Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1891 Nr. 4

Spalte:

98-100

Autor/Hrsg.:

Ficker, Johs.

Titel/Untertitel:

Die altchristlichen Bildwerke im christlichen Museum des Laterans, untersucht und beschrieben 1891

Rezensent:

Dopffel, Hermann

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

97

Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 4.

98

wird, ift, verglichen mit den entfprechenden Aeufserungen
der erften Auflage, ganz geeignet, den Fortfehritt der
paulinifchen Studien innerhalb der, zwifchen beiden Veröffentlichungen
verflxichenen, Frift bündig zu kennzeichnen.
Auch die Auffafiung des Einzelnen hat fich auf mehr als
einem Funkte geändert, und es wird hier und dort auch
nicht an folchen fehlen, welche dem verlaffenen Standpunkt
der erften Auflage den Vorzug geben. Die Einteilung
ift nur in den Grundzügen diefelbe geblieben.
Aber hier dürften die getroffenen Aenderungen ausnahmslos
als Verbefferungen zu bezeichnen fein. Geblieben
ift endlich auch die ausnehmende Durchfichtigkeit und
Klarheit der Darftellung, welche auch die fchwierigften
und verwickelften Partien des Stoffes ficher zu bewältigen
weifs.

Strafsburg iE. H. Holtzmann.

Friedrich, J., Das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte,

Werke desfelben Verfaffers. Halle a/S., Kaemmerer
& Co., 1890. (103 S. gr. 8.) M. 2. 40.

Gebrauch einzelner Wörter (z. B. Adverbia, Zufam-
menfetzungen), Worte, die fleh nur im Lucasevangelium
und in der Apoftelgefchichte, fonft aber nicht im N. T.
finden, Umfchreibungen, Stiliftifches, Partikeln, Conjuncti-
onen u. f. f., Aehnlichkeit des Inhalts: aus diefen Haupt-
überfchriften erhellt der Beweisgang, welcher in vorliegender
Schrift eingefchlagen wird, um ein Refultat zu erreichen
, welches freilich fchon längft unumftöfslich geworden
ift. Darum aber fchadet es nichts, wenn die
Kritik veranlafst wird, fich wieder einmal den ganzen
Umfang des Beweismaterialcs zu vergegenwärtigen. Ver-
fuche, die Dinge auf den Kopf zu ftellen, könnten ja
eines fchönen Tages auch hier gewagt werden. Es wäre
fogar zu wünfehen, der Verfaffer hätte fcheinbare Anhaltspunkte
für derartige Paradoxien kenntlich und eben damit
auch im Voraus unfehädlich gemacht. Auf eine
fprachliche Verfchiebung, an welcher beide Schriften
unterfcheidbar werden, habe ich gelegentlich aufmerkfam
gemacht in der Einleitung in das N.T.2. Aufl. 404. Hiernach
ift das hier S. 13 Beigebrachte genauer zu beftimmen.
Oder wenn wir lefen, dafs nur Luc. 15, 13. Act. 1, 5.
27, 14. Joh. 2, 12 ov rrolvg fteht ftatt '>).iy>c, fo wäre
auch umgekehrt Act. 12, 18. 14, 28. 15, 2. 17, 4. 12. 19,
23. 24. 27, 20 ovy. nXiyng ftatt 7io?.vg zu erwähnen und
unter Hinweis auf 19, II. 20. 12. 21, 39. 28, 2 zu zeigen
gewefen, wie eine folche Ausdrucksweife überhaupt erft
dem zweiten Lucasbuche recht eigen ift. Sehr viel
mehr liefse fich bezüglich des den Inhalt betreffenden
Theiles erinnern. Beifpielsweife begnügt fich der Verfaffer
bei jj 5 ,Reichthum und Armuth' an Schwegler's
Entdeckung ,ebjonitifcher Stücke' in den Lucasfchriften zu
erinnern. Aber es handelt fich hier um den ausgeprägten
Standpunkt, welchen der Verfaffer in focialer Beziehung
einnimmt, um fein beinahe franziscanifch zu nennendes
Armuthsprincip im Evangelium, die Verherrlichung der
Gütergemeinfchaft in der Apoftelgefchichte. Der Verfaffer
hat mit feinen Studien über die letztere Schrift zu
früh, d. h. bei Baur, Zeller und Schwegler, abgefchloffen,
womit nicht in Abrede geftellt fein foll, dafs er auch
zahlreiche neue Beobachtungen bringt. Einzelne unter
diefen find, wie z. B. die in *j 12 gemachten, von der
Art, dafs es unferer, in apologetifchen Zwecken rein advo-
catifch zu Werk gehenden, Schultheologie, wofern das
zu erweifende Refultat ihren Beftrebungen ebenfo zu-
wiederliefe, wie es ihnen glüchlicherweife entgegenkommt,
ein Leichtes wäre, dem ganzen, in der Hauptfache doch
wohl begründeten, Bau durch Hinweis auf einzelne morfche,
aber auch überflüflige, Beftandthcile einen baldigen Ein-
fturz zu weifsagen.

Strafsburg iE. H. Holtzmann.

Leeuwen, E. H, van. Prolegomena van bijbelsche godgeleerd-
heid. Utrecht, Breijer, 1890. (VIII, 150 S. gr. 8.)

Auf ftreng bibelgläubigem Standpunkte flehend,
fchreibt der Profeffor der niederländifchen reformirten
Kirche zu Utrecht eine Einleitung zur biblifchen Theologie
. Der lebendige Gott im Gegenfatze zum todten
Götzen ift ein fprechender Gott. ,Offenbarung', fowohl
als (povtQiooig wie als ä7toz«7.t't///c; gedacht, ift nur ein auf
den Gefichtsfinn berechneter Ausdruck für denfelben
Gott, deffen Rede wir hören. Aber diefes Hören und
jenes Sprechen hat feine Gefchichte, deren Progamm
Hebr. I, I gefchrieben fteht. Der Verfaffer erklärt diefe
Stelle und befpricht hierauf die Offenbarungsformen des
Traumes (diefe, als die niederfte und am fchwerften gegen
das natürliche Seelenleben abzugrenzende, zuerft), der Vifion
(Ekftafe), der Theophanie (,Engel der Herrn' als vorläufige
Offenbarung des Logos), der Gottesftimme (.Gehörwunder
'; doch fcheut der Verfaffer hier einigermafsen
vor feines ebenfo ftarkgläubigen Gefinnungsgenoffen König
,wirklichem Ertönen aus der für gewöhnlich trans-
cendenten Sphäre' zurück), des Wunders (ar^ueio)'), der
Infpiration (Eingebung durch Geiftesberührung), der Pro-
phetie (befondere Form der Infpiration), um endlich die
Gottesoffenbarung an und durch Mofes (als der Propheten
Gröfstem) der vollkommneren Gottesoffenbarung
in Chriftus gegenüberzuftellen. Der Verfaffer ift mit der
deutfehen Theologie vertraut und lehnt fich befonders
an Rothe, Tholuck, Oehler, Delitzfch, Keil u. A. an.

Strafsburg iE. H. Holtzmann.

Ficker, Jobs., Die altchristlichen Bildwerke im christlichen
Museum des Laterans, unterfucht und befchrieben. Gedruckt
mit Unterftützung des kaiferlich deutfehen
archäologifchen Inftituts. Leipzig, Seemann, 1890 (V,
211 S. m. 2 Taf. u. 3 Abbildgn. im Text. gr. 8.) M. 6. —

,Arbeiten wie die vorliegende können erft dann den
gewünfehten Nutzen bringen, wenn der erften und elemen-
tarften Aufgabe der Archäologie, einer umfaffenden Aufnahme
ihres Materials in wiffenfehaftlicher Befchreibung
des gefammten Denkmälervorraths, mehr als bisher genügt
fein wird'. Was Benndorf und Schöne mit diefen
Worten bei der Herausgabe ihres Katalogs der antiken
Bildwerke des lateranenfifchen Mufeums im Jahr 1867
im Hinblick auf die claffifche Archäologie gefchrieben
haben, gilt ebenfo im Hinblick auf die chriftliche Archäologie
vom vorliegenden Werk J. Ficker's, das fich
jenem claffifchen Katalog als würdiges Gegenftuck zur
Seite ftellt. Wie V. Schultze in feiner Befchreibung der
altchriftlichen Bildwerke des museo Kircheriano, fo hat
Ficker für das, was noch zu thun übrig ift, ein muller-
giltiges Vorbild gefchaffen. Die Befchreibung ift durchaus
genau, die kunftgefchichtliche, äfthetifche, technifcht
Würdigung treffend. Die literarifchen Hinweife dürften
nahezu vollftändig fein. Das Buch ift ein Zeugnifs der
fich befcheidenden Selbftbefchränkung und zähen Ausdauer
, die zur Durchführung einer derartigen Arbeit gehören
. Das altchriftliche Material ftellt um fo gröfsere
Anfprüche, da diefe Denkmäler einer finkenden Kunft
ein auch im günftigften Fall nur befcheidenes Mafs von
äfthetifcher Befriedigung gewähren. Zu bewundern ift
die peinliche Püxactheit, mit welcher die zahllofen fpäteren
Ergänzungen und Ueberarbeitungen nachgewiefen find,
eine Leiftung, welche alle zu würdigen wiffen werden,
die fich fchon des Genaueren mit den Originalen be-
fchäftigt haben. Die Angaben Ficker's in diefer Richtung
gehen weit über das hinaus, was Garrucci bietet. Da, wo
beide differiren (z. B. in Nr. 174 bei der Abrahamsfcene).
verdienen Ficker's durch genauere Beobachtung gewonnene
Refultate den Vorzug, obwohl Irrthümerauf folchem heiklen
Boden nicht ausgefchloffen find. Dankenswerth find ein-