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Ausgabe:

1891

Spalte:

622-624

Titel/Untertitel:

Der Briefwechsel des Conradus Mutianus 1891

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. iSgi. Nr. 25.

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Ausdruck zurückgeführt werden kann, doch keineswegs platonifchen Hintergrundes der Auguftinifchen Gedanken
nothig ift, dafs beide Evangehften auf einer gemeinfamen ift dies, dafs nirgends irgend genügende Erörterungen über
aramäifchen Quelle beruhen. Chafe hat auch darin neue , den Begriff der gratia gegeben werden Dafs infolge
Bahnen betreten, dafs er die jüdifche Liturgik in den 1 deffen das Problem unerörtert bleibt in welchem Sinne
Bereich feiner Unterfuchungen zog. Gerade diefe bietet die gratia salvificans als gratia Christi bezeichnet
aus mehrfachem Grunde ganz befonders Gedanken und werden könne, kann nicht auffallen. Kurz überall fehlt
Ausdrücke, welche an Chnftliches erinnern. Aber das m. E. das tiefere Verftändnifs der regiftrirten Aueufti
von Chafe mitgethcilte Material bedarf fehr der Sich- nifchen Gedanken. — Daran ift nicht nur der Umftand
tung und Ergänzung. In letzterer Hinficht verweifen wir Schuld, dafs Verf. einen Einflufs des dritten Bandes von
befonders auf das vollftandige aramaifche Kaddisch und 1 Harnack's Dogmengefchichte nicht ftörend in feinen
die im Talmud Berakhoth i6*>- 29b 6c* mitgetheilten Ge- Text hineinfahren laffen wollte; auch die erften beiden
bete. In erfterer Beziehung wäre zu wünfchen, dafs Chafe Bände Harnack's hätten mehr einwirken können ebenfo
nicht nur ein jüdifches Gebetbuch neueften Datums be- Dorner's Buch, deffen Refultate freilich oft nicht direct
nutzt hätte. In den Gebetsordnungen Amram's (geft.881), übernommen werden dürfen, doch aber zu tieferer Durch
des Maimonides, des Machfor Vitry (Ausgabe der Mekize dringung des Stoffes hätten anregen müffen Ueberhaunt
Nirdamim), dem Gebetscommentar Abudarham's (um ift's mit der Literaturverwerthung in dem Büchlein nicht
1340) haben wir doch Mittel, wenigftens die neueften Zu- gar herrlich beftellt. Reuter's Auguftin-Studien z B
thaten in den Gebeten auszufcheiden, wenngleich dieFeft- 1 fcheint Verf. nicht zu kennen; direct bieten fie ja wenn?
ftellung des Wortlautes in talmudifcher und vortalmu- . für das Thema des Verf's., aber fie find iedem unent

difcherZeitbefonderenSchwierigkeiten unterliegt. Möchte
die von Chafe begonnene Arbeit auch in diefer Richtung
ihre zielbewufste Fortfetzung finden!

Leipzig. Gustaf Dalman.

Kühner, Vik. Karl, Augustin's Anschauung von der Erlösungsbedeutung
Christi im Verhältnis zur vorauguftin'fchen
Erlöfungslehre bei den griechifchen und lateinifchen
Vätern. Eine dogmengefchichtliche Unterfuchung.
Heidelberg, K. Groos, 1890. (III, 69 S. gr. 8.) M. 1.—

behrlich, der über Auguftin arbeitet. Und was S. 6
Abfatz 2 gefagt ift, würde Verf. nicht haben fchreiben
können, wenn der erfte Band von Ritfchl's Hauptwerk,
der S. 44 Anm. 3 citirt ift, auch nur an den im Index
sab voce Auguftin genannten Stellen wirklich verarbeitet
wäre.

Der Druck ift correct; doch wie kommt Verf. dazu
, ftets (S. 23. 41. 65) von Epanthropefe zu fprechen?

Halle a/S. Friedrich Loofs.

Der Briefwechsel des Conradus Mutianus. Gerammelt und
Eine Heidelberger L.centiatendiffertation - anfehe,- bearbeitet von Dr. Karl Gillert. [Gefchichtsquellen
nend pro titulo, nicht pro Itcentta —, deren Ausarbe tung . p c ur 0 T/, , V, L,, T T q

. r . , , , ' «• T._.. j. n 6 der Prov. Sachten eto iS Hr Moll» TJ«„,i«u tq„„

der Prov. Sachfen etc., 18. Bd.| Halle, Hendel, 1890
(LXIV, 436 u. 372 S. gr. 8.) M. 16. -
,Ueber dem vorliegenden Werke hat ein Unftern

fchon'abgefchloffen war, als der dritte Bund von Har"
nack's Dogmengefchichte erfchien. Der Herr Verfaffer
hat, wie er im Vorwort fagt, damals gegenüber dem

Werke Harnack's eine Veröffentlichung feiner Arbeit I gewaltet' - fo"beginnt das VorwoVCWlches'cUe I^iftor
für überfluflig gehalten hat lieh aber fchliefslich den- j Commiffion der Provinz Sachfen diefem Buche voran-
noch zurPublicat.on entfchlolfen. Das ift gewifs dankens- , gefchickt hat. Im Winter 1881/82 hatte Gillert welcher
werth Dafs aber der Verf. auf eine Umarbeitung feiner damals an der Univ.-Bibl. in Halle angeftellt war feine
*v^u7^^ Sammlung begonnen und 1882 den Auftrag, diefelbe für

nahe legte, abfichtlich verzichtet hat, um feine Arbeit
,als felbftändig und auch in ihren Uebereinftimmungen als
unabhängig bezeichnen zu dürfen', das könnte man nur
dann für berechtigt halten, wenn Verf. eine ebenfo bekannte
Autorität auf dogmengefchichtlichem Gebiete
wäre als Harnack. Ueberdies hat fich der Verf. mit
diefer Befriedigung eines factifch nur individuellen Inter-
effes dennoch felbft im Licht geftanden. Denn eine
Umarbeitung feiner Arbeit mit Hülfe von und in Aus-
einanderfetzung mit Harnack wäre derfelben fehr dienlich
gewefen. Die Arbeit ruht zwar auf forgfältiger
und nicht fpärlicher Leetüre Auguftin's, doch fehlen die
leitenden Gefichtspunkte für das Verftändnifs des Au-
guftinismus gar zu fehr. Es liegt mir fern, die neupla-
tonifche Grundirung der meiften Gedanken Auguftin's zur
Verkleinerung derfelben verwenden zu wollen; man kann
diefelbe mit Entfchiedenheit betonen und dennoch als
Chrift fich an Auguftin erfrifchen. Das aber ift gewifs,
dafs ein Einheitspunkt für die mancherlei Vorftellungs-
formen, mit denen Auguftin operirt, in fehr vielen Fällen
gar nicht gefunden werden kann, wenn man vom Neu-
platonismus abfieht. Verf. hat das gethan, und feine
Arbeit ift m. E. ein Beweis für meine Behauptung. Ueberdies
bleiben auch die einzelnen Vorftellungsformen unklar
, wenn man unterläfst, fie von der in neuplato-
nifche Gedanken tief eingetauchten Gefammtanfchauung
Auguftins aus zu beleuchten. Ich will den Raum damit
nicht füllen, dies im Einzelnen an den Ausführungen des
Verf's. zu beweifen. Ein befonders deutliches Beifpiel
könnten S. 55 und 56 geben, wo Verf. davon fpricht,
inwiefern Chriftus nach Auguftin der Weg zum Vater ift.
Noch unverzeihlicher als die Nichtbeachtung des neu-

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die Gefchichtsquellen der Provinz Sachfen fertigzuftellen,
erhalten; da empfing er Jan. 1883 von Prof. Kraule in
Zerbft, dem bekannten Forfcher auf dem Gebiet des
Erfurter Humaniftenkreifes, die Nachricht, dafs derfelbe
gleichfalls eine Mutianausgabe vorbereite, und zugleich
das Anerbieten entweder zu gemeinfamer Herausgabe oder
doch zu einer Benutzung feiner gefammten Vorarbeiten.
Es ift fehr bedauerlich und fchwer verftändlich, dafs G.
auf diefe billigen und ein ungewöhnliches Wohlwollen
des älteren und erprobten Forfchers dem Anfänger gegenüber
bekundenden Vorfchläge nicht einging; aber er
wollte fich feine volle Selbftändigkeit wahren. Während
nun G. den Druck feiner Ausgabe 1884 begann, liefs Kr.
feine Brieffammlung mit Hülfe des Heffifchen Gefchichts-
vereins Ende 1884 erfcheinen (Caffel, 1885). Auf beiden
Seiten beftand feit der Zurückweifung des Kr.'fchen Anerbietens
eine leicht erklärbare Eiferfucht. Kr. empfand
eine kleine Publication von G. {Liit/ierana. Düffeldorf 1883)
wie eine ,Vorwegnahme' von Forfchungsergebnifsen, die
er felbft in feiner Ausgabe der Briefe Mutian's hatte
geben wollen. G. umgekehrt, der nun den gröfsten Theil
feiner Arbeit drucken konnte unter Benutzung des in-
zwifchen erfchienenen Buches von Kr., fuchte fich feine
Unabhängigkeit durch ein möglichft weit getriebenes
ignoriren diefer Vorarbeit dem Lefer gegenüber künftlich
zu retten: während er fonft ftets die früheren Drucke
der Briefe notirt, verfchweigt er confequent den Abdruck
bei Kr., auch wo diefer zuerft Handfchriftliches gedruckt
hat; nur wo ihm gar keine andere Quelle als der Kr.'fche
Druck erreichbar war, bequemt er fich dazu, diefen
Rivalen zu nennen. Sonft exiftirt derfelbe für ihn nur
da, wo er ihn glaubt corrigiren zu können. Dafs G. that-