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Ausgabe:

1891

Spalte:

89-91

Titel/Untertitel:

Bibliothèque de l‘École des hautes études 1891

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Kiel.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N£= 4. 21. Februar 1891. 16. Jahrgang.

Bibliotheque de l'Ecole des hautes eäudes,
Sciences religieuses, I. vol. (Schürer).

Massebieau, Le classement des oeuvres de
Philon (Schürer).

Pfleiderer, Der Paulinismus, 2. Aufl. (Holtz-
mann).

Friedrich, Das Lucasevangelium und die Apo-
ftelgefchichte (Holtzmann).

Leeuwen, Prolegomena van bijbelsche god-
geleerdheid (Holtzmann).

Ficker, Die altchriftlichen Bildwerke im chrift-
lichen Mufeum des Laterans (Dopfiel).

Appel, Die Lehre der Scholaftiker von der

Synterefis (Nitzfeh).
Becker, Immanuel Tremellius (Dalman).
Oehler, Lehrbuch der Symbolik, 2. Aufl. (Hä-

ring).

Hoensbroech, Warum follen die Jefuiten
nicht nach Deutfchland zurück? (Harnack).

Bibliotheque de l'Ecole des hautes etudes, publice sous les
auspices du Ministere de l'Instruction publique. Sciences
religieuses, i. vol. Etudes de critique et d'histoire
par les membres de la section des sciences religieuses,
avec une introduetion par M. Albert Reville, President
de la section. Paris, Leroux, 1889. (XXX, 371 S.
u- 16 S. autogr. Text. gr. 8.)
> Die jm j jggg gegründete Ecole pratique des Hautes-

hdudes hat bis vor wenigen Jahren nur folgende vier

oectionen umfafst: 1. Section des sciences mathematiques,

2. Section des sciences physico-chitniques, 3. Section des

sciences naturelles, 4- Section des sciences historiques et

philologiques. Seit dem Jahre 1886 ift dazu eine fünfte

Section gekommen, die Section des sciences religieuses.

Die an derfelben docirenden Gelehrten haben nun unter

obigem Titel zum erften male eine Sammlung von Abhandlungen
herausgegeben, deren Mehrzahl fich auf das

Gebiet der jüdifchen und chriftlichen Religion bezieht.

Nur wenige find anderen Religionen gewidmet. Ich ver-

fuche in der Kürze den Inhalt lammtlicher Abhandlungen

anzugeben.

1. Die erfte und umfangreichfle ift die von Maffe-
bieau: Le classement des oeuvres de Philon (p. i—gij,
über welche unten eine nähere Befprechung folgen wird.

2. Hartwig Derenbourg, Un nouveau roi de Saba
sur une inscription sähet une medite du Louvre (p. 93—977>
theilt eine bisher nicht publicirte fabäifche Infchrift mit,
auf welcher ein König Nafchakarib Juhamin erwähnt
wird.

3. Maurice Vernes, Les populations ancienncs et primitives
de la Palest ine d' apres la Bible (p. 99—1387, behandelt
diefes Thema unter den kritifchen Vorausfetzungen,
welche die Lefer der Theol. Litztg. aus Nr. 4 und 10 des
vorigen Jahrganges kennen. Die älteften hiftorifchen Erinnerungen
über die Völker Paläftina's, welche in der
Bibel vorliegen, gehen nicht über die Zeit Saul's hinauf;
und auch für diefe find fie nur fehr fummarifch.

4. Esm ein, La question des investitures dans les
lettres d'Yves de Chartres (p. 139—178) — eine fehr eingehende
Studie über die Stellung des Bifchofs Ivo von
Chartres zur Inveftitur-Frage.

5. Ernft Havet, La conversion de Saint Paul (p. 179
— 194A Havet gehört zu den Vertretern der modernften
radicalen Kritik der Gefchichte des Urchriftenthums (f.
Theol. Litztg. 1885, Nr. 1). Die Grundgedanken der hier
vorliegenden Abhandlung find etwa folgende. Die Bekehrung
Pauli ift das Rcfultat eines inneren Vorganges.
Der Glaube der Chriften erfchien ihm zunächft ,armfelig
und niedrig' fp. 183: pauvre et terre ä terrej. Aber diefer
Glaube, dafs Jefus der Meffias fei und dafs er auferftanden
fei und wiederkommen werde, um der gegenwärtigen

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Welt ein Ende zu machen und den Gläubigen eine neue
Welt zu eröffnen — diefer Glaube gewann immer mehr
Anhänger und verurfachte eine wachfende Bewegung
(p. 1847. Da bemerkte Paulus plötzlich die innere Ver-
wandtfehaft diefes Glaubens mit feinen eigenen Träumen,
er fah, ,dafs diefer Glaube felbft feinen Träumen ein
Feld eröffnete, wo er fie unterbringen konnte' fp. 185:
il s'apercut tont a coup que cette foi elle-meme ouvrait a
ces reves un champ oü il pouvait les loger). So ergriff er
ihn nun mit leidenfehaftlichem Enthuliasmus. Aber er
hob ihn zugleich über fich felbft hinaus und bildete ihn
um u. f. w. — Die Formel il s'apercut tont a coup ift fehr
bequem, aber fie wird nicht Vielen als eine befriedigende
Löfung des Problems erfcheinen. Wie ungleich tiefer
ift hier Holften's Verfuch!

6. Albert Reville, Du sens du mot sacramentum
dans Tertullien fp. 195—2047, geht davon aus, dafs sacramentum
an fich jede res sacrata bezeichnen könne. Der
Sprachgebrauch Tertullian's knüpfe befonders an zwei
Verwendungen des Begriffes an: 1) In der juriftifchen
Sprache bezeichnet sacramentum das Depofitum, welches
derjenige, der einen Procefs führen wollte, beim Ober-
priefter niederzulegen hatte, ehe er feine Sache bei Gericht
anhängig machte. Gewann er den Procefs, fo erhielt
er die Summe zurück; verlor er ihn, fo verfiel fie
dem Aerarium. 2) In der mihtärifchen Sprache bezeichnet
sacramentum den Soldaten-Eid. Ueberhaupt aber ift
sacramentum jede res sacrata. Daher verwendet Tertullian
diefes Wort zur Wiedergabe des griechifchen ftvazt'tginr,
welches zunächft eine fymbolifche Handlung oder ein
Symbol bezeichnet, wodurch höhere Wahrheiten darge-
ftellt werden (,Myfterien' im Sinne der Griechen). Aber
auch biblifche Ausfagen, welche einen höheren Sinn
haben, find sacramenta. Auch die Monogamie ift ein
sacramentum, denn fie ftellt die Gemeinfchaft Chrilti mit
der Kirche dar. So ift alfo die Zahl der Sacramente
eine unbegrenzte, denn sacramentum ift überhaupt die
Form, in deren Innerem fich eine Wahrheit verbirgt, die
nur unter gewiffen Bedingungen dem Verftändnifse fich
erfchliefst (S. 202).

7. A. Sabatier, L'auteur du Ihre des Actes des
Apbtres a-t-il connu et utilise dans son recit les Epitres de
saint Paul? fp. 205—2297, verneint die geftellte Frage,
wie mir fcheint mit Recht. Es fei zwar möglich, dafs
der Verf. der Apoftelgefchichte einen oder zwei pauli-
nifche Briefe gekannt habe. Aber er hat fie nicht als
wichtige hiftorifche Documente betrachtet, aus welchen
er die Gefchichte zu fchöpfen hätte. Der Abendmahlsbericht
im Lucas-Evangelium fei allerdings von dem des
erften Korintherbriefes abhängig. Aber der betreffende
Paffus fei mit Weftcott und Hort als fpäterer Einfchub
in das Lucas-Evangelium zu betrachten.