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Ausgabe:

1891 Nr. 4

Spalte:

91-96

Autor/Hrsg.:

Massebieau, M. L.

Titel/Untertitel:

Le classement des oeuvres de Philon 1891

Rezensent:

Schürer, Emil

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91 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr 4. 92

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8. Jean Reville, Le röle des veuves dans tes caün-
munautes chretienues primitives (p. 231—25 J, fucht zu
zeigen, dafs die yj'oca des erden Timotheusbriefes und
der älteden chridlichen Quellen nicht Gemeinde-Dienerinnen
gewefen feien, fondern vielmehr Frauen, welche
Unterdützung von Seite der Gemeinde genoffen. Der
Verfaffer des erden Timotheusbriefes fei ein praktifcher
Mann gewefen, welcher die Schwierigkeiten der Armenpflege
kannte, und daher möglichd drenge Bedingungen
aufdellen wollte in Betreff der von der Gemeinde zu
Unterdützenden (S. 237). Uebrigens feien x>tQUL n'cnt
nur Wittwen im eigentlichen Sinne, fondern überhaupt
femmes celibataires höheren Alters, alfo auch alte Jungfrauen
(S. 244 ff.).

9. F. Picavet, De Vorigine de la Philosophie scola-
stique cn France et en Allemagne (p. 253 — 279), handelt
hauptfächlich über Alcuin als Vater der franzöfifchen
Scholadik. Durch feinen Schüler Rabanus Maurus fei
de auch nach Deutfchland verpßanzt worden.

10. Sylvain Levi, Deux chapitres du Sarva-Darcana-
Samgraha. Le Systeme Paaipata et le Systeme Caiva
^.'281—305;.

11. Ifidore Loeb, La Chaine de la Tradition dans
le premier chapitre des Pirke Abot (p. 307—3227, giebt
eine im wefentlichen treffende Kritik des erden Capitels
der Pirke Aboth. Diefes Capitel will dardellen, wie die
Gefetzeskunde durch eine ununterbrochene Kette von
Traditions-Trägern von Mofes bis in's Zeitalter der Mifchna
weiterverpdanzt worden id. Loeb zeigt fehr gut, wie
unhidoriifch diefe Dardellung id. Während es nach ihr
immer nur dieRabbinen gewefen fein follen, durchweiche
die Gefetzeskunde fortgepdanzt worden id, find es in
Wirklichkeit oft ganz andere Factoren gewefen, namentlich
die Prieder. Loeb geht aber fo weit, dem Verfaffer
eine direct polemifche Tendenz gegen die fadducäifche
priederliche Aridokratie zuzufchreiben: er eliminire diefe
mit Bewufstfein aus der Gefchichte und fetze an ihre
Stelle die Rabbinen. Das fcheint mir fehr unwahrfchein-
lich. Der Verfaffer des Tractates Aboth hat augenfehein-
lich von der wirklichen Gefchichte fchon fad nichts mehr
gewufst, foweit es fich nicht um die nächde Vergangenheit
handelt. Aus der Zeit vor der Zerdörung des Tempels
kennt er etwa ein Dutzend Namen berühmter Rabbinen
, die bis in die Makkabäerzeit zurückreichen. Noch
weiter rückwärts reicht feine Kunde überhaupt kaum.
Dafs immer die Rabbinen die Träger des Gefetzes waren,
fetzt er bereits ganz naiv als etwas felbdverdänd-
liches voraus. — Einzelne Punkte des hier behandelten
Gegendandes hat Loeb näher ausgeführt in einer Abhandlung
der Revue des etudes juives t. XIX, 1889,71. 188—
201: Notes sur le chapitre Ier des Pirke Abot.

12. Leon de Rosny, Le texte du Tao-Teh-King et
son histoire (p. 323—3407.

13. E. Amelineau, DHymne au Nil (p. 341—3717.
Diefe beiden letzten Nummern wie auch Nr. 10 liegen

aufserhalb des direct theologifchen Intereffenkreifes und
entziehen fich durch ihren Inhalt einer Berichterdattung
von meiner Seite.

Kiel. E. Schür er.

Massebieau, L., Le classement des oeuvres de Philon (Bi-
bliotheque de l'ecole des hautes etudes, Sciences re-
ligieuses, vol. I., Paris, Leroux, 1889, p. 1—91).

In meiner Gefchichte des jüdifchen Volkes II, 836—
866 habe ich, nach den Vorarbeiten von Gfrörer,
Dähne, Grofsmann, Ewald und Siegfried, eine
möglichd correcte und fichere Claffificirung der Schriften
Philo's zu geben verfucht. Die Vorarbeiten, auf
welche ich mich dützen konnte, liefsen viel zu wünfehen
übrig. Denn man hat bisher diefem Gegendande weit
weniger Aufmerkfamkeit gefchenkt, als dem philofophi-

fchen Sydeme Philo's. Da auch mein Verfuch nicht
auf einer erfchöpfenden Leetüre Philo's ruhte, mufste ich
von vornherein auf Correcturen gefafst fein. Solche hat
nun Maffebieau in der hier anzuzeigenden Abhandlung
in einer Weife gegeben, die ihn als Meider auf diefem
Gebiete charakterifirt. Er hat augenfeheinlich die Schriften
Philo's mit einer Sorgfalt und Aufmerkfamkeit durchgearbeitet
, wie es für unfer Thema bisher noch niemals
gefchehen war. Und fein Urtheil id ein fo treffendes,
dafs man in den meiden Fällen zur Zudimniung gezwungen
wird. Für fpätere Forfchung wird nur noch
eine Nachlefe übrig bleiben. Die Hauptpunkte find
durch ihn wohl für immer ficher fixirt.

In allen wichtigen Punkten id Maffebieau zu den-
felben Refultaten gelangt wie ich, auch da wo ich von
der Mehrzahl der bisherigen Forfcher abgewichen bin.
Ich möchte dies mit einigem Nachdruck deshalb hervorheben
, weil ein Lefer, der mit der Gefchichte der Probleme
nicht vertraut id, einen anderen Eindruck empfangen
wird. M. hat meine Arbeit als Grundlage vorausgefetzt
und feiner Dardellung die Form einer Revi-
fion der meinigen gegeben. Sehr wichtige Punkte, in
welchen wir beide übereindimmen, werden daher nur kurz
behandelt; diejenigen dagegen, in welchen M. von mir
abweicht, in der Regel fehr ausführlich.

Die Uebereindimmung betrifft vor allem die Hauptwerke
Philo's über den Pentateuch. Auch M. unter-
fcheidet drei folcher Hauptwerke: 1) Die '/xpipiuxa v.iu
?uü£tg, d. h. die Erklärung des Pentateuches in Form
von Fragen und Antworten, 2) den grofsen allegorifchen
Commentar zur Genefis, und 3) die fydematifche Dardellung
der mofaifchen Gefetzgebung. Da die beiden
erden fich an den Bibeltext anfchliefsen, fo id die
Dispofition im wefentlichen von felbd gegeben; nicht
fo bei dem dritten, und eben hier dimmt M. mit Ausnahme
eines untergeordneten Punktes ganz mit mir überein
. Er hält es ebenfalls für ficher (S. 37), dafs die
Schrift de opificio mundi, welche bei Mangey an der
Spitze des allegorifchen Commentares zur Genefis deht,
nichts mit diefem zu thun hat, fondern zu der fyde-
matifchen Dardellung der mofaifchen Gefetzgebung
gehört, und zwar als deren erder Haupttheil. Hieran
fchliefst fich dann unmittelbar die Schrift de Abrahame
Auf diefe folgten die verloren gegangenen Biographien
des Ifaak und Jakob, dann die Schrift de Iosepho u.f. w.
Mit grofser Bedimmtheit fpricht fich auch Maffebieau
(S. 38) dahin aus, dafs die Vita Mosis eine felbdändigc
Schrift id, alfo nicht zu der fydematifchen Dardellung
der mofaifchen Gefetzgebung gehört und nicht an die
Biographie des Jofeph anzureihen id, wie es von Mangey
und den meiden Forfchern gefchehen id.

Im Einzelnen hat M. freilich zu meiner Dardellung
mancherlei Correcturen gegeben; und in der Mehrzahl
der r'älle mufs ich diefelben auch wirklich als folche
anerkennen. Ueber die '/xfii]ucnu v.ul /datig id nichts
zu bemerken. Hinfichtlich des grofsen allegorifchen
Commentares zur Genefis, welcher an Umfang fad
die Hälfte der uns erhaltenen Werke Philo's ausmacht,
fucht M. (S. 10—33) zweierlei zu zeigen: 1) dafs er nicht
in eine Reihe einzelner Monographien über pfychologifch-
ethifche Themata zerfalle, fondern trotz aller Digreffionen
doch einen einheitlichen Plan verfolge, infofern darin
die Gefchichte der menfehlichen Seele dargedellt
werden folle, nämlich ihre Entwickelung von dem durch
die Schöpfung gefetzten Anfang bis zur Stufe der höch-
den Vollendung in Mofes. Diefe Entwickelung verlaufe
(nach de posteritate Caini jj 50, cd. Mangey I, 2.59, vgl.
Maffebieau S. 10—12, 19 f.) in folgenden Stadien: Mit
Seth id das onioiiu dvdQujiüvqg uQtxiß gemeint, welches
fich zunächd in zehn Stufen bis zum wahren dr/.aiog
(Noa) entwickelt, dann in weiteren zehn Stufen bis zum
wahren 7uax6c (Abraham), und endlich in heben Stufen
bis zum wahren aoipög (Mofes). Wie diefer Procefs durch