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Ausgabe:

1891 Nr. 3

Spalte:

81-82

Autor/Hrsg.:

Ernst, Carl

Titel/Untertitel:

Der Brief des Apostels Paulus an die Christen zu Ephesus, für die Gemeinde ausgelegt 1891

Rezensent:

Kühn, Bernhard

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Seite 1

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81 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 3. $2

entwickelt, und das vielgenannte Buch von Drummond
ift eine Auslegung diefes Capitels in Geflalt einer reli-
giöfen Anfprache. Dafs der Mann, der diefe Anfprache
gehalten hat und damit den Beweis liefert nicht nur von
gläubiger Liebe zu Chriftus und von genauer Kenntnifs
feines Evangeliums, fondern auch von gelehrten theo-
logifchen Studien, dafs diefer Mann Profeffor der Natur-
wiffenfchaften in Glasgow ift, das ift eine jener englifch-
amerikanifchen Erfcheinungen, von denen wir deutfchen
Chriften mit wehmüthigem Staunen hören: wir möchten
auch gern folche Naturforfcher haben, die folche Liebe
zu ihrer Bibel bekunden, oder folche Staatsmänner, die
Sonntags Kindergottesdienft halten. Und es ift auch
eine Herzensfreude für Jeden, der dem eigenen Volk
und dem ftammverwandten Nachbarvolk eine gute Literatur
wünfcht, dafs diefes ftreng religiöfe Schriftchen
in IOOOO deutfchen und in 180 OOO englifchen Exemplaren
verbreitet ift oder wird. Dagegen bringt uns unfere
Aufgabe, diefe Maffenverbreitung mit dem Inhalt und
dem Werth der Schrift zu rechtfertigen, in einige Verlegenheit
. Drummond giebt eine faft durchaus gute und
volksthümliche Auslegung; es finden fich einige über-
rafchende, fein erfonnene Wendungen, z. B. wenn er die
Verfe 4—7 das Farbenfpectrum der Liebe nennt (S. 21)
und dann die Unmöglichkeit der Aneignung diefer Liebe
aus der Kraft des eigenen Entfchluffes mit der Vereinigung
der heben Farben des Regenbogens vergleicht,
durch welche weifse Farbe, aber kein Licht entfteht (S.47).
Aber gerade diefes glückliche Gleichnifs kommt uns
etwas bekannt vor, und wir müffen bei aller Anerkennung
folcher Vorzüge doch zu Ehren unterer deutfchen volkstümlichen
Schriftauslegung es ausfprechen, dafs jede
irgendwie tüchtige Predigt über jenes Capitel das, was
gut ift in dem Schriftchen, jedenfalls auch enthält. Und
wir würden dabei noch nicht einmal die hervorragendften
unter unfern Predigern zu citiren brauchen. Und was
die grofse Hauptfache anlangt, die Gewinnung diefer
fittlichen Vollkommenheit, fo find Drummond's Ausführungen
fehr unklar. Man braucht die Liebe Chrifti,
fein grofses Opfer, feine Hingabe nur anzufchauen (S. 49 ff.),
um fein Abbild zu werden, — wenn die Sache fo einfach
wäre, dann würden wir mehr chriftliche Liebe in der
Welt haben. Sollte das vielleicht ein Grund jenes gewaltigen
Beifalls bei zwei Völkern fein, dafs das Buch
zwar von Sünden, aber nicht von der Sünde redet?
Aufserdem ift der Titel fehr gefchickt gewählt: eine
Auslegung eines Bibel-Capitels würde weniger Liebhaber
finden.

Dresden. Dr. phil. B. Kühn.

der Abfchnitte fchliefst fich an Luther's Ueberfetzung an,
berückfichtigt aber den Grundtext überall in foweit, als
es auch jeder gewiffenhaft arbeitende Prediger thun wird.
Irren wir nicht, fo tritt es nur an einer einzigen Stelle
(S. 91) hervor, dafs die hier gebotene Auslegung einft-
mals fchon einer beftimmten Gemeinde für Bibelftunden
gedient hat. Im Uebrigen hat der Verf., welches auch
die Entftehung des Manufcriptes fein mag, jedenfalls
hier von befonderen Beziehungen auf örtliche Verhält-
nifse abgefehen, und das macht feine Auslegung aufser
für das Privatftudium auch zur Verwendung bei Haus-
gottesdienften, für welche die Zeit nicht allzuknapp be-
meffen ift, recht geeignet.

Dresden. Dr. phil. B. Kühn.

Frommel, Dr. Emil, Festflammen. Gedanken und Bilder
zu den hohen Fetten der Kirche. Bremen, Müller,
1890. (XII, 215 S. 8.) M. 3 —; geb. M. 4. 20.

Das Buch, von deffen Inhalt man fich aus dem Titel
leicht eine Vorftellung macht, wenn man Frommel's Art
irgendwie kennt, ift feinem Freunde Otto Funcke gewidmet
. So grüfsen fich vor dem Lefer zwei in ihrer
Auffaffung von der Kraft des Evangeliums und in ihrer
chriftlichen Stellung zur Welt und Zeitlichkeit fehr verwandte
Geifter, nur dafs der, welcher den Grufs entbietet
, das finnende, fchalkhafte und doch wieder tief-
emfte Gemüth, mit einem Worte den fchwäbifchen Humor
auf feiner Seite hat. Und deffen hauptfächliches Lebensgebiet
ift die Erzählung, in welcher Frommel Meifter
ift. Wir können uns, die allerblafirteften und allerver-
kommenften abgerechnet, eigentlich keinen Menfchen
vorftellen, der nicht einer Frommel'fchen Erzählung mit
Entzücken laufchte. Und wenn man nun bedenkt, wie
und als weffen Diener Frommel erzählt, auch wenn er
feine Anekdoten auftifcht, fo ift angefichts jener erftaun-
lichen Wirkung der Wunich am Platze: Möchte er noch
recht lange und noch recht viel erzählen, auch wenn er
dasfelbe vielleicht fchon viele Male im trauten Kreife und
vielleicht fchon das eine oder andere Mal feiner Lefer-
gemeinde erzählt hat! Als Proben aus dem reichen
Schatz folcher Erzählungen heben wir heraus: Der erlte
Krankenbefuch des jungen Pfarrers (S. 111 ff.) und die
Krankenfeelforge im Anfchlufs an Goethe's Fault (S. 143 ff).
Aber das Buch enthält ja nicht blofs .Bilder', fondern
auch Gedanken, und das heifst Beobachtungen und Bemerkungen
zu den verfchiedenen kirchlichen Feftzeiten.
Infofern können die im Titel genannten hohen Feite irre
führen; es kommen vielmehr der Reihe nach zur Be-
fprechung Advent, Weihnachten, Epiphanias, Paffion,
Ernst, Dr. Carl, Der Brief des Apostels Paulus an die Christen Oltern, Himmelfahrt, Pfinglten und Sylvefter. Diefe

zu Ephesus, für die Gemeinde ausgelegt. 2. Aufl.
Herborn, Buchhandlg. des Naff. »Kolportagevereins,
1890. (III, 118 S. 8.) M. 1. 20.

Befonderer Empfehlung wird diefe zum zweiten Male
erfcheinende Auslegung des Epheferbriefes nicht bedürfen.
Der Verf. ift mehrfach bewährt als Schrifterklärer für
die Gemeinde und fo haben wir nur für diejenigen, welche
diefe Schrift noch nicht kennen, ihre Art zu befchreiben.
Der Brief ift in 21 Abfchnitte zerlegt, wie fie fich vom
zweiten Capitel ab meift als felbftverltändlich ergeben,
und diefe Abfchnitte führen ihre Ueberfchriften, z. B.
Capitel 5: Gottes Nachfolger, der Wandel im Licht, die
chriftliche Ehe. Für die zwei Riefenperioden des erften
Capitels war natürlich eine mehrfache Theilung erforderlich
, über die in Bezug auf einzelne Abfchnitte (v. 7 bildet
z. B. einen folchen für fich allein) fich ftreiten liefse. Da
jedoch wiffenfchaftlicheRückfichten hier nicht im Vordergrunde
flehen, fondern das Bedürfnifs der praktifchen
Auslegung überall den Ausfchlag giebt, fo kommt hier
auf den Eintheilungsgrund foviel nicht an. Die Erklärung

Gedanken mögen der reichen Sammlung entflammen
wie fie auf dem Schreibtifche eines fleifsig ftudirenden
und meditirenden Predigers im Laufe der Jahre ganz von
felbft entfteht; es finden fich Stücke aus Predigten und
Predigtfkizzen, untermifcht mit Verfen aus Kirchen- und
geiftlichen Liedern. Wohlthuend haben uns berührt die
mancherlei kräftigen und herzlichen Protefte des feftes-
frohen Gemüthes gegen die Gleichmacherei unferer oe-
winnfehgen Zeit auch auf dem Gebiete des Volkslebens.
Dafs auch diefe Gedanken manch feine Bemerkung enthalten
, manches Licht anzünden, welches feinen Schein
verbreitet über biblifche und kirchliche Wahrheiten, das
bedarf ja kaum der Erwähnung; aber im Erzählen'liegt
PYommel's Stärke und dafs er fie wieder einmal gezeigt
hat, das danken wir ihm von Herzen.

Dresden. Dr. phil. B. Kühn.