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Ausgabe:

1891

Spalte:

131-132

Autor/Hrsg.:

Hering, Hermann

Titel/Untertitel:

Zur Jesuitenfrage. Die Lehre von dem erlaubten Doppelsinn beim Eid, aus Liguori‘s Moral-Theologie mitgeteilt und erläutert 1891

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 5.

132

Wolf, Guft., Der Augsburger Religionsfriede. Stuttgart, Gö-
fchen, 1890. (XV, 171 S. gr. 8.) M. 4. —

Die Arbeit beruht auf einem aufserordentlich umfangreichen
, zum gröfsten Theil ungedruckten Actenmaterial,
zu dem die Archive der beiden religiösen Parteien in
gleicher Weife beigefteuert haben. Nach einer kurzen
Einleitung, in der auf die Bedeutung des Paffauer Vertrags
hingewiefen ifl, werden wir im 1. Capitel über die
Lage unterrichtet, worin fich die einzelnen Stände der
religiöfen Frage gegenüber damals befanden. Namentlich
über die Stellung des Kaifers und Ferdinand's, aber auch
über die Haltung des Erzbifchofs v. Mainz, der Kurfürften
v. Sachfen und der Pfalz, des Herzogs v. Württemberg
und des Landgrafen v. Heffen etc. erhält man die inter-
effanteflen Auffchlüffe. Aus den folgenden Abfchnitten,
in welchen die Reichstagsverhandlungen felbft gefchildert
werden, empfangen wir einen lebhaften Eindruck von den
ungeheueren Schwierigkeiten, die zu überwinden waren,
wenn man zu einem für beide Parteien annehmbaren
Frieden gelangen wollte. Der Kampf entbrennt hauptfächlich
über die Kirchengüter, die Jurisdiction der Geift-
lichkeit und die fogenannte Freiftellung. Mit der gröfsten
Hartnäckigkeit halten beide Parteien an ihren Forderungen
feft, und namentlich ift es die Freiftellung, über
welche bis zuletzt jede Vereinbarung unmöglich zu fein
fcheint. Schliefslich ift es die fo oft bewährte Zähigkeit
der Habsburger, welche auch hier den Sieg davon trägt.
Durch die Drohung, die Verhandlung zu vertagen, weifs
Ferdinand die Proteftanten zur Befchlufsfaffung über den
Landfrieden und die Kammergerichtsordnung zu bewegen
und ihnen fo eine Waffe zu entwinden, welcher fie die
meiften Erfolge in den Verhandlungen verdankten. Wenn
fie jetzt nicht alles aufs Spiel fetzen wollten, konnten fie
die Aufnahme des geiftlichen Vorbehalts in den Frieden
nicht mehr verweigern. Infolge ihrer Uneinigkeit und
ihres Mangels an Zähigkeit wiffen ihnen die Katholifchen
zuletzt auch noch zwei andere Zugeftändnifse zu entreifsen:
dafs in den evangelifchen Reichsftädten die kath. Stifter
und der kath. Cultus beliehen bleiben und die evang.
Ritterfchaft in den Stiftern nicht durch den Frieden felbft,
fondern nur durch eine befondere Nebenaffecuration ge-
fchützt fein foll. Trotz diefer beiden unnöthigen Zugeftändnifse
bezeichnet der Verfaffer den Frieden für die
Evangelifchen als einen günftigen. Seine Bedeutung für
diefe liegt einmal in der unbegrenzten Geltungsdauer und
zweitens darin, dass auch die neu zum evangelifchen Be-
kenntnifs übertretenden Stände darin eingefchloffen find.
Hiermit war ein Ziel erreicht, das die Evangelifchen 30
Jahre lang vergebens erftrebt hatten. Indem die Gegner
darauf eingingen, wurde die politifche Gleichberechtigung
der Evangelifchen mit den Katholifchen ausge-
fprochen. Dem geiftlichen Vorbehalt mifst der Verfaffer
nicht die grofse Wichtigkeit bei, die ihm gewöhnlich zu-
gefchrieben wird. Da es im Frieden ausdrücklich hiefs, j
dafs die Evangelifchen ihm nicht zugeftimmt hätten,
wurde er zu einer blofsen Machtfrage. Thatfächlich hat j
er nicht verhindert, dafs in den nächften Jahren die
meiften katholifchen Stifter Norddeutfchlands in die Hände
der Evangelifchen übergingen. Wir flehen nicht an,
diefer Anficht beizuftimmen. — Gewonnen hätte die Arbeit
unteres Erachtens noch, wenn der Verfaffer in den Abfchnitten
über die Verhandlungen der Reichsräthe etwas
ausführlicher gewefen wäre und durch öftere Zufammen-
faffungen und Rückverweife es dem Lefer leichter ge- j
macht hätte, ihm zu folgen. Sehr vortheilhaft in diefer !
Hinficht wäre es auch gewefen, wenn im Anhang die I
Entwürfe, welche den Berathungen der Reichsräthe zu
Grunde liegen, im Wortlaut abgedruckt worden wären. !

Weimar. H. Virck.

Hering, Prof. Dr. Herrn., Zur Jesuitenfrage. Die Lehre '
von dem erlaubten Doppelfinn beim Eid, aus Ligu- I

ori's Moral-Theologie mitgeteilt und erläutert. Berlin,
Reuther, 1891. (50 S. 8.) M. —. 60.

Diefes Schriftchen unterfcheidet fich von den meiften
Brofchüren ,zur Jefuitenfrage' dadurch, dafs darin ein be-
ftimmter Punkt gründlich und wiffenfchaftlich behandelt
wird. Nach einer kurzen, aber genügenden Einleitung
über den Probabilismus zeigt der Verf., in welcher Ausdehnung
Liguori den Gebrauch der Amphibologie oder
Aequivocatio und der Restrictio mentalis bei eidlichen Aus-
fagen für erlaubt erklärt (die betreffenden Stellen werden
im Anhange vollftändig mitgetheilt). Dafs die Lehre Liguoris
als Lehre der Jefuiten angefehen werden kann,
wird von diefen felbft anerkannt. Zu der Bemerkung,
dafs fich bezüglich des fraglichen Punktes Gury ausdrücklich
auf Liguori berufe, kann beigefügt werden, dafs
auch die neuefte ausführliche Jefuitenmoral, die von den
Römifchen Jefuiten Ballerini und Palmieri (Th. L.-Z. 1889,
527), in dem 1890 erfchienenen zweiten Bande S. 404—410
fich ganz an Liguori anfchliefst. — Bufenbaum's Medulla ifl
nicht, wie man nach S. 18 annehmen könnte, blofs in früheren
, fondern in allen Ausgaben der Moraltheologie Liguoris
(auch in der vom Verf. benutzten von Haringer) abgedruckt
; nur Bufenbaum's Tractat<zV conscientia hat er in
der letzten Ausgabe (1779) weggelaffen (Döllinger-Reufch,
Moralftr. S. 435). Clemens XI. S. 15 ift ein Lapsus ca-
lami für Innocenz XI. Das S. 38 abgedruckte Verzeich-
nifs der von Liguori citirten Autoren dürfte vollftändiger
und genauer fein.

Bonn. F. H. Reufch.

Fey, Dr. Carl, Rom und die Toleranz. Ein Wort für den
Evangelifchen Bund an Sebaftian Brunner. Barmen,
Klein, 1890. (III, 112 S. 8.) M. 1. 50.

In feiner Schrift über die ,Vatikanifche Wiffenfchaft',
die in Nr. 15 des vorigen Jahrganges der Theol. Literaturzeitung
von uns befprochen wurde, hatte der geehrte
Verfaffer Norrenberg's Allgemeine Gefchichte der
Literatur' einer fcharfen Kritik unterworfen. Dies Mal
wendet er fich nicht weniger fchneidig gegen den alten
Sebaftian Brunner in Wien, der fchon feit vielen Jahren
in kräftigen Schmähreden gereimter und ungereimter Art
gegen alles was proteftantifch heifst, wahrhaft Unglaubliches
geleiftet hat, fo unglaubliches, dafs man verfucht
fein kann, den Mann nicht mehr ernft zu nehmen. Das
Merkwürdige dabei ift nur, dafs Brunner gar nicht zu
merken fcheint, wie ungefchlacht er fich geberdet. ,Er
wird nicht müde, den ihm gemachten Vorwurf des Fanatismus
als einen völlig ungerechten abzuweifen und
will nur den „pofitiven Proteftanten", mit denen er fich
eng verbunden fühlt, richtigere Begriffe vom Katholizismus
beibringen. Bisweilen aber kann der gute Herr fehr
ungemüthlich werden, der ,,Evangelifche Bund" verbittert
ihm das Leben und fo macht er dann feinem Ingrimm
gegen denfelben Luft in der Vorrede zu feiner Schrift:
„Die vier Grofsmeifter der Aufklärungstheologie
Herder, Paulus, Schleiermacher, Straufs", und in
feinem neueften Machwerk, welchem wegen feines pöbelhaften
Titels die Anzeige in dem Buchhändlerbörfenblatt
verfagt wurde: „Eine Pechfackel zur Beleuchtung
einiger Prachtexemplare aus dem neuevange-
lifchen Schnüffelbunde, mit einem Appell von
ehrenhaften an ehrenhafte Proteftanten." Wien
1890. Angefichts diefer anmuthigen Beleuchtung von
,Prachtexemplaren' des evangelifchen Bundes und nicht
weniger in Erwägung, dafs Brunner .beftändig klagt, dafs
ihm von proteftantifcher Seite nie genug Recht gefchehen
fei' (S. 7), hat der Verf. es unternommen, Brunner's Toleranz
gründlich zu prüfen. Es gefchieht dies in ausgie-
bigfter Art und fo eingehend, dafs der alte Herr fernerhin
nicht mehr zu klagen haben wird, es fei ihm ,nie genug
Recht gefchehen'. Er wird mit feinen eigenen Waffen