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Ausgabe:

1891 Nr. 6

Spalte:

139-141

Titel/Untertitel:

Philonis Alexandrini libellus de opificio mundi edidit Leop. Cohn 1891

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 6.

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dem 38. Jahre ift ficher das 38. Regierungsjahr des Euer-
getes II zu verliehen. — Ein zweiter Excurs (S. 345 —
372) giebt zahlreiche Conjecturen zum Text, auch einzelne
exegetifche Bemerkungen. Hier ift manches beachtens-
werth; die Mehrzahl der Conjecturen freilich nicht überzeugend
. Vor allem aber dürfte, wer in folchem Umfang
Conjecturen zu Sirach macht, nicht den fyrifchen Text
ganz ignoriren, da diefer nach dem Urtheil der compe-
tenteften Kritiker vom griechifchen unabhängig ift. Auch
mit dem griechifchen Text hat es fich B. ziemlich leicht
gemacht. Er begnügt fich mit Tifchendorfs Septuaginta-
Text und den Bemerkungen in Fritzfche's Commentar.
Eine feltfame Vorftellung verräth er S. 353 von Tifchendorfs
Septuaginta-Ausgabe, indem er von einem Verfe
in den Proverbien Salomonis (8, 33) fagt: ,er ift durch
Tifchendorf vom Texte ausgefchloffen und in die Anmerkung
verwiefen worden' (ü a cte retranche du texte
par Tischendorf et rejete en note). Bekanntlich hat Tifchendorf
einfach die fixtinifche Ausgabe von 1587 abgedruckt
und unter dem Text die Varianten des Codex Alexan-
drinus gegeben, alfo überhaupt nichts vom Texte ausgefchloffen
und nichts in die Anmerkung verwiefen.

Weit mehr helleniftifch als Sirach ift die Weisheit
Salomonis, welcher der letzte Abfchnitt des Buches gewidmet
ift (S. 211—311, vgl. 373—412). Ihre Verwandtschaft
mit der griechifchen Philofophie einerfeits und
Philo andererfeits, wird, fo viel ich fehe, von Bois
im Wefentlichen richtig abgefchätzt, freilich ohne dafs
Neues geboten würde; auch hätten die Berührungen
mit der Stoa ftärker hervorgehoben werden dürfen. —
In einem Excurs über die Abfaffungszeit des Buches
(S. 373—377) äufsert fich Bois mit löblicher Zurückhaltung
nur dahin, dafs es vorphilonifch fei. Beftimmter
ift die Angabe S. 160: vers 150 ou 140 environ avant
Jesus-Christ. — Ein zweiter Excurs (S. 378—412) giebt
exegetifche Bemerkungen zu einzelnen Stellen, hier und
da auch Vorfchläge zu Textverbefferungen.

Kiel. E. Schür er.

Philonis Alexandrini libellus de opificio mundi edidit Loop.
Cohn. Specimen novae editionis operum Philonis ab
Academia Regia Berolinensi praemio ex donatione
Carlottiana ornatum. Breslau, Koebner, 1889. (LVIII,
108 S. gr. 8.) M. 4. 50.

Nachdem Grofsmann's langjährige Bemühungen um
eine neue Ausgabe Philo's nicht zum Ziele geführt haben,
ift es mit grofser Freude zu begrüfsen, dafs uns hier ein
vielverfprechendes Specimen einer neuen Gefammt-Aus-
gabe diefes wichtigen Autors vorgelegt wird. Möge es
nur wirklich ein Specimen fein, dem die Fortfetzung
und Vollendung des Ganzen in abfehbarer Zeit folgt.

Cohn's Ausgabe der Schrift ntgi zfjg /.oo^ionodag
ruht auf Vergleichung von elf Handfchriften, von welchen
die wichtigfte, eine Wiener Handfchrift, bisher noch nicht
herangezogen worden war. Jene elf Handfchriften er-
fchöpfen freilich keineswegs die Zahl der vorhandenen.
Aber man darf doch annehmen, dafs fie alle Claffen der
Text-Ueberlieferung repräfentiren, fo dafs die Heranziehung
einer noch gröfseren Anzahl kein anderes Re-
fultat ergeben haben würde.

1) Die belle Ueberlieferung bietet nach Cohn ein
Vindobonensis saec. XI, in welchem leider nur die erfte
Hälfte der Schrift von der Weltfchöpfung fich erhalten
hat. Nach einem vorausgefchickten Inhaltsverzeichnifs
nimmt Cohn an, dafs die Handfchrift urfprünglich noch
andere Schriften Philo's, darunter acht Bücher der jetzt ganz
verlorenen Lrirx^iaxa xat kvoeig (fechs zur Genefis und das
zweite und fünfte zum Exodus) enthalten habe. Dies ift
jedoch ein Irrthum, wie inzwifchcn Conybeare gezeigt
hat (The Academy 12. Juli 1890, Nr. 949, S. 32). Der
Text der Schrift von der Weltfchöpfung bricht mitten

im Satze ab, und zwar nicht am Ende eines Blattes,
fondern auf der halben Seite, fo dafs die untere Hälfte
der Seite leer bleibt. Er ift alfo bereits aus einer defecten
Vorlage abgefchrieben. Das Inhaltsverzeichnifs gilt demnach
nicht für die Wiener Handfchrift, fondern nur für
deren Archetypus. Von befonderem Intereffe ift die bei
dem Inhaltsverzeichnifs fich findende Notiz EvUüog Ini-
ororcog sv aioLiaxioig avtveiuaaxo ,Bifchof Euzoios hat fie
in Bänden erneuern laffen' (d. h. aus Papyrus-Rollen in
Pergamentbände umfchreiben laffen). Diefer Euzoios war
Bifchof von Cafarea 376—379 nach Chr. und hat ein
von feinem Vorgänger Acacius (340 — 365) begonnenes
gelehrtes Unternehmen fortgefetzt und vollendet, nämlich
die Umfchreibung der berühmten Bibliothek des Pam-
philus aus Papyrus-Rollen in Pergamentbände (Hieronymus
Tipist. 34 ad Marcellam c. I [opp. ed. Vallarsi 1, 15 5 J
quam ex parte corruptam Acacius dehinc et Euzoius eius-
dem ecclesiae sacerdotes in membranis instaurare conati
sunt). Auf ein folches Exemplar des Euzoius geht alfo
unfere Wiener Handfchrift zurück. Doch läfst fich nicht
fagen, wie viele Mittelglieder zwifchen beiden liegen.
Der Text des Wiener Codex ift zwar durch Schreib- und
Lefefehler entftellt, giebt aber nach Cohn's Urtheil ,an
vielen Stellen, an welchen alle anderen Handfchriften
corrumpirt find, allein die richtige Lesart' (proleg. p. IV).
Cohn hat daher für die erfte Hälfte des Werkes diefe
Handfchrift zu Grunde gelegt.

2) Nächft dem Wiener Codex ift der belle ein Mediceo
- Laurentianus ineunte saec. XIII, welchen bereits
Mangey benützt hat, und von welchem Tifchendorf in
feinen Pliilonea ein Facfimile gegeben hat. Er bietet nicht
wenige gute Lesarten; daneben aber auch eine erhebliche
Anzahl fchlechter. Der Text geht auf einen guten
Archetypus zurück, ift aber ftark emendirt. Immerhin
ift die Handfchrift nächft der Wiener die belle, weshalb
Cohn fie für die zweite Hälfte des Werkes als Grundlage
benützt.

3) Während die beiden bisher genannten Handfchriften
je eine felbftändige Tradition darftellen, laffen
fich die meiften übrigen in zwei Hauptclaffen eintheilen,
welche von Cohn durch a und b bezeichnet werden.
Für die Claffe a find folgende vier Handfchriften herangezogen
worden: 1) Monäcensis, olim Augustamis, saec.

XIII, 2) Venctus Marcianus saec. XIII, 3) Coislinianus saec.
XV, 4) Laurentianus saec. XV. Der belle Repräfentant
ift der Monäcensis. Der Text diefer Claffe ift nahe verwandt
mit dem des Mcdiceo-Laurentianus, fowohl nach
der guten, als nach der fchlechten Seite hin.

4) Für die Claffe b hat Cohn ebenfalls vier Handfchriften
verglichen, nämlich: 1) Venetus Marcianus saec.

XIV, 2) Monacencis saec. XVI, 3) Parisinus 434 saec. XVI,
4) Parisinus 433 saec. XVI. Der Text ift theils beffer
theils fchlechter als der der Claffe a. Auf den beiden
Parifer Handfchriften ruht hauptfächlich die editio prin-
ceps von Turnebus.

5) Eine Claffe für fich fcheint ein Laurentianus saec.
XV — XVI zu repräfentiren, welchen Cohn nach einer
Collation von Fr. Hanffen benützt hat. Er fleht der
Claffe b näher als der Claffe a.

Zu den Handfchriften des vollftändigen Textes kommen
als fubfidiäre Hülfsmittel für die Textkritik die Ex-
cerpte aus Philo, welche fich in Sammelhandfchriften,
bei Kirchenvätern und in Florilegien finden. Cohn hat
auch von diefen das eine und andere für feinen Zweck
verwerthet. Vielleicht hätte dies noch in ausgiebigerem
Mafse gefchehen dürfen, da diefe Excerpte nicht feiten
eine ältere Tradition darfteilen als unfere Handfchriften.
Erwähnt, aber wie es fcheint nicht benützt, wird von
Cohn der berühmte codex Kupefucaldinus der Sacra pa-
rallela des Johannes Damafcenus, welchen Lequien für
feine Ausgabe der letzteren nur eklektifch benützt hat.
Die von Cohn S. XXIV ausgefprochene Vermuthung, dafs
diefe Handfchrift identifch fei mit derjenigen, welche