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Ausgabe:

1891 Nr. 25

Spalte:

634-635

Autor/Hrsg.:

Bender, Adf.

Titel/Untertitel:

Die Stellung des evangelischen Christen zu der römischen Kirche 1891

Rezensent:

Fay, Friedrich Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 25.

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Wickelung gefchafifen hat, nicht als folche von vornherein
als dem evangelifchen Princip widerftrebend anfehen; das
ift nur dann der Fall, wenn das Mittel zum Zweck gemacht
, wenn das Wefen im Vollzug der Form als folcher
gefucht wird. Im übrigen ift nach evangelifchen Begriffen
Gottesdienft überall da, wo es nach Matth. 18, 20 und
Jon. 4, 24 geht; dafs unter den Dreien ein theologifch-
gebildeter Prediger fei und eine Predigt halte, ift für
den evang. Gottesdienft an fich nicht wefentlich, wenn
auch wünfchenswerth und das Ordnungsmäfsige. Was
über die einzelnen Theile gottesdienftlicher Uebung,
Gebet, Lied, Schriftlefung, Bekenntnifs, Spruch, Predigt,
Symbol, wie über die Aeufserlichkeiten des Gottes-
dienftes, den gottesdienftlichen Raum, die gottesdienft-
liche Zeit, die Geräthe, die Kleidung u. f. f. des Weiteren
gefagt wird, ift bei aller Kürze für den praktifchen
Geiftlichen ausreichend, zeugt von einem wohlgeübten
praktifchen Blick, gefundem Tact und gefchichtlich ge-
fchultem Verftändnifs. Völlig einverftanden erklären wir
uns mit dem leitenden Grundfatze: ,dafs alle wefent-
lichen Theile gottesdienftlicher Uebung in der Gemeinde
fich des verftändigen und verftändlichen Wortes als ihres
Subftrates bedienen, und dafs, was aufser demfelben
noch hinzutritt, nur als Zuthat, niemals aber als genügendes
Surrogat oder als nothwendiges Ferment, oder
gar als unerläfslicher, felbftändiger Theil betrachtet
werden dürfe'. Nur betonen wir auch hier, — und die
Gefchichte der Predigt giebt uns Zeugnifs! — dafs Predigt
und Wort nicht identifch find, dafs proteftantifcher
Gottesdienft auch da ift, wo die homiletifche Auslegung
des Wortes hinter der liturgifchen Darftellung und Entfaltung
desfelben zurücktritt; dafs fie ganz verfchwinde,
würden wir mit dem Verf. auch für fehr gefährlich,
wenn auch nicht für principiell unftatthaft halten. An
die Befprechung der einzelnen Elemente des Gottes-
dienftes fchliefst fich die conftructive Liturgik, welche
die Conftruction des kirchlichen Gottesdienftes als eines
organifchen Ganzen, die confeffionelle Ausgeftaltung des
Hauptgottesdienftes in der Gefchichte behandelt und mit
der Befprechung der einzelnen Gottesdienftarten als be-
fonderer Organismen abfchliefst. Für die Eintheilung
der letzteren ift dem Verf. die Form mafsgebend, in
welcher dem religiöfen Bedürfnifs Genüge gefchieht;
demgemäfs theilt er ein in homiletifche Gottesdienfte,
in welchen dem religiöfen Bedürfnifs durch Verkündigung
(genauer müfste gefagt werden: durch Auslegung) des
Schriftwortes Genüge gefchieht, und in fymbolifche d. h.
folche, deren Wefen in einer beftimmten Handlung be-
fteht, welche über das äufserliche Thun als folches hinaus
auf einen in demfelben fich offenbarenden Inhalt hinweift
(Verkündigung des göttlichen Wortes findet in
beiden ftatt, nur das eine Mal in Form des Lehrwortes,
der Auslegung, das andere Mal in Form der Darftellung,
verbum audibilc, visibile). Die zweite Gattung zerfällt
in drei Gruppen, die von dem Herrn felbft geftifteten
Handlungen (Taufe, Abendmahl), die von der Kirche
eingefetzten fymbolifchcn Handlungen (Confirmation,
Ordination, Ehefegnung, Beftattung) und die durch cafu-
elle Veranlaffung hervorgerufenen; die letztere Gruppe
wurde fich beffer als dritte Gattung den beiden Hauptgattungen
eingefügt haben: 1. homiletifche, 2. fymbolifche
, 3. homiletifch-fymbolifche Gottesdienfte. — Der
Liturgik fchliefst fich die Homiletik an. Wir dürfen uns
bezüglich diefes Theiles des Werkes wohl ganz kurz
fäffen, da der Standpunkt des Verf.'s durch fein vortreffliches
, 1883 erfchienenes Lehrbuch als bekannt vorausgefetzt
werden darf. Hier ift alles noch bündiger gefafst,
präcifer ausgedrückt, einzelnes berichtigt; es ift eine neue
Arbeit, die aber die vorausgehende nicht verleugnet,
eine Gabe, für die wir alle dem Verf. danken dürfen,
weil wir, welchen Standpunkt wir auch einnehmen, viel
von ihm lernen können. Dasfelbe gilt von dem ganzen
erflen Bande, bei allen Vorbehalten, die der Einzelne

machen wird. Möge der zweite Band nicht allzulange
warten laffen!

Darmftadt. H. A. Köftlin.

Rönneke, Lic. K., Pius IX. Encyklika und Syllabus vom

8. Dezbr. 1864, als ein Beitrag zum Verftändnis der
kirchlichen Lage der Gegenwart für evangelifche
Chriften verdeutfcht und erklärt. Gütersloh, Bertelsmann
, 1891. (XVIII, in S. gr. 8.) M. 1. 50.

Es ift das .Actionsprogramm des Ultramontanismus',
das ,als ein Beitrag zum Verftändnis der kirchlichen Lage
der Gegenwart' von dem bisherigen Gefandtfchaftspredi-
ger in Rom, Lic. theol. Rönneke, ,verdeutfcht und erklärt'
den Zeitgenoffen dargeboten wird. Eine knapp und klar
gefafste Einleitung (S. I—XVIII) behandelt Bedeutung,
Gefchichte und Anordnung des Syllabus. Ihr entnehmen
wir die Mittheilung, die allerdings auch für uns ,über-
rafchend'war, dafs nach einer Angabe desjefuiten Rinaldi
,der geiftige Urheber des Syllabus der gegenwärtige Papft
Leo XIII. ift, welcher bereits im November 1849 als Erz-
bifchof von Perugia auf dem Provincial-Concil zu Spoleto
den Gedanken anregte, man müffe den Papft demüthig
und inftändig bitten {suppliciter exoretur), die hauptfäch-
lichften Irrthümer der Zeit unter dem dreifachen Ge-
fichtspunkte ihrer Beziehung auf Kirche, Auctorität und
Eigenthum zufammenzuftellen und zu verdammen' (S.XIII).
Die Notiz findet fich in Rinaldi's von den Herausgebern
der ,Civiltä Cattolica: in Sonderausgabe veröffentlichter
Arbeit ,Sid valore del Sillabo' S. 1 und 201 (S. XIII).

Encyclika und Syllabus find in ihrem lateinifchen
Grundtext den Acta Pii Papac IX, vol. III, p. 687 ff. be-
ziehungsweife p. 701 ff. entnommen, auf Grund deren die
Curie felbft im Jahre 1865 eine Sonderausgabe des Syllabus
veröffentlichte. Ausserdem wurde der Text verglichen
in der von päpftlichem Belobungsfchreiben begleiteten
Schrift: P. Clemens Schräder, S. J.: Der Papft
und die modernen Ideen. Heft 2. Wien 1865'. Die Ueber-
fetzung ift correct. In den beigefügten, lehrreichen Anmerkungen
findet fich eine Fülle von fehr fchätzens-
werthem Material aus kundiger, gefchickter und vorfich-
tiger Hand. Wir möchten namentlich unfere jüngeren
Theologen und Juriften bitten, fich dasfelbe recht genau
anzufehen, um Rom gründlich kennen zu lernen.

Crefeld. F. R. Fay.

Bender, Paft. Adf., Die Stellung des evangelischen Christen
zu der römischen Kirche. Berlin, G. Nauck, 1891. (III,
108 S. gr. 8 ) M. 1. 50.

Im Februar 1890 wurde von dem Verf. über das
Thema, welches diefe Schrift behandelt, ein Vortrag zum
Beften des Guftav-Adolf-Vereins gehalten, deffen Druck
gewünfcht wurde. ,Der Vortrag erfcheint nun hier in
erweiterter Geftalt, und zugleich ift eine Reihe von Anmerkungen
zu näherer Ausführung oder Begründung oder
Erläuterung einzelner Punkte hinzugefügt'. Die Frage,
wie der evangelifche Chrift fich zu der römifchen Kirche
zu ftellen hat, ift nach der richtigen Auffaffung des Ver-
faffers mit dem Gedanken an die beiden Thatfachen zu
beantworten: ,einmal, dafs die römifche Kirche uns irgend
eine Berechtigung nicht zuerkennt und zum andern, dafs
in ihr eine fehr arge Fdntftellung des biblifchen Chriften-
thums vorliegt'. Mit Rückficht auf die erfte Thatfache
wird gefagt: ,Der evangelifche Chrift hat fich zu der römifchen
Kirche fo zu ftellen, wie man fich zu einem
Feinde ftellt, der uns jedes Recht der Exiftenz abfpricht,
der uns das Leben nicht gönnt, der uns angreift, um uns
zu vernichten; zu einem Feinde, mit dem eine Verftän-
digung und ein Friede vollftändig ausgefchloffen ift'
(S. 6). Gegen diefen Feind foll man nicht feindlich, aber
wachfam foll man fein, man foll gegen feinen Propagan-