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Ausgabe:

1891 Nr. 3

Spalte:

77-79

Autor/Hrsg.:

Steinheil, S. v.

Titel/Untertitel:

Die Gesetze und Verfügungen über die Kirchengemeinden und Synoden in der evangelischen Landeskirche des Königreichs Württemberg 1891

Rezensent:

Rieker, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 3.



von ihm feftgehaltenen Sprachgebrauch. Darüber habe ich
hier nicht zu reden. So wie Th. die Dogmengefchichte
conftruirt, handelt es fich um eine willkürliche Idee über
diefelbe. Auch wenn ich mit meinen Ausführungen das
Richtige getroffen habe, habe ich nicht die Abficht, Th.'s
Werk in feinem erneuten Gange irgendwie zu hemmen.
Dasfelbe hat, zumal auch in feiner neuen Bearbeitung, zu
viele Vorzüge, die durch feine Grundidee nicht beeinträchtigt
werden.

Giefsen. F. Kattenbufch.

Kym, A. L., Ueber die menschliche Seele, ihre Selbstrealität
und Fortdauer. Eine pfychologifch-principielle Unter-
fuchung. Berlin, Brachvogel, 1890. (46S. 8.) M. —.80.

Es find keine neuen Gefichtspunkte, welche diefe
Schrift uns bietet. Die Argumente, welche für die
Selbftrealität und Fortdauer der Seele aufgeführt werden,
find im Ganzen die von den Vertheidigern diefer Anficht
allgemein in den Vordergrund geheilten. Es wird be-
fonders darauf hingewiefen, dafs fchon die niedrigften
geiftigen Functionen, noch viel mehr die höheren, ein
die Sinnenwahrnehmungen fammelndes und verarbeitendes
Organ vorausfetzen. Das Ichbewufstfein, die Beziehung
aller Empfindungen auf ein Subject ift aus
materiellen Vorgängen nicht zu erklären, es mufs alfo
ein von allem Materiellen verfchiedenes Wefen als Träger
diefes Bewufstfeins gedacht werden.

Die Abhandlung beginnt mit einer logifchen Definition
und Auseinanderlegung des Wefens der Seele. Daneben
tritt zugleich etwas unvermittelt der Gedanke auf,
dafs die Seele Bildnerin des Leibes fei, und hierauf folgt
dann eine mehr aus der pfychologifchen Beobachtung
gefchöpfte Beweisführung. Das Ganze macht infolge
deffen den Eindruck eines Ineinander von inductiver und
deductiver Methode. Wahrfcheinlich hängt diefe Eigentümlichkeit
damit zufammen, dafs diefe Schrift, wie im
Vorwort bemerkt wird, Theil eines gröfseren Ganzen ift.

Die fchwierigen Fragen über das Verhältnifs von
Seele und Leib, fowohl in Bezug auf Enthebung beider,
als auch auf ihre Einwirkung aufeinander, verfucht Verf.
nicht zu löfen.

Was die Fortdauer der Seele betrifft, fo wird be-
fonders auf ihre begriffliche Priorität' vor dem Leibe
hingewiefen, woraus auch folgt, dafs ihre Unherblichkeit
nie fo gedacht werden kann, dafs fie je ohne Leib wäre.
Diefe begriffliche Priorität felbh ih allerdings nicht an-
fchaulich gemacht. Weiterhin wird befonders darauf
Gewicht gelegt, dafs die Seele zu einer Vollkommenheit
angelegt fei, die fie auf Erden nicht erreiche, und darauf
, dafs ihre, allem Materiellen fo total fremde, Fähigkeit,
allgemeine Begriffe und Principien zu bilden, beweife,
dafs fie über aller Auflöfung erhaben fei.

Wäre die Schrift in einer allgemeinverbindlicheren
Sprache gefchrieben, fo wäre fie, ihrer Kürze und ihres
uberzeugungsfinnigen Tones wegen, in mancher Beziehung
geeignet. Laien in der Philofophie Auffchlufs zu geben
über die unwiderlegbaren Hauptgründe für die Annahme
einer Seele. In Bezug auf die Frage nach der Fortdauer
der Seele ift ihre Beweisführung allerdings weit
weniger wirkungskräftig.

Bifchweiler i/E. Eugen Ehrhardt.

[. Steinheil, Ob.-Reg.-R. S. v., Die Gesetze und Verfügungen
über die Kirchengemeinden und Synoden in der
evangelischen Landeskirche des Königreichs Württemberg.

Zufammengeftellt im Anfchlufs an das Gefetz, betr.
die Vertretung der evang. Kirchengemeinden und die
Verwaltung ihrer Vermögensangelegenheiten, vom
14. Juni 1887 und aus den Quellen und der Praxis

erläutert. Stuttgart, Kohlhammer, 1890. (VIII, IV,
XXXII, 743 S. gr. 8.) M. 12. —
2. Glauner, Stadtpfr. Wilh., Handbuch für den praktischen
Kirchendienst in der evangelischen Kirche Württembergs

(mit befonderer Berückfichtigung der neu in den-
felben eintretenden Predigtamtskandidaten). Stuttgart
,' Kohlhammer, 1890. (VI, 658 u. 188 S. gr. 8.)
M. II. —

Das geltende Verfaffungs- und Verwaltungsrecht der
evangelifchen Kirche Württembergs ift in Folge der immer
nur ftofsweife gefchehenen, Schritt für Schritt refor-
mirenden ftaatlichen und kirchlichen Gefetzgebungsarbeit,
des Nebeneinanderbeftehens alter nur theilweife aufgehobener
und neuer nicht durchweg zur Anwendung
kommender Gefetzesbeftimmungen, des eigenthümlichen
Ineinandergreifens weltlicher und kirchlicher Behörden
fo verwickelt und Verfehlungen, dafs es eines kundigen
Führers bedarf, um fich in demfelben zurechtzufinden.
Nachdem die Gefetzgebung der evang. Kirche Württembergs
auf abfehbare Zeiten zu einem gewiffen Abfchlufs
gelangt ift, find zwei Werke erfchienen, welche, ein jedes
in feiner befonderen Art, geeignet find, jene Führerrolle
zu übernehmen.

Das Werk von Steinheil, der an der neueften die
evangelifche Kirche Württembergs betreffenden Gefetzgebung
zuerft als Mitglied des evang. Confiftoriums,
fpäter als vortragender Rath im Cultusminifterium einen
hervorragenden Antheil gehabt hat, ift urfprünglich als
Commentar zu dem (ftaatlichen) Gefetz vom 14. Juni 1887
betreffend die Vertretung der evangelifchen Kirchengemeinden
und die Verwaltung ihrer Vermögensangelegenheiten
abgefafst. Verf. hat jedoch fpäter hiezu in einem
Anhange, der die weitaus gröfsere Hälfte des Werkes
bildet, auch die kirchlichen Gefetze betr. die Vertretung
der evang. Kirchengemeinden und die Synoden, darunter
die neuredigirte Landesfynodalordnung von 1888 nebft der
proviforifchen Gefchäftsordnung für die Landesfynode, mit
fortlaufenden Erklärungen gefügt. Aufserdem enthält das
Werk fämmtliche zu den genannten Gefetzen ergangene
ftaatliche und kirchliche Ausführungsverordnungen, zahlreiche
Beifpiele von Kirchenpflegrechnungen, Discon-
tirungstabellen etc., ferner zu Beginn der einzelnen Ab-
fchnitte werthvolle gefchichtliche Einleitungen, ein genaues
fyftematifches Inhaltsverzeichnifs und ein forg-
fältiges alphabetifches Regifter. Verf. hat damit ein für
alle kirchlichen Behörden, insbefondere auch für Mitglieder
von Synoden geradezu unentbehrliches Hilfsmittel ge-
fchaffen. Zu bedauern ift nur, dafs in Folge des in Lieferungen
erfolgten Erfcheinens des Werkes bei Erläuterung
des Gefetzes vom 14. Juni 1887 die hiezu ergangene
Minifterialverfügung vom 21. März 1889 noch nicht benützt
werden konnte, bezw. der Inhalt der letzteren nur
als Privatanficht des Verf.'s mitgetheilt ift. Die Erläuterungen
felbft anlangend, fo können wir den Wunfeh nicht
unterdrücken, Verf. möchte diefelben etwas weniger aus
den Gefetzesmaterialien (zumal den in juriftifcher Hinficht
oft recht unbedeutenden Verhandlungen der Landesfynode
) und mehr aus dem Texte des Gefetzes felbft
entwickelt haben (vgl. z. B. S. 249 f.!). Von Einzelheiten
heben wir nur folgende hervor: in der Einleitung S. XXI
wird der für Nichteingeweihte höchft auffallende Kammer-
befchlufs vom 22. Decbr. 1884 ohne alle Erklärung angeführt
; wir meinen, dafs Verf. trotz feiner amtlichen
Stellung denfelben etwas näher erklären und vielleicht
auch etwas fchärfer hätte beurtheilen dürfen. — Wenn
ferner Verf. S. 117 fagt, durch Art. 65 Abf. 2 des Gefetzes
vom 14. Juni 1887 (.Wird durch Beifteuer Dritter
oder durch freiwillige Beiträge der Kirchengemeindege-
noffen der Bedarf nicht aufgebracht, fo kann die Erhebung
von Umlagen auf die Kirchengemeindegenoffen
befchloffen werden') fei die bisher fchwebende Frage,