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Ausgabe:

1891

Spalte:

113-117

Autor/Hrsg.:

Naumann, O.

Titel/Untertitel:

Das erste Buch der Bibel, nach seiner inneren Einheit und Echtheit dargestelt 1891

Rezensent:

Budde, Karl

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Kiel.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 5.

7. März 1891.

16. Jahrgang.

Naumann, Das erde Buch der Bibel
(Budde).

Bacher, Die Agacia der Tannaiten, 2. Bd.
(Schürer).

Cramer, Exegetica et critica I (Holtzmann).
Drufchky, Ueber den Sinn und den Gedanken-

gang in den Reden Jefu Lucas Cap. 15 und 16
(Holtzmann).

Noesgen, Gefchichte der neuteftamentlichen
Offenbarung, I. Bd. I. Hälfte (Holtzmann).

W e n d t, Die Lehre Jefu, 2. Thl. (Holtzmann
).

Gunkel, Die Wirkungen des heiligen Geiftes
(Schürer).

, Hau ck, Kirchengefchichte Deutfchlands, 2. Thl.
(Loofs).

Wolf, Der Augsburger Religionsfriede (Virck).
Hering, Zur Jefuitenfrage (Reufch).
Fey, Rom und die Toleranz (Kay).

Naumann, Pafl. O., Das erste Buch der Bibel, nach feiner
inneren Einheit und Echtheit dargeflellt. Gütersloh,
Bertelsmann, 1890. (VIII, 386 S. gr. 8.) M. 5. —

Ein hohes und feltenes Lob mufs diefem Buche
vorweg gefpendet werden: es hält fich frei von allem
Schimpfen, Verdächtigen und Verketzern. So weit des
Verfaffers Wege fich von denen der heutigen Forfchung
entfernen, in fo entfchiedenen Gegenfatz er faft durchweg
zu ihren Ergebniffen tritt, immer bleibt das Verfahren
ein rein fachliches, der Ton ein durchaus würdiger.
Männern wie Delitzfch und üillmann wird S. 96 nach-
gefagt, dafs fie gezeigt haben, wie man aus der Tiefe
den göttlichen Offenbarungsgehalt [der Genefis] fchöpfen
mufs. Ehre dem Manne, der ein fo hochnöthiges Bei-
fpiel giebt. —

Nur mit Widerftreben und Bedauern und auf den
dringenden Wunfeh des Herrn Herausgebers erfülle ich
einem fo freundlichen Gegner gegenüber die Pflicht,
wahrheitsgemäfs von feinem Buche zu berichten. Denn
um zu fehen, dafs der Verfaffer von Vorausfetzungen
ausgeht, die allen guten Willen vergeblich machen, braucht
man nur den Titel und den Schlufsfatz zu lefen. Der
Verf. giebt fich der beglückenden inneren Gewifsheit hin,
dafs ihm die Erbringung des inneren Beweifes der Echtheit
der Genefis durch Gottes wunderbare Hülfe in den
Augen der bibelgläubigen Lefer gelungen fein düifte.
Echtheit ift ihm hier Abfaffung durch Mofe, der Bibelglaube
, den er anruft, fchliefst die Annahme der jüdifchen
Ueberlieferung über die Urheberfchaft der altteftament-
lichen Schriften in fich, und folcher ,Bibelglaube' fleht
natürlich a priori feft. So handelt es fich nicht mehr
um das »Was?' fondern nur um das ,Wie?' — es gilt diejenige
Formel zu finden, die es ermöglicht, den vorliegenden
Thatbeftand auf Mofe zurückzuführen, oder,
wie der Verf. es ausdrückt, den Schlüffel zur Löfung
aller vorhandenen

Schwierigkeiten (S. 64). Dabei ift der
Verf. in feiner milden, verföhnlichen Sinnesart geneigt,
allen Stufen der bisherigen Forfcherarbeit Gerechtigkeit
widerfahren zu laffen und den richtigen Kern darin anzuerkennen
, aber damit ift wenig geholfen, da fie eben
unwillkürlich ihres eigentlichen Sinnes erft entkleidet
werden muffen, und gleichfam nur als Typus auf die hier
gefundene, ganz eigenartige Löfung auftreten. Sie be-
fteht wefentlich im Folgenden. Der Zweck des Buches
ift, das in Aegypten geknechtete Volk Israel zum Auszug
aus Aegypten zu beftimmen, und zwar durch die
rechte Belehrung über Gott und die Beftimmung des
Menfchen im Gegenfatz gegen heidnifchen Glauben und
heidnifches Wefen. Das zeigt fich gleich in den Gottesnamen
. Elohint, Jahwe und Jakve-Elohitn = Haelohtm
(S. 60) = El schaddai (S I2l) bezeichnen die 3 alterten
Gottesoffenbarungen, entfprechend der Göttertnas der

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Aegypter und den 3 Weltfphären. Elohim ift der Schöpfer
und Herr der Welt, der Menfch hat von ihm die Zeugungskraft
und die Herrfchergewalt erhalten und dient
ihm durch deren rechten Gebrauch. Jahve ift der Richter,
der Herr der fittlichen Weltordnung, das Wort giebt
feinen Willen kund, der Menfch hat von ihm das priefter-
liche Recht und dient ihm durch Anrufung d. i. Anbetung
unter Vermittlung des Wortes; das Sühnopfer
fcheint dabei vorausgefetzt zu fein. Jahve-Elohitn ift der
Erhalter und Regenerator (vgl. befonders S. 58 ff.). Die
Väter, ja felbft Abraham (vgl. 12, 7 mit 20, 17) und
hinab bis auf das Volk in Aegypten hatten diefe Götter
in heidnifcher Weife gefchieden und waren über duali-
ftifche tGotteserkenntnifs in henotheiftifchem Cultus nicht
hinausgekommen, während bei Reguel-Jethro in der Er-
kenntnifs, dafs El schaddai mit Jahve ein und derfelbe
fei, ein Reft des Urmonotheismus fich bewahrt hat.
Zu diefer Erkenntnifs will der Verfaffer das Volk in
Aegypten erziehen und thut das, indem er das Leben
der Väter fo erzählt, dafs die Identität der vermeintlich
unterfchiedenen Götter fich überall ergiebt. Ausdrücklich
bringt diefe Offenbarung dann Ex. 6, 2 f.: Elohim =
Jahve, Jahve = El schaddai (S. 372 ff.). In ähnlicher
Weife zeichnet Mofe dem Volke den idealen Zukunfts-
ftaat des Volkes Israel als das Gegenftück des heidnifchen
Tyrannenftaates, den es in Aegypten kennen gelernt
(S. 356). Ebenfo werden ins einzelne die heidnifchen
Irrthümer (der Schöpfung durch Zeugung, der Emanation
der Gottebenbildlichkeit der ganzen Schöpfung, der
Apokataftafis oder Aforption, des noth wendigen Uebels)
durch das Gegentheil, meift ftillfchweigend, widerlegt.
Das rechte Verhalten des Menfchen im rechten Gebrauch
der göttlichen Gaben, befonders der Zeugungskraft und
der Herrfchergewalt, wird gelehrt durch Beifpiele des
Mifsbrauchs und des darüber verhängten Verluftes der
Kräfte, und durch Vorbilder des rechten Gebrauches
(vgl. S. 11 ff.). Vielfach wird nach ägyptifchem Vorbild
die Allegorie zu Hülfe genommen, fo befonders in den
Gefchlechtstafeln, aber auch z. B. in der Paradiefesge-
fchichte und Gen. 38 (S. 354 f. u. öfter). Dies die Hauptzüge
, aus denen fich der ,Schlüffel' zufammenfetzt, der
alle Schwierigkeiten leicht löft. Zugleich wird dadurch
der Beweis mofaifcher Abfaffung erbracht. Es ift klar,
wie fpielend fich das Räthfel der Gottesnamen löft. Ent-
fpricht Jahve, entfpricht Elohim je an feiner Stelle dem
heidnifch-dualiftifchen Gebrauch des Namens, fo ift das
fo im Sinne der Patriarchen gewollt; ift das Gegentheil
der Fall, fo will der Verf. eben ihre Identität Tier-
vorheben. ,So erfährt Jakob [zu c. 30], der nach dem
Gelübde 28, 21 Jahve und Elohim felbft für zwei ver-
fchiedene Gottheiten gehalten haben mochte, wie , Jahve
zu Elohim" wird, indem Jahve der Richter den Schöpferfegen
Elohim s giebt und verfagt, und Elohim zu Jahve

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