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Ausgabe:

1891 Nr. 5

Spalte:

118-119

Autor/Hrsg.:

Cramer, J.

Titel/Untertitel:

Exegetica et critica 1891

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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117 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 5. 118

guten Ueberfetzung anvertraut hätte. Das Buch wimmelt
von kühnen Verdeutfchungen und fonftigen Wageftücken,
die fich das Hebräifche nur von demjenigen gefallen
läfst, der es nicht kennt. Hier eine Mufterlefe. S. 40
zu 4, 2): ,Von Kain fpricht fie: ,Einen Mann habe ich
ereifert mit Jahve'. Dafs aber das Wort f1p bez. ffip
den Begriff des Beherrfchens mit dem des Schaffens verbindet
u. f. w.' S. 47 ,Thubalkain der „Erzkain". S. 55
,Gott brachte den Menfchen „zur Ruhe" im Garten', 2,15.
S. 121 ,Die Dualform des Namens schaddai1, S. 122 DiEP
(17, 1) ,Da eine fingularifche Form Gen. 25, 27 davon
ausdrücklich vorhanden ift, fo mag die pluralifche Form
doch wohl als Ableitung von dem Subftantiv Qp zu betrachten
fein. Die fprachliche Verwandtfchaft aber der
Thummim (u. Uri m) liegt auf der Hand' u. f. w., und fo
ift die priefterliche Qualität gekennzeichnet. S. 151 f. heifst
nST1 PrrP TÖ (22, 14) ,Auf dem Berg wird Jahve ge-
fchaut'. Damit ift ,j e d e r B er g als befonders geeignet zum
Jahvecultus bezeichnet, denn auf jedem Berg läfst
Jahve fich fchauen'. S. 198 heifst 133X QTtbx pppn
(30, 2) ,Bin ich nicht unter El oh im r' Nur aus mangelhaften
Sprachkenntnifsen erklärt es fich auch, dafs dies letzte
Wort, Elohim dem Verfaffer einfach und in jedem Falle
als der Eigenname eines Gottes erfcheint, fodafs er es
für nöthig hält, S. 79 ausdrücklich hervorzuheben (unter
wunderlicher Verwechfelung der Bezeichnungen ,Appel-
lativum' und ftotnen proprium'): ,Wenn Noah den Jahve
als den Gott Sem's fegnet, fo ift damit Jahve appellati-
vifch, Elohim als Attribut gebraucht, Jahve ift fonach
derjenige, den die Semiten als ihren Elohim, d. h. als
ihren Gott verehren'. So ift ihm auch S. 157 ,Jahve, der
Elohim Abrahams' u. f. w ein combinirter Gottesname.
Am meiften ift mit wenigem (immer unter Vorausfetzung
von Lücken in den Elementen des Hebräifchen) geleiftet,
wenn S. 66 ST!3K 133 als der zu Grunde liegende heid-
nifche Begriff gekennzeichnet wird, während durch Vor-
fetzung des Artikels in DipfJXP; 133 der biblifche Bericht
die heidnifche Lehre über die ,Halbgötter' nachdrücklich
zu Gunlten des reinen Monotheismus corrigirt'. —

Schade um fo viel Scharffinn und fo viel ehrliches
Bemühen! Es ift traurig, aber fchwerlich zu leugnen,
dafs des Verfaffers ganzes künftliches und fchimmerndes
Gebäude wie Seifenblafen zerrinnt, wenn man es nur
näher anfleht. Dafs die Zeitgenoffen des Mofe durch-
fchnittlich Leute von fo überfeinertem Scharffinn gewefen
wären wie der Verf., dafs fie alle die unendlich fpitzen
Andeutungen gefühlt hätten, durch die fie hier belehrt
werden follen, ift eine feltfame Vorftellung. Und ich
fürchte, auch der Durchfchnitt und die überwiegende,
Maffe des ,Bibelglaubens', an den der Verf. fich wendet,
ift zu handfeft, um fich fo zarten Fäden anzuvertrauen,
und wird die bedenklichen ,heidnifchen Grundlagen' mifs-
trauifch abweifen.

Strafsburg i/E. K. Budde.

Bacher, Prof. Dr. Wilh., Die Agada der Tannaiten. 2. Bd.

Von Akiba's Tod bis zum Abfchlufs der Mifchna.
[l35 — 220 nach der gew. Zeitrechnung.] Strafsburg i/E.
Trübner, 1890. (VIII, 578 S. gr. 8.) M. 10. —

Der erfte Band diefes Werkes ift im Jahrgang 1885
Nr. 5 angezeigt worden. Das dort ausgefprochene Lob
trifft — foweit Ref. fich überhaupt ein Urtheil erlauben
darf — in vollem Mafse auch für den zweiten Band zu.
Das nun vollendete Werk ift nicht nur das Refultat eines
ftupenden Sammelfleifses, fondern auch im Einzelnen
forgfältig, exact und fauber gearbeitet — Vorzüge, die
man bei Werken jüdifcher Verfaffer nicht allzu häufig
findet.

Während der erfte Band bis Akiba einfchliefslich
ging, behandelt diefer die /Tannaiten', d. h. Gelehrten
des Mifchna-Zeitalters, von der Mitte bis zum Ende des
zweiten Jahrhunderts n. Chr., alfo bis zum Abfchlufs der

Mifchna. An der Spitze flehen die vier in der Mifchna
unzähligemale citirten Zeitgenoffen R. Meir (S. 1— 69),
R. Simon ben Jochai (S. 70 — 149), R. Jofe ben Cha-
laftha (S. 150 — 190), und R. Jehuda ben Hai (S. 191
— 224). Von den fpäteren ift am ausführlichften der Re-
dactor der Mifchna, R. Jehuda I der Patriarch, behandelt
(S. 454 — 486). Um diefe gruppirt fich eine grofse
Zahl Gelehrter zweiten und dritten Ranges. Auch folche,
von denen nur ganz wenige Ausfprüche überliefert find,
werden nicht vergeffen. Mit Recht hebt Bacher im Vorworte
hervor, dafs feine Darfteilung zeige, dafs die auf
dem Gebiete der Halacha, d. h. der Gefetzeskunde, her-
vorragendften Gelehrten auch auf dem Gebiete der Hag-
gada die fruchtbarften waren, wenigftens foweit fich nach
den erhaltenen Ausfprüchen urtheilen läfst. Bacher's
Werk hat es nur mit der Haggada zu thun, alfo mit den
religiöfen und ethifchen Anfchauungen und den hifto-
rifchen Legenden, fowie mit den auf diefe Gebiete bezüglichen
Erklärungen biblifcher Texte. Was an Aeufser-
ungen diefer Art von jedem einzelnen Mifchna-Lehrer
überliefert ift, wird hier mit einem Fleifse und einer Voll-
ftändigkeit zufammengeftellt, wie es bisher noch nie auch
nur annähernd gefchehen ift. Nicht berückfichtigt ift die
grofse Maffe der anonymen Haggada's, da der Verf. nur
die unter beftimmten Namen tradirten zufammenftellen
will. Die Form diefer Aeufserungen ift ebenfo mannigfaltig
wie ihr Inhalt. Praktifche Sentenzen und Parabeln,
exegetifche Kunftftücke und groteske Erzeugniffe der
religiöfen Phantafie, Legenden über biblifche Perfonen
und ernfte fittliche Ermahnungen ziehen hier in bunter
Reihenfolge an unferem Blicke vorüber. Wer den jüdi-
fchen Geilt jener Epoche kennen lernen will, findet hier
ein überreiches Material. Nur darf man dabei nie vergeffen
, dafs die eine wichtige Seite der jüdifchen Schrift-
gelehrfamkeit, die Gefetzeskunde aufser dem Bereiche
der Darfteilung bleibt; desgleichen auch die anonyme
Haggada.

Für uns chriftliche Theologen wäre das Werk freilich
noch von directerem Nutzen und unmittelbarerem
Intereffe, wenn auch die anonyme Haggada mit aufgenommen
und der Stoff nicht biographifch fondern fyfte-
matifch geordnet wäre in der Weife, wie es in dem
Werke von Weber, Syttem der altfynagogalen paläfti-
nifchen Theologie 1880 (feit 1886 unter verändertem
Titel: Die Lehren des Talmud etc.) gefchehen ift. Diefem
Bedürfnifse nach einer fyftematifchen Orientirung über
die behandelten Lehren und Anfchauungen ift indeffen
der Verfaffer durch ein Sachregifter zu Hülfe gekommen
. Wie viele Stoffe in dem Buche behandelt
find, die für uns chriftliche Theologen ein directes Intereffe
haben, mag erhellen, wenn ich folgende Stichworte
heraushebe: Auferftehung der Todten, Bufse,
Chriften Chriftenthum, Daemonen, Demuth, Ehe, Elija,
Engel, Gebet, Gebote, Gleichnifse, Gottes Gnade, Gottes
Strafgerichte, Gottes Vorfehung, Gottvertrauen, Heiden,
Israel und fein Verhältnifs zu Gott, Israel und fein Ver-
hältnifs zu den Völkern, Kosmologifches, Liebe zu Gott,
Meffianifch.es, Nächftenliebe, Offenbarung am Sinai, Profe-
lyten, Sünde, Thora, Thoraftudium, Tod, Verdienft der
Väter, Vergeltung, Welt (die kommende), Weltfchöpfung,
Wohlthätigkeit, Wunderberichte der heiligen Schrift.

Möge aus dem reichen Inhalte des Buches auch von
chriftlichen Theologen recht fleifsig gefchöpft werden.
Die biblifche Theologie kann manches daraus lernen.

Kiel. E. Schürer.

Cramer, Dr. J., Exegetica et critica. I. [NieuweT bijdragen
op het gebied van godgeleerdheit en wijsbegeerte,
7. deel, 1. stuk.] Utrecht, Breijer, 1890. (III, 72 S
gr. 8.) fl. -. 85.

Der Utrechter Profeffor veröffentlicht in diefem erften
Hefte zunächft (S. I — 34) eine Auseinanderfetzung mit

*