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Ausgabe:

1891 Nr. 2

Spalte:

46-47

Titel/Untertitel:

Otto, Geschichte der Reformation im Großherzogtum Österreich unter Kaiser Maximilian II. (1564-1576) 1891

Rezensent:

Staehelin, Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 2.

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Recht beklagt es Gurlitt, dafs das Princip der Reformation
trotz aller Verfuche (bis ins 18. Jahrhundert herein)
fich noch keine eigene Form in einem echt proteftan-
tifchen Kirchenbauftil gefchaffen, fondern fich zunächft
von der Renaiffance beherrfchen liefs.

Ein kleines Verfehen ift Gurlitt S. 9 begegnet, wenn
er von einer Herzogin von Mansfeld redet. Die Gräfin
Elifabeth von Mansfeld wurde durch Verehelichung mit
dem Sohne Georgs von Sachfen Herzogin von Sachfen.
Dagegen ift auffallend, dafs er unter den Lehrern von
Annaberg den treflichen Andreas Weidner von Staffel -
ftein nicht nennt, zu dem doch Mykonius aus Franken
nach Annaberg wanderte.

Mit befonderer Freude ift Nr. 30 zu begrüfsen, welche
eine flotte Zeichnung Murner's in der Zeit vor der Reformation
giebt. Mit grofser Gewiffenhaftigkeit fucht Wald.
Kawerau Murner gerecht zu werden, was keine fehr angenehme
und leichte Aufgabe ift. Denn diefer Barfüfser
gehört zu den leichtfertigften Geftalten, die je fein Orden
hervorgebracht, einer der federfertigften unter den fchreib-
feligen Humaniften und ein kecker literarifcher Raufbold.
Kawerau fchliefst feine Schilderung mit den Worten:
(Niemand hat die Achtung vor der alten Kirche mehr
untergraben, als der Mann, der nunmehr dem neuen
Glauben, dem er felbft durch feine Satiren Brefche gelegt
hatte, als erbitterfter Widerfacher gegenüber trat/ Wie
es fcheint, hat Wald. Kawerau die fleifsige Arbeit von
Max Radlkofer: Brant's Narrenfchiff, Murner's Narren-
befchwörung, Erasmi Stultitiae Laus. Literarhiftorifche
Parallele (Programm der kgl. bair. Studienanftalt Burghaufen
187677) überfehen. Radlkofer nennt unter den
von Murner befuchten Univerfitäten auch Roftock.

Was man fich über Murner's Predigten erzählte, enthält
auch nach Kawerau's Zugeftändnifs ein Körnchen
Wahrheit. Aber das, was Karfthans ihm vorwirft, wird
völlige Wahrheit fein. Denn Karfthans zeigt fich über
Murner fehr gut unterrichtet. Man wird nicht irre gehen,
wenn man diefe Flugfchrift dem Freundeskreis des Matth.
Zell in Strafsburg zufchreibt, der als ehemaliger Lehrer
in Freiburg noch gute Verbindungen mit der dortigen
Univerfität hatte. Vergl. meine Abhandlung über Karfthans
und Murner in den Blättern für württemb. Kirchen-
gefchichte 1887, Nr. 2 S. 9 ff. Aus der Vorrede ergiebt
lieh, dafs die vorliegende Abhandlung nur eine Abfchlags-
zahlung auf eine gröfsere Arbeit über Murner's Stellung
zur deutfehen Reformation bildet. Es ift nur zu
wünfehen, dafs W. Kawerau uns bald diefe höchft willkommene
Arbeit liefert und es ihm gelingt, auch das
Lebensende Murner's aufzuklären. Irrt fich der Referent
nicht, fo hat er früher in der Zeitfchrift für die Gefchichte
des Oberrheins eine Notiz gelefen, wonach Murner zuletzt
in der Umgebung einer evangelifchen Fürftin auftaucht
, was ficher für den Charakter Murner's nicht wenig
bezeichnend wäre. Der Verein für Reformationsgefchichte
würde der Wiffenfchaft einen überaus werthvollen Dienft
leiften, wenn er in ähnlicher Weife Charakterbilder der
hauptfächlichften Gegner der Reformation geben würde.
Ks ift z. B. nicht genug zu beklagen, dafs wir in Bezug
auf Eck immer noch auf Wiedemann's Arbeit angewiefen
lind. Wiedemann ift nicht zu beftreiten, dafs er fleifsig
gearbeitet und namentlich in bibliographifcher Hinficht
Dankenswerth.es geleiftet, aber er ift zu fehr Panegyriker
und entbehrt der kritifchen Schulung. Handfchriftliche
Quellen wie die Acten der Univerfität Ingolftadt find
noch wenig benützt, und an eine Brieffammlung Eck's
fcheint fich auch die Görresgefellfchaft nicht wagen zu
wollen. Deswegen nehmen wir die Arbeit Kawerau's
über Murner als Angeld für weitere Arbeiten in diefer
Richtung.

Die drei kleineren Schriften über Ulrich Hutten,
Wertheim's Reformationsgefchichte und Bugenhagen fallen
ftreng genommen aufserhalb des Gefichtskreifes diefes
Blattes, denn fie find Volksfchriften, welche auf wiffen-

fchaftliche Bedeutung keinen Anfpruch machen. Hatte
doch der Verein für Reformationsgefchichte erft im
Jahr 1888 die fchöne Arbeit von Hering über Bugenhagen
für die gebildeten Kreife herausgegeben, aber es
ift hier anzuerkennen, dafs diefe kleinen Schriften immerhin
ihren Werth für die Kreife haben, für welche fie be-
ftimmt find, und dafs fie gewandt gefchrieben find. Sind
die Arbeiten von Schall über Hutten und von Meinhof
über Bugenhagen für den Mann der Wiffenfchaft entbehrlich
, da wir in Betreff Hutten's immer noch auf das
Werk von Straufs und in Betreff Bugenhagen's auf Vogt
und Hering angewiefen find, fo wird die Schrift über
Wertheim als eine fehr gefchickte Verarbeitung eines
neuen Materials, durch das die badifche Reformationsgefchichte
von Vierordt wefentlich ergänzt wird, auch
den eigentlichen Männern der Wiffenfchaft gute Dienfte
leiften. In der Schrift über Hutten wäre S. 31 zu fagen
gewefen, dafs die Schrift über die Einheit der Kirche
nur Walram von Naumburg zugefchrieben wird, denn
die Autorfchaft Walram's (nicht Waltram's) ift zunächft
nur eine Vermuthung von Flacius und ift keineswegs
über alle Zweifel erhaben.

Nabern bei Kirchheim u. Teck. G. Boffert.

Otto, Reg.-R. Prof. i. P. Dr. Jo. Karl Th. Ritter v., Geschichte
der Reformation im Erzherzogthum Oesterreich

unter Kaifer Maximilian II. [1564 —1576]. Mit Benutzung
archivalifcher Quellen. [Aus: Jahrb. d. Ge-
fellfch. f. die Gefchichte d. Proteftantismus in Oefterr.']
Wien, Braumüller, 1889. (60 S. gr. 8.) M. 1. 50.

Es find hauptfächlich die Verhandlungen des Kaifers
Maximilian mit den öfterreichifchen Ständen, die hier
nach den bisher noch nicht benützten Landesarchiven
von Wien und von Linz zur Kenntnifs gebracht und für
die Gefchichte der evangelifchen Kirche in Oefterreich
unter dem genannten Kaifer verwerthet find. Die Art,
wie dies gefchieht, kann als das Mufter einer knapp zu-
fammenfaffenden hiftorifchen Darfteilung bezeichnet werden
. Von dem bereits Bekannten wird nur das Noth-
wendigfte beigezogen; aber es ift mit dem neuen
Material fo gefchickt verbunden und diefes felbft fo über-
fichtlich disponirt, dafs trotz der ftofflichen Befchränkung
doch auch von dem allgemeinen Gang der kirchlichen
Entwicklung unter Maximilian II. und den fie bedingenden
Verhältnifsen ein anfehauliches und vollftändiges Bild
gewonnen wird.

Die innere Stellung Maximilian's zum Proteftantismus
fowie das entfeheidende Gegengewicht, welches die
Rückficht auf das Reich und auf die Erbfolge in Spanien
ihr gegenüber in die Wagfchale legte, find bekannt.
Durch die vorliegende Darftellung tritt neben dem genaueren
Bild der mit den Proteftanten geführten Verhandlungen
vor Allem der Einflufs in ein klares Licht, den
einerfeits feine Abneigung gegen die ftändifche Freiheit
feiner Unterthanen und anderfeits der Glaubensftreit
innerhalb des Proteftantismus felbft auf deffen fchliefs-
liche Unterdrückung ausgeübt haben. Gegenüber dem
Dringen der Stände auf die Gewährung freier Religionsübung
hält der Kaifer ftreng an der durch den Augsburger
Frieden feftgeftellten fürftlichen Oberhoheit feft;
er verbietet namentlich den Abgeordneten der Städte fich
mit den beiden andern Ständen in Verhandlungen über
Religionsfachen einzulaffen und nimmt dadurch der reli-
giöfen Oppofition trotz aller perfönlichen Sympathie
doch von vorn herein die Kraft, fich der Hierarchie gegenüber
auf die Dauer zu behaupten. Noch nachtheiliger
erweift fich der dogmatifche Zwiefpalt und Streit der
Proteftanten unter einander. Der päpftliche Diplomat
Hofius weifs ihn als ftärkftes Argument zu benützen, um
den Kaifer vom Anfchlufs an den evangelifchen Glauben
fern zu halten, nnd der vom Kaifer mit der Ab-