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Ausgabe:

1891 Nr. 6

Spalte:

155-159

Autor/Hrsg.:

Caspari, Walter

Titel/Untertitel:

Die evangelische Confirmation, vornehmlich in der lutherischen Kirche 1891

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 6.

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der Prediger, wie z. B. in den fünf ,Predigten vom
chriftlichen Klofterleben', durch pofitive Darlegung des
viel höheren Gutes evangelifcher Lebens- und Berufs-
auffaffung die Gegenlehre als eine Verkümmerung des
Evangeliums aus dem Felde fchlägt. Wohl ift an fo
mancher Stelle erfichtlich, wie Luthers Gedanken umgedeutet
, im Sinne des fpäteren Lutherthums materialifirt
lind; fo trägt Andreä kein Bedenken, S. 270 f. den chriftl.
Sonntag und feine Ruhe auf den ,ernftlichen Befehl Gottes1
2 Mof. 20 zu gründen; Gott wolle, dafs diefer Tag mit
feinem Wort und verordnetem Gottesdienft zugebracht
werden folle. Er weifs auch (S. 579), dafs die Apoftel

der Confirmation, die in willkommener Weife das bisher
bekannte Material vermehrt; und auch diejenigen Partien
feiner Arbeit, welche auf bereits bekanntem Gebiete fich
bewegen, bieten des Belehrenden und Anziehenden Vieles.
Dem hiftorifchen Theile feiner Arbeit ift daher auch, fo
weit mir bekannt, feitens der Fachgenoffen nur uneingeschränkte
Anerkennung gezollt worden; Achelis hat bereits
dafür geforgt, die werthvollften gefchichtlichen Daten,
die wir Cafpari's Forfchung danken, durch feine ,Prakt.
Theol.1 Th. I einem weiteren Leferkreife zuzuführen.
Die gefchichtliche Unterfuchung beginnt mit der refor-
matorifchen Ablehnung des römifchen sacram. confirma-

das Schlüffelamt ,ihren Nachkommen1, d. i. den ,gelehrten tionis in guter Auswahl der charakteriftifchen Zeugnifse
und lehrhaften Dienern Gottes1 hinterlaffen haben und

dgl. m. Aber es ift doch auch noch recht viel echtes
Lutherthum hier zu finden. Die zehn Kinderpredigten

Enders III 439 (Brief an Hausmann 3. Aug 1522) und
Erl. Ausg. 65, 173 nachtragen. Ein zweites Capitel begehören
zu dem Beften, was das 16. Jhrh. an homiletifcher ; handelt die Forderung der Reformatoren, der Jugend
Behandlung des Katechismus hervorgebracht hat. Es einen geordneten Katechismusunterricht zu bieten; auch
ift eine Freude, zu fehen, wie Andreä in den 9 erften j hier handelt es fich um lichtvolle Darfteilung bekannter
Predigten fich der confeffionellen Polemik ganz enthält, Dinge. Befonderes Intereffe fordert Cap. 3, welches den
in der abfchliefsenden 10. aber fich mit dem Nachweis | Urfprung einer evgl. Confirmationshandlung bis in die
begnügt, wie der in feinem Katechismus geübte Chrift ; erften Regungen und Impulfe zurückverfolgt. Hier ift

gegen alle verführerifche falfche Lehre fich fchützen
könne, z. B. fich kein Gewiffen wegen beftimmter Faften-
gebote werde machen laffen, weil Gottes Gebote nichts
davon reden, die Heiligenanrufung mit dem überwinden
werde, dafs Chriftus gelehrt habe ,Vater unfer' u. dgl. m..
Diefe Kinderpredigten find auch gefchichtlich von Intereffe
. Sie zeigen uns die Zeit, in welcher diefe Inftitution
der Vefperpredigten für die Jugend noch in voller Blüthe
ftand, wo auch die Eltern in grofser Anzahl diefe Pre-

nun das Neue geboten, dafs wir aus dem Archiv in Herrn-
hut beftimmte, bis auf 1468 zurückreichende Mittheilungen
erhalten über die Umbildung der Firmung bei den
böhmifchen Brüdern zu einer Betätigung als Gemeindeglied
auf Grund mündlichen Bekenntnifses, mittels Handauflegung
, begründet theils auf Stellen der Apoftelge-
fchichte, welche von Handauflegung durch die Apoftel
reden, theils auf Mrc. 10, dafs Chriftus den Kindern
die Hände auflegt und fie fegnet.

digten mit anhörten; A. bedankt fich in der 2. Predigt ; Cafpari weift nun nach, wie durch Erasmus 1322 in
(S. 275) für die lebhafte Betheilung von alt und jung, der Paraphrasis des Matthäus eine ganz ähnliche Feier
und gedenkt noch in der letzten derfelben (S. 384) des in Vorfchlag gebracht wird — vielleicht in Folge von
Fleifses, Ernftes und Eifers, mit dem man feine Predigten einer Kenntnifs diefer Ordnung der Brüderkirche. Dann
befucht hat. Wir fehen, wie er den Eltern Anleitung i aber hebt er viel ftärker, als es bisher gefchehen ift,
ertheilt wegen der Repetition diefer Predigten daheim { Butzer's Betheiligung an der Ueberleitung diefer Feier in
mit den Kindern (z. B. S. 294). Befonders intereffant ift ! die evgl. Gemeinden hervor, indem er die Frage offen
aber folgender Paffus: ,ich werde hernach anfallen eure j läfst, wie weit diefer dabei von Erasmus, von den Böh-
Kinder zu firmen, welches ein bifchöflich Amt ift. | men oder befonders durch Schwenckfeld beeinflufst worden
Wie nun ein jeder Pfarrer ein Bifchof ift, alfo foll er
aufs wenigfte alle Wochen auf den Sonntag etliche
Kinder firmen. Aber nicht . . wie im Papft-
thum gefchehen, . . fondern er foll fie vor fich fordern
und fie laffen Rechenfchaft geben von den Hauptftücken
chriftlicher Lehre, und fo fie diefelbigen gelernet haben, fie
ernftlich vermahnen auf Gottes Wort, dafs fie auch als
die Kinder Gottes darnach leben. Dies ift das rechte
Firmen, d. i. die Kinder in rechter Erkenntnifs und Furcht
Gottes beftätigen und ftärken, die jetzt ihren Glauben
felbft bekennen, und alle Menfchen fehen mögen, dafs
die Gevattern ihr Amt fleifsig verrichtet haben1. Selten
ift fo fcharf wie hier ausgelprochen worden, dafs die
rechte evang. Firmung in den (fonntäglichen) Katechismusverhören
zu fuchen fei.

Der Herausgeber hat die Predigten theilweife verkürzt
, auch orthographifch modernifirt, feltene Ausdrücke
auch gelegentlich erläutert. Ein kurzer Lebensabrifs,
Heerbrand's Bericht über A.'s letzte Tage, fowie ein Bild
desfelben bilden willkommene Beigaben. Dafs Schm. die
,Metzii Suffeciil, vor denen A. S. 48 warnt, nicht ver-
ftanden hat, nimmt mich wunder; hatte er den aus Liv.
1, 23 f. bekannten Verräther ganz vergeffen?

Kiel. Kawerau.

fei. Er findet bei Butzer das erfte fiebere Zeugnifs feiner
Befchäftigung mit der Einfuhrung einer Confirmation in
der Schrift ,Bericht aufs der heyl. gefchrifft1 1534. Er
weift nach, dafs bald nach 1534 Strafsburg als erfte
evangel. Stadt eine folche Feier eingeführt haben mufs,
und dafs die heffifche Confirmation (feit 1539) auf Butzer's
Anregungen zurückzuführen ift. Ich freue mich, diefe
Angaben des Verf.'s in verfchiedener Beziehung ergänzen
zu können. Ich meine nämlich, Butzer's Gedanken
ganz beftimmt mit Anregungen aus dem Kreife der böhm.
Brüder verbinden zu können. Cafpari hat nicht beachtet,
dafs Butzer fchon 1530 den Waldenfern fchreibt: ,Nobis
loco omniutn initialiutn caerimoniarum unum bapttsmum in-
stituit, nisi velis adserere impositionem manuum et
solemnem benedictionem qualem praestitit Christus
apportatis sibi pueris quos votuerant diseipuli ar-
cere'; und abermals: ,Sacramenta praeter baptismum et
euchanstiam nulla novimus quam forte manuum impositionem
et unetionem: utraque celehris etinm apostolis videtur, sed
non tantum quantum priora duo'. Zeitfchr. f. hift. Theol.
1866 S. 324. 337. Hier fehen wir Butzer geneigt, ein Quafi-
facrament der impositio manuum, gegründet auf Marcus 10
und auf die Praxis der Apoftel, anzuerkennen. Man vgl.
damit die Apologie der böhm. Brüder von 1518, bei Cafpari
S. 168—171; da ift die Uebereinftimmung fo grofs,
Caspari, Prof. Dr. Walter, Die evangelische Confirmation, I dafs wohl an eine Abhängigkeit Butzer's von dorther zu
vornehmlich in der lutherifchen Kirche. Erlangen u. | glauben ift Uebrigens lehnte die Waldenferfynode von
t r-.-Ui.xTur 0^1 /,-, c x/r 1 L532 das üir hier nahe gelegte Sacr. der Handautlegung

Leipzig, Deichert Nachf, 1890'. (173 S. gr. 8.) M. 3.- ; af/ unnöthig ab. Ja iin}os£ione de le matte non he neces-

Cafpari bietet uns eine Studie über die Gefchichte j saria etc.' (Herzog, Waldenfer S. 385). Ich empfehle zu
TUiTT-1 u. u 1 a r u <% -u o i weiterer Unterfuchung den officiellen Strafsburger Katech.

1) Keferent mochte vorweg bemerken, dals ihm ertt zu Weihn. iöQO : ,T. . . ö, ,, , rr°. , .

der Auftrag zugegangen ift, in diefen Blättern das vorliegende Buch zur ! von lS27 (F-Xpl. in der Rathschulblbl. ZU Zwickau); es
Befprechung zu bringen. Daher das fpäte Erfcheinen des Referats. | wäre möglich, dafs diefer näheren Anhalt gewährte. Be-