezensent:

Kaftan, Julius

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179 Theologifche Literaturzeitung. 1892. Nr. 7. 180

feidon durch feine Wogen das Weib rettet, hier die
Fluten vom Drachen kommen, hat das doch wohl Zu-
fammenhang' (S. 120, A. 4). — .Hier tragen die Flügel des
Adlers die Kreifsende weg, dort Boreas, der fchnelle'.
Der Ref. kann nur daffelbe wiederholen, was Harnack
Ufener gegenüber geltend gemacht hat: ,Das wilde Verfahren
, Parallelen für uralte kirchliche Ueberlieferungen,
fei es gefchichtlicher Berichte, fei es Legenden, aus der
Mythologie aller Völker zu fammeln, ift werthlos'.

Zum Schluffe möchte der Ref. noch auf Einzelheiten
aufmerkfam machen:

1) Die Pistis Sophia ift nicht nachvalentinianifch (S.
2l) und hat mit dem Valentinianismus nichts zu fchaffen.

2) Dafs ,der grofse Valentin beinahe Bifchof von
Rom geworden wäre', durfte aus Tertull. adv. Val. 4 und
de praescr. haer. 30 nicht erfchloffen werden (S. 86).

3) Die richtige Erklärung von azor/eia zov -koguov
(Gal. 4, 3. Col. 2, 8) findet man bereits bei Schulthefs,
Hilgenfeld, Holften, Baur, Lipfius, Klöpper, befonders
bei Spitta: 2. Brief des Petrus S. 263/270 (S. 62).

4) Der Bearbeiter der Mithräen ift nicht Layard (S.
53), der Ausgraber von Ninive, fondern Lajard: recher-
ches sur le mite public et les mysteres de Mithra en
Orient et en Occident, Paris 1867.

Mag nun auch das vorliegende Buch noch manche
Schwächen zeigen, fo wird es dennoch die Grundlage für
alle fpäteren Unterfuchungen bilden. Wir hoffen, dem
Verf. noch des Oefteren auf diefem Gebiete zu begegnen
; noch ift der Arbeit die Hülle und Fülle. Mögen
auch andere Gelehrte durch diefes Werk zur Mitarbeiter-
fchaft angeregt werden und die Schlufsworte des Verf.'s
beherzigen: ,Wir können uns glücklich fchätzen, dafs es
uns fchwer fällt, uns in die feltfam fuchende Seele jenes
Zeitalters zu verfetzen; für uns Philologen aber ift das
keine Entfchuldigung. Heute tun fich die Gräber
Aegyptens auf, heut rnüffen wir auch da an die Arbeit'
(S. 166).

Berlin. Dr. Carl Schmidt.

1. Schmidt, Pfr. Dr. Wilh., Der Kampf ums Dogma. Berlin,
Wiegandt & Grieben, 1891. (70 S. 8.) M. 1. —

2. Schmidt, Pfr. Dr. Wilh., Der alte Glaube und die Wahrheit
des Chriftenthums. Berlin, Wiegandt & Grieben, 1891.
(III. 374 S. gr. 8.) M. 6. -

Der erstgenannte Vortrag fetzt fich mit Dreyer,
Egidy und dem Unterzeichneten aus einander. In dem
an zweiter Stelle genannten Buch ift Egidy von der
Bildfläche verfchwunden, auf Dreyer's Erörterungen wird
nur noch kurz Bezug genommen, in der Hauptfache ift
es eine eingehende Polemik gegen meine Auffätze
.Glaube und Dogma', .Brauchen wir ein neues Dogma?' I
und gegen mein Buch über die Wahrheit der chriftlichen
Religion. Eingegliedert ift diefer Polemik eine ausführliche
(S. 87—199) Bestreitung einiger Sätze aus Harnack's
Dogmengefchichte Band I. Doch richtet fich auch da
die Nutzanwendung wieder gegen mich. Diefer Sachverhalt
wird es rechtfertigen, dafs ich vorwiegend vom
Buch handle. Er wird es zugleich entfchuldigen, wenn
in diefer Anzeige reichlich viel von meinen Anflehten
die Rede ift. Das Buch nöthigt dazu.

Allererft bezeuge ich aber dem Verfaffer gern, dafs
es ihm um eine fachliche Verhandlung zu thun gewefen
ift. Wenn er S. 6 fagt, dafs es fich um einen ehrlichen
theologifchen Disput handeln folle, fo hat er im Grofscn
und Ganzen Wort gehalten. Sogar die beliebte Feft-
nagelung auf allerlei übelberüchtigte —ismen, an welche
mich meine Kritiker längft gewöhnt haben, ift beinahe
ganz vermieden worden, nur im letzten Capitel fpielt
fie ihre übliche Rolle, ohne jedoch auch da in den Vordergrund
gerückt zu fein. Wenn der Verf. im übrigen,
wie man fagt, kein gutes Haar an mir läfst, fo ift das '

fein wie eines jeden Kritikers gutes Recht. Ich kann
ihm daraus keinen Vorwurf machen. Es kommt auf
die Begründung an.

Das Buch zerfällt nach einem kurzen Eingang
(S. 1—11) in 3 Abfchnitte. Der erfte Abfchnitt (S. 12—
208) ift betitelt ,Der Anftofs am Dogma'. Hier wird zuerst
vom Dogma und der modernen Wiffenfchaft gehandelt
(S. 12—44), nämlich im Gegenfatz gegen meine und
Dreyer's Aeufserungen gezeigt, dafs beides fich ganz
gut verträgt. Hauptfächlich handelt es fich aber in
diefem erften Abfchnitt um die gefchichtliche Fintftehung
des Dogma's (S. 44—208). Im Gegenfatz zu der im erften
Abfchnitt meines genannten Buches gegebenen Dar-
ftellung wird gezeigt, dafs das Dogma aus dem Glauben
entftanden ift, und die hellenifche Wiffenfchaft nichts
damit zu thun hat. Hier bringt dann das Thema auch
das oben erwähnte Eingehen auf Harnack's Dogmengefchichte
mit fich. Der zweite Abfchnitt ift über-
fchrieben ,Das Dogma und die Reformation' (S.209—260)
und thut in 3 Gängen dar, dafs weder das reformatorifche
Schriftprincip, noch die reformatorifche Auffaffung vom
Glauben, noch die Gefchichte der evangelifchen Kirche
den mindesten Anlafs bietet, zu zweifeln, ob das alte
Dogma auch der durch die Reformation in der evangelifchen
Kirche begründeten Auffaffung des Chriftenthums
entfpreche. Der dritte und letzte Abfchnitt führt
den Titel: ,Die Probe für die Methode des neuen
Dogma's: „Der Beweis" des Chriftenthums mittels der-
felben' (S. 261—374). Hier folgt die Erörterung Schritt
für Schritt meinen Auseinanderfetzungen im zweiten Abfchnitt
meines Buches über die Wahrheit der chriftlichen
Religion und zeigt, wie gänzlich unbegründet fie find,
eine Kette von fonderbaren Einfällen, auf die ein halbwegs
vernünftiger Menfch nicht hätte kommen follen.

Die erfte Thefe des Verfaffers lautet: Das Dogma
ift ohne jede Mitwirkung der hellenifchen Philofophie
aus dem Glauben der erften Gemeinden entftanden. Er
führt den Beweis, indem er die beiden Gröfsen .Dogma'
und .altrömifches Symbolum' identificirt. Ja, er fordert
gelegentlich auf, wo er ,Dogmal fage, immer diefes alte
Glaubensbekenntnifs darunter zu verstehen. Denn dies
fei immer gemeint. Und nun zeigt er, dafs ,das Dogma'
unabhängig von der hellenifchen Philofophie entftanden
fei, was ihm, wie Jeder fieht, nicht fchwer fallen kann.
Mit Bezug auf das Nicänum hat er freilich feine Bedenken
. Da hat die Philofophie ihre Finger dazwifchen
gehabt. Aber er tröffet fich damit, dafs das Nicänum
bald wieder durch das fogen. Conftantinopolitanum abgelöst
worden fei, welches wieder ein Taufbekenntnifs
fei wie das römifche Symbolum. Und vor allem, wer
wird denn ans Nicänum denken, wenn vom .Dogma'
die Rede ift? ,Dogma' ift ja das altrömifche Symbolum.
Insbefondere ift es dem Verfaffer darum zu thun, die
Urfprünglichkeit und grundlegende Bedeutung des Prä-
exiftenzgedankens in der Chriftologie zu vertreten. Er
führt ihn kurz und gut auf das Bekenntnifs des Petrus
Matth. 16 zurück, von daher habe das vorgefchichtliche
Sein des Heilands dem Glauben der Jünger feftgeftanden.
Ganz verkehrt fei es daher, mit Harnack anzunehmen,
es handle fich in der Lehre von der Präexiftenz des
Herrn um die Anwendung einer auch fonft zu beobachtenden
Speculation, die aus dem ewigen Werth die ewige
Exiftenz einer Perfon oder Sache erfchliefse, auf die
Perfon des Heilands. Gerade umgekehrt ift alles, was
fich der Art findet, nachchristlichen Urfprungs und
flammt aus einer Nachwirkung der chriftlichen Erkennt-
nifs der Präexiftenz des Herrn — eine Thefe, welche
der Verf. allen Ernftes an den einzelnen in Betracht
kommenden Stellen, namentlich denen, welche Harnack
nennt, durchzuführen fucht! So viel über die Stellungnahme
des Verfaffers in der dogmengefchichtlichen
Frage. Dem Bericht braucht eine Kritik nicht erft hinzugefügt
zu werden. Auch diejenigen, welche in der