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Ausgabe:

1891 Nr. 6

Spalte:

141-145

Autor/Hrsg.:

Krenkel, Max

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Aufhellung der Geschichte und der Briefe des Apostels Paulus 1891

Rezensent:

Bahnsen, Wilhelm

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141 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 6. 142

Mangey in feiner Philo-Ausgabe als Johannus Monachus
inedttus zu citiren pflegt, ift bereits im J. 1886 von Harris
zur Gevvifsheit erhoben worden (Fragments of Philo
Jtidaeus newly editcd by R. F/arris, Cambridge 1886; vgl.
Theolog. Litztg. 1886, 481). Auffallenderweife erwähnt
Cohn die werthvolle Arbeit von Harris nicht. Als Harris
die Handfchrift benützte, befand fie fleh noch in der
Bibliothek Phillips zu Cheltenham. Erft durch Cohn's
Notiz S. XXIV ift dem Ref. bekannt geworden, dafs fie
jetzt in den Befitz der königlichen Bibliothek zu
Berlin übergegangen ift.

Die Grundfatze, nach welchen der Text von Cohn
conftituirt ift, ergeben fleh nach dem Obigen von felbft.
Eür die erfte Hälfte ift der Vindoboncnsis, für die zweite
HäUtederAfediceo-Laurcutianus'm den Vordergrund geftellt.
Doch gilt dies namentlich von letzterem nur in fehr relativer
Weife. Denn die Falle, in welchen andere Zeugen
bevorzugt werden mufsten, find nicht feiten. Einen ziemlich
ftarken Gebrauch macht Cohn auch von der Con-
jectur. In den Prolegomenis S. XXXV —XL find die
Stellen aufgeführt, an welchen der Text abweichend von
der gefammten Ueberlieferung durch Conjectur hergeftellt
ift (S. XXXV—XXXVII die fchon von anderen gemachten
Conjecturen, S. XXXVII — XL die eigenen des Herausgebers
). So unentbehrlich diefes Mittel an lieh ift, und fo
anfprechend manche der verfuchten Verbefferungen find, fo
wurde ich meinerfeits einen viel zurückhaltenderen Gebrauch
von diefem Mittel machen. Namentlich aber würde
ich Conjecturen, die nicht abfolut ficher find, nicht im
Text, fondern in den Anmerkungen geben. Freilich giebt
es viele Philologen, die hierüber anders denken.

Die umfangreichen Prolegomena geben aufser einem
Bericht über die Handfchriften (S. I —XXV) und dem
fchon erwähnten Conjecturen-Verzeichnifs (S. XXXV —
XL) auch eine Charakterifirung der bisherigen Ausgaben
..'S. XXV —XXXV). Am härteften urtheilt Cohn, leider
mit Recht, über die Separat-Ausgabe von J. G. Müller
(Des Juden Philo Buch von der Weltfchöpfung, Berlin
1841), die in einer feltfamen Vorliebe für die editio prin-
ceps faft ganz deren Text wiedergiebt, darunter auch
offenbare Druckfehler, welche Turnebus felbft fchon im
Anhang berichtigt hat.

Durch verfchiedene fehr dankenswerthe Beigaben
hat Cohn den Werth feiner Ausgabe noch erhöht. 1)
Den Prolegomenis find umfichtige Observationes de ser-
mone Philonis einverleibt (S. XLI — LVIII). 2) Unter
dem Text find aufser dem textkritifchen Apparat häufig
auch Sach-Parallelen aus anderen Schriften Philo's mitge-
theilt. 3) Ein Anhang bringt zahlreiche Sach-Parallelen
aus der philofophifchen Literatur der Griechen (S. 68
— 85). 4) Endlich erhalten wir noch einen ausführlichen
Index Graeatatis (S. 86 — 108 ). Dies alles jedoch mit
Einfchränkung auf die Schrift negi Tijg -/.oa^ioHOilag.

Da eine Fortfetzung zu hoffen ift, fo möchte ich
empfehlen, in der Anordnung der Schriften Philo's die
Fehler Mangey's zu berichtigen. An die Schrift de opi-
ficio mundi find nicht die allegorifchen Commentare an-
zufchliefsen, fondern das was bei Mangey im zweiten
Bande S. 1 — 437 fteht, jedoch mit Ausfchlufs der Vita
Mosis, welche ein felbftändiges Werk für fich bildet.
Vgl. meine Gefch. des jüd. Volkes II, 846 — 854 und die
in Nr. 4 diefes Jahrgangs der Theol. Litztg. angezeigte
Abhandlung von Maffebieau.

Kiel. E. Schürer.

Krenkel, Max, Beiträge zur Aufhellung der Geschichte und
der Briefe des Apostels Paulus. Braunfchweig, Schwetfchke
& Sohn, 1890. (VII, 468 S. gr. 8.) M. 9. —

Bereits im Jahre 1869 erfchien von K. ,Der Apoftel
Paulus'. An diefe Schrift, fowie an einige Auffätze in
Hilgenfeld's ,Zeitfchrift für wiffenfehaftliche Theologie'

knüpft das vorliegende Buch an. Es behandelt nach einander
8 Fragen betr. die Gefchichte und Briefe des
Apoftels Paulus. Auffatz 1 behandelt die Frage nach
dem Geburtsort des Apoftels, Auffatz 2 die Frage, ob
Paulus urfprünglich ,Saul' hiefs, Auffatz 3 die Frage, ob
Paulus jemals verheirathet war, Auffatz 4 die Frage nach
dem ,Dorn im Fleifch' (2 Kor. 12, 7—9), Auffatz 5 den
Thierkampf in Ephefus (1 Kor. 15, 32), Auffatz 6 den
perfönlichen und brieflichen Verkehr des Apoftels mit
der Gemeinde zu Korinth. Auffatz 7 giebt Erläuterungen
einzelner Stellen des erften Korintherbriefes und Auffatz
8 redet von den echten Beftandtheilen der Paftoralbriefe.

Wer diefes Inhaltsverzeichnifs überblickt, erkennt fo-
fort — was übrigens auch der Titel befagt — dafs das
vorliegende Buch kein einheitliches Ganzes bietet, dafs es
vielmehr dem Verlangen des Verfaffers, über einzelne
Fragen fich öffentlich zu äufsern, feinen Urfprung verdankt
. In lesbarem Stil gefchrieben, durch angenehmen
Druck ausgezeichnet, aus der Feder eines Mannes flammend
, der feinen Gegenftand völlig beherrfcht, sine ira
et studio feine Gegner behandelt und mit grofser Objec-
tivität an feine Arbeit herangetreten ift, kann das Buch
nur empfohlen werden, und wenn fich der Verfaffer darüber
befchwert, dafs man hierund davon feinen früheren
Arbeiten keine Notiz genommen, fo beweift die vorliegende
Schrift jedenfalls, dafs er allen Anfpruch darauf hat, in
Gelehrtenkreifen gehört zu werden. Seine Auffätze feffeln
auch da, wo man ihm nicht beiftimmen kann. Der inter-
effantefte ift unzweifelhaft der vierte, der über den .Dorn
im Fleifch'. Der Verf. fagt von diefem felbft, er bezwecke
die Weiterführung und den Abfchlufs einer Ünterfuchung,
welche in kürzerer Faffung unter dem Titel: ,Das körperliche
Leiden des Apoftels Paulus' bereits in Jahrgang 1873
von Hilgenfeld's Zeitfchrift (S. 238 — 244) erfchienen fei.
Er hofft feinen Gegenftand fo behandelt zu haben, dafs
fein ,Ergebnifs zu zweifeilofer Gewifsheit führe'. Diefes
Siegesbewufstfein des Verfaffers begreife ich vollkommen.
Denn ich glaube thatlächlich, dafs Krenkel die Anficht,
Paulus habe an epileptifchen Krämpfen gelitten, als etwas
kaum noch zu bezweifelndes nachgewiefen hat. Er hat
alles, was aus den Briefen des Apoftels fich nur heranziehen
läfst, für feine Arbeit verwerthet und namentlich
durch umfangreiches Material aus der Profanliteratur über
Beurtheilung und Heilung der Epilepfie bei den Alten
feine Behauptung geftützt. Das ovdi eSernvoctze (Gal. 4)
hat er gewifs richtig mit dem abergläubifchen Ausfpeien,
das man Epileptikern gegenüber beobachtete, in Verbindung
gebracht. Ebenfo hat er gewifs Recht, wenn er
zu dem [iciqtvqw yito vpTv ort et öiruzbv znvg ocftrakfiovg
vf.tüv i!-OQvl;avi£Q eövjxazt uoi daran erinnert, wie fchon
den Alten Schwäche der Augen als Folge der Epilepfie
bekannt war; wenn er ferner darauf hinweift, wie vifionäre
Delirien bei Epilepfie nichts Seltenes feien, wie die Gegner
Pauli es fich daher nicht hätten nehmen laffen, von feinen
,Vifionen' Kenntnifs zu nehmen und fie gegen ihn auszubeuten
, wie Epilepfie fchädlich wirke auf die Sprachorgane
und den Menfchen in feinem Auftreten ängftlich
mache (vgl. 1 Kor. 2, 3) etc.. Intereffant ift zudem, wie
Kr. auch daran anknüpft, dafs Paulus in Kenchreae fich
das Haupthaar fcheeren liefs. Der Verf. der Act. (18, 18)
weifs ja zwar, dafs diefe That einen religiöfen Grund
gehabt, aber diefer kann fpäter als Erklärung gedient
haben. Die alten Aerzte fchrieben Epileptifchen Scheeren
des Hauptes vor (S. 114). Gerade in Kenchreae hat nach
Rom. 16, 1 Paulus die Dienfte der Phöbe gebraucht, vielleicht
bei Gelegenheit eines feiner epileptifchen Anfälle.
Ein für alle Mal aber hat Kr. der Anficht allen Boden
genommen, als ob man gegen die Annahme der Epilepfie
bei Paulus feine ungebrochene Energie und Willenskraft
ins Feld führen könnte. Eine lange Reihe grofser Männer,
die alle an Epilepfie litten, führt er uns vor. Wir hören
von Kambyfes, Livius Drufus, Julius Caefar, Muhammed,
Karl dem Dicken, Alfred dem Grofsen von England, Ferdi-