Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1891 Nr. 4

Spalte:

104-109

Autor/Hrsg.:

Hoensbroech, Paul Graf v.

Titel/Untertitel:

Warum sollen die Jesuiten nicht nach Deutschland zurück? Eine Frage und eine Antwort 1891

Rezensent:

Harnack, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

103 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 4. 104

Auflage auf dasfelbe verwendet, mögen feine nochmalige
Befprechung rechtfertigen. Dem Berichterftatter aber ift
es eine Freude, dem Gefühl dankbarer Anhänglichkeit
an den entfchlafenen Lehrer Ausdruck geben zu dürfen,
deffen Bild in feiner fchlichten männlichen Wahrheit
immer aufs neue und im Fortfehritt der Jahre immer mehr
die alten Schüler zu feffeln weifs, deffen Stimme in ihrer
eigenartigen, von der Sache bewegten Kraft fie mitzu-
vernehmen glauben, wenn fie die vertrauten Sätze lefen.

In ,Umfang und Anlage, in Standpunkt und Urtheil'
follte das Buch nicht geändert werden. In diefen Beziehungen
ift alfo auf die Befprechungen der erften Auflage
, hier fpeciell auf die noch immer werthvolle Anzeige
Plitt's (1887, S. 179 f.) zu verweifen; die Neubearbeitungen
unferer Disciplin, von denen Kattenbufch's Con-
feffionskunde und Schmidts Symbolik faft gleichzeitig
mit Dehler2 erfchienen find, laffen deutlich erkennen, wie
tief und allgemein das Reformbedürfnifs in der Auf-
faffung und Anlage empfunden wird, und wie grofs ins-
befondere der Fortfehritt ift, der fleh aus dem F.rtrag
der Dogmen- bezw. Reformationsgefchichte ergiebt. Aber,
foweit es innerhalb des alten Rahmens möglich ift,
wollte der Herausgeber eben diefen Ertrag der Forfchung
von 14 Jahren dem Werke Oehler's zuführen. Er hat
fleh alfo nicht auf Ergänzung der Literaturangaben und
Controlle der Citate befchränkt, obwohl auch dies fchon
als ein Verdienft bezeichnet werden mufs, namentlich
die Beifügung der Paragraphenzahlen in den Bekenntnifs-
fchriften, ebenfo das ausgezeichnet forgfältige Regifter.
Der gröfseren fachlichen Verbefferungen find es mehr
als hundert. Ich notire zur Illuftration nur einige: S. 36.
Luther und die ökumenifchen Symbole (Kattenbufch);
S. 67. Charakteriftik der griechifchen Kirche (Ritfehl,
Harnack, Schmidt); S. 86 ff. Principien des Proteftantis-
mus und Katholicismus; S. 128. Torgauer Artikel und
Auguftana (Brieger); S. 150 f. genauere Angabe des Inhalts
der Schmalkaldifchen Artikel; S. 175. Wiedertäufer
(Ritfehl); S. 300. Tradition und Lehramt (Hetlinger, Scheeben
, Tschackert); S. 320. 327. Unfehlbarkeit der Conci-
lien und desPapftes; S. 471. Verföhnungslehre der Refor-
mirten (Ritfehl); S. 528 f. meritum de congruo (intereffante
Stelle aus Bellarmin); S. 565. neues Lebensideal im Protef-
ftantismus (Ritfehl); S. 635 f. Mefsritual (gewifs vielen
Studirenden erwünfeht) u. a. m. Wo es fleh bei folchen
Ergänzungen u. Richtigftellungen nicht um anerkannte
hiftorifche Ergebnifse handelt, fondern wefentlich um Be-
urtheilung von theilweife mehr dogmatifcher Natur, hat
der Herausgeber häufig nur referirt. S. 86 ff. 565 f. ift eine
Auseinanderfetzung mit Ritfehl gegeben. Letztere, die
den Begriff des ,neuen Lebensideals' als einen in den
Bekenntnifsfchriften begründeten nicht anerkennen will,
fcheint mir fogar den Wortlaut z. B. von Aug. 16, 4
gegen fich zu haben. (Aufser den genannten Zufätzen,
bez w. Aenderungen, die durch eckige Klammern kenntlich
gemacht find, mögen erwähnt werden SS. 26. 29.
69. 79. 92 f. 98. I03. 7. 16. 19. 21. 29. 33. 36. 40. 41.
58/65. 88. 201. 17 f. 28. 30. 49 f. 53. 64. 691. 75. 80. 314.
50. 61. 67. 86. 4i2. 23 f. 28. 6of. 66 f. 96. 97. 611. 24 f.
27. 54 f. 59. 85. 97. 99. 608. 10. 19. 22. 26. 34. 39. 53 f.
67 f. 76. 80. 83. 705 ff.)

Eine völlige Neubearbeitung haben erfahren die
Paragraphen über die ökumenifchen Symbole, namentlich
das Apoftolicum; das lichtvolle Referat über diefe
verwickelten Forfchungen ift fehr dankenswerth. Sodann
ift die Lehre vom Bufsfacrament S. 657 ff. viel deutlicher
als in der erften Auflage; fie ift ganz unter dem
Gefichtspunkt dargeftellt, dafs die potestas ordinis und
jurisdictionis'm diefer Inftitution eigenthümlich coneurriren,
und fehr anfehaulich tritt dabei heraus, wie gerade diefe
Verbindung von Gnadenact und Gerichtsverfahren das
Bufsfacrament zum grofsen Mittel der Gewiffensbeherr-
fchung gemacht hat. Vielleicht wäre diefe Lehre noch
mehr in ihrer ganzen Bedeutung deutlich, wenn Ritfchl's

Hinweis auf ihr Verhältnifs zur Rechtfertigung allfeitiger
verfolgt würde.

Dies führt zu dem Abfchnitt, den der Herausgeber
am felbftändigften geändert hat, der Rechtfertigungs-
lehre S. 532 ff. Die Darftellung derfelben in der Apologie
fchliefst fich an die Unterfuchungen von Loofs und
Eichhorn an, grofsentheils zuftimmend, doch auch in nicht
unwichtigen Punkten abweichend. Abgefehen von der
Deutung des reum absolverc (R. 124, 185) = einen Angeklagten
, nicht Schuldigen freifprechen, was für die
Sache fchwerlich viel Unterfchied macht, möchte ich in
der Kürze nur auf folgende Punkte hinweifen. Einmal
hat der Herausgeber nachdrücklicher, als es zu gefchehen
pflegt, und wie mir fcheint, mit gutem Grund, auf die
Werthung der fides als obedientia erga cvangclium (a.
a. O. 187) hingewiefen, und dies würde m. E. noch mehr
im Sinn Melanchthon's hervortreten, wenn es nicht in
dem S. 539 gegebenen engen Zufammenhang mit der
vivificatio dargeftellt würde. Zum Synergismus führt dies
keineswegs nothwendig, aber allerdings zur genauem Be-
ftimmung des Glaubensbegrififs. Sodann ift die Frage
nach dem Verhältnifs der Rechtfertigung zu dem Anfang
und Fortgang des neuen Lebens S. 543 f. dahin beantwortet
, dafs ,die Rechtfertigung, wenn einmal eingetreten,
als eine im Leben des Chriften fortwirkende Potenz zu
denken ift', und es wird ausdrücklich gefagt, dafs ein Zufammenhang
mit der Lehre von der Taufe nicht her-
geftellt fei. Man wird nun hierbei zwar nicht an dem
Worte ,Potenz', das nach dem Zufammenhang naheliegenden
Einwänden nicht unterliegen kann, fich aufhalten
, wohl aber wünfehen dürfen, es hätte dem Verf.
gefallen, auf das Verhalten von Taufe, Bufse, Rechtfertigung
genauer einzugehen, da, wie er felbft wiederholt
hervorhebt, gerade auf diefem Punkt viel gearbeitet
worden ift. Aber nichtsdeftoweniger ift m. E. durch feine
Ausführung aufs neue das grofse Problem, das hier
vorliegt, zum Bewufstfein gebracht; man kann, foviel ich
fehe, den wichtigen neueften Unterfuchungen über diefen
Punkt (vgl. die Lit. 532) in gröfserem Mafs beiftimmen,
als der Verf. thut, und doch darin mit ihm einverftanden
fein, dafs mit der Betonung der Wahrheit, der Rechtfertigungsgedanke
fei der ,religiöfe Regulator des ehr.
fubjectiven Gefammtlebens', jene Frage nach dem Anfang
des neuen Lebens keineswegs erledigt ift; Schleier-
macher's Gedanken von der nothwendigen Bekehrung der
in der Kirche Erzogenen 108, Z. 4 Anf.) find noch nicht
widerlegt und kommen leicht zu kurz, wo man fich jener
neuen Erkenntnifs des evangelifchen Rechtfertigungsglaubens
mit Recht freut. Eine ausführlichere Darlegung
der Gedanken des Verf's. in jenem gröfsern Zufammenhang
wäre gewifs vielen erwünfeht, die von feinen Ausführungen
angeregt find.

Manche werden bedauern, dafs er nicht auch noch
an andern Punkten fich gröfsere Selbftändigkeit geftattete,
z. B. bei der Darfteilung des Socianismus. Es mag aber
gerade die Selbftbefchränkung, die er fich auferlegt hat,
dazu dienen, die Vorzüge des Buchs zu erhalten und
doch zugleich durch die fachlichen unparteiifchen Ergänzungen
auf das, was wirklich feitdem gearbeitet worden
ift, alle ohne Ausnahme hinzuweifen.

Göttingen. Th. Häring.

Hoensbroech, Paul v. S. J., Warum sollen die Jesuiten
nicht nach Deutschland zurück? Eine Frage und eine
Antwort. 2. verm. Auflage. Freiburg i/Br., Herder.
1891. (IV, 152 S. gr. 8.) M. 1.20.

In diefer Brofchüre fucht der Verfaffer, felbft Mitglied
der Gefellfchaft Jefu, die Vorwürfe gegen den Orden zu
entkräften. Unleugbar wird den Jefuiten Vieles vorgeworfen
, was nicht dem Syfteme angehört, fondern der
Gefchichte, nicht dem Orden zur Laft fällt, fondern den