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Ausgabe:

1891

Spalte:

607-611

Autor/Hrsg.:

Kuyper, H.H.

Titel/Untertitel:

De opleiding tot den dienst des woords bij de Gereformeerden 1891

Rezensent:

Weiffenbach, Wilhelm

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Theologiiche Literaturzeitung. 1891. Nr. 24.

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Abfchlufs bringen. Es i(t diefe Kürze um fo mehr zu
bedauern, als auf diefen wenigen Seiten eine Fülle von
Gefichtspunkten zufammengedrängt ift, und als auch von
dem Naturalismus des 19. Jahrhunderts gilt, was Eucken
von der Entwicklung einer felbftändigen Geifleswelt
durch die Speculation fagt, dafs dagegen alle frühere
Leiftung der gleichen Tendenz den Charakter des Veralteten
hat. Ich kann den Dank für die von dem Buche
empfangene reiche Anregung und Förderung nicht beffer
ausdrücken als durch den Wunfeh, dafs es Eucken bald
vergönnt fein möge, uns mit einer gleich eingehenden
Darfteilung und Beurtheilung der Lebensanfchauungen
des 19. Jahrhunderts zu befchenken.

Giefsen. J. Gottfchick.

Kuyper, Dr. H. H., De opleiding tot den dienst des woords
bij de Gereformeerden. 1. deel. Inleiding. Gefchie- I
denis. 's-Gravenhage, Nijhoff, 1891. (XII, 630, S. gr. 8.) j

Es liegt uns hier der vortrefflich ausgeftattete, nur
leider fehr druckfehlerreiche 1. Band eines äufserst gelehrten
und (irn Ganzen) mit gründlichfter Quellen- und
Literatur-Kenntnifs gearbeiteten, aber fehr weitfehichtig
angelegten und für unferen deutfehen Gefchmack in etwas
zu behaglicher Breite fich ergehenden Werkes über ,Die
Erziehung zum Dienfte am Wort bei den Reformirten'
vor. Und zwar umfafst diefer nicht weniger als 630 enggedruckte
Seiten enthaltende erfte Bd. a) Die Einleitung
, b) den I. Theil, der die durch die Reformatoren
herbeigeführten Aenderungen in jener Erziehung
im Zufammenhang mit den reformatorifchen Principien
beleuchtet, c) vom 2. Theil, der die Art jener Er- I
ziehung in den verfchiedenen reformirten Ländern nachweifen
will, nur die erfte Hälfte (Erziehung zum D.
d. W. unter der directen und ungebrochenen Herrfchaft
der calviniftifchen Principien) in ihrer Befchränkung
(Cap. I) auf die Niederlande (p. 249—630). Ein, fo
Gott will, nachfolgender II. Band wird zunächft die 1.
Hälfte des 2. Theils durch ein Cap. II (Summarifcher
Bericht über die mehrerwähnte Erziehung unter dem
directen Einflufs des Calvinismus in den anderen j
Ländern aufser der Niederlande) vollenden (p. IX),
dann die mit Ende des vorigen Jahrhunderts unter dem
Einflufs der aufkommenden ,neuen Philofophie' und des
Rationalismus fowie der franzöflfehen Revolution erfolgende
Zurückdrängung und Zerbröckelung der calviniftifchen
Principien in der Erziehung zum Dienfte des
Worts in den verfchiedenen reformirten Ländern (vgl.
p. 248) fchildern, um fchliefslich (wohl in einem 3. Theil
oder in einem Anhang?) ,auf Grund der gewonnenen Re-
fultate einerfeits an dem, was Verkehrtes fleh in unfer
reformirtes Erbe eingefchlichen hat, Kritik zu üben, an-
dererfeits zu zeigen, wie die Erziehung zum Dienste am
Wort nach Forderung der reformirten Principien wieder
auf einen befferen Weg zurückgeführt werden kann'

(P- IX)- . '

Für den niederländifchen Lefer wird fleh das

Hauptintereffe am vorliegenden Werk auf die Darftellung 1
der Erziehung zum D. d. W. bei den Reformirten der
Niederlande unter der ungeftörten Herrfchaft der calviniftifchen
Principien (Theil II, 2. Untertheil, Cap. I, p.
249—6i2)concentriren. Hier handelt der Verfafferumftänd-
lich und mit gröfster Ausführlichkeit zunächft einleitender
Weife von den dortigen Zuftänden vor der Reformation
, worauf er auf die Erziehung zum D. d. W. in
der Uebergangs- und erften Nothzeit der neuen Kirche,
auf die erften niederländifchen Erziehungsfchulen, die
Univerfitäten und ihr Verhältnifs zu Obrigkeit und
Kirche, die Einrichtung der theologifchen Facultäten und
die Beziehungen der Kirche zu denfelben u. a. m„ zuletzt
auch noch auf die fog. ,illuftren Schulen' (die fleh
ausfchliefslich durch den Mangel des jus promovendi von

den Univerfitäten unterfcheiden, vgl. p. 426) zu fprechen
kommt. In einem letzten (§ 11), allgemein interefflrenden
Paragraphen theilt Kuyper dann noch den zur Ueber-
windung des ftaatlich-kirchlichen ,Provincialismus' und
zur Herflellung der calviniftifchen Lehr-Einheit be-
ftimmten und wohl zwifchen 1619 und 1628 entftandenen,
jedenfalls nach-arminianifchen (vgl. p. 607) vollftändig
ausgearbeiteten Plan der Stiftung einer niederländifchen
National-Univerfität (p. 604—612) mit, der (wahrfchein-
lich) einer füdholländifchen Synode eingereicht worden
ift, aber niemals Annahme gefunden hat (p. 608).

Als ,Beilagen' find dem befprochenen grofsen Ab-
fchnitte beigegeben: A) eine Namensliste der theologifchen
Profefforen an den niederländifchen Univerfitäten
von 1575 bis ca. 1800 (p. 613—618); B) der
oben erwähnte, urfprünglich einer füdholländifchen
,Kirchenordnung' eingearbeitete und dem ,Alten Archiv
der niederländifchen reformirten Kirche' im Haag entnommene
(p. 607) Stiftungsplan einer National-Univerfität
(p. 619—630).

Wir wenden uns fofort zu dem für jeden deutfehen
Lefer, der nicht, wie Ref., den Niederlanden
einen Theil feiner theologifchen Bildung gerne und mit
anhänglichem Herzen dankt oder der nicht gerade
Specialforfcher auf unferem Gebiete ift, wefentlich in-
tereffanteren und auch befonders anziehend gefchriebenen
erften Theil der Schrift (p. 78—246) mit"voraufgehender
Einleitung (p. 1—77), müffen uns aber auch hier mit
kurzen Andeutungen begnügen. Nicht nur die erdrückende
Fülle des gebotenen Stoffes nöthigt uns zu diefer mehr
referirenden Selbftbefchränkung, fondern wir dürfen
uns auch deshalb fchon derfelben befleifsigen, weil Theil
II. — richtig verftanden — in gewiffem Sinn nur eine
Wiederholung von Theil I. ift, d. h. das vorher im Allgemeinen
und in grofsen Zügen Aus- und auf die
grundlegenden Gedanken der führenden reformatorifchen
Männer und ihre mafsgebenden Anfänge Zurückgeführte
nun in reichlicher und breit angelegter Detail-Malerei
entfaltet: fo gleichfam die Einzel-Proben zur Richtigkeit
der in Theil I aus allgemeineren Betrachtungen gewonnenen
Refultate darbietend.

In der Einleitung (p. 1—77), die vom vor-reformatorifchen
Zuftand der Flrziehung zum D. d. W. handelt,
zeichnet Ref. mit grofsem Gefchick ein lichtvolles Bild
vom mittelalterlichen Erziehungswefen überhaupt und
von der Vorbildung der Cleriker, wie fich diefelbeauf den
Kathedral-, Kloner- und Stadtfchulen, bezw. auch auf den
Univerfitäten vollzog. Mit befonderer Vorliebe und eingehender
Sachkenntnifs verweilt hier Kuyper zumal bei
Schilderung der m. a. Univerfitäten und ihrem Verhältnifs
zu Kirche und Obrigkeit (p. 33—77)- Speciell
fei daraus erwähnt, dafs in der jüngft viel ventilirten
Streitfrage, ob der Papft, auf Grund feiner Ertheilung
von ,Stiftungsbriefen' als Stifter der damit bedachten
m. a. Univerfitäten anzuflehen fei, unfer Verfaffer ebenfo
befonnen als richtig fo entfeheidet: Jene päpftlichen
Urkunden ftellen keine Gründungs-Handlungen der
Päpfte, fondern nur eine, oft ja fchon an die ,univer-
sitas magistrorutn et scliolarium adreffirte, Anerkennung
, bezw. Privilegirung der betr. Hochfchulen
dar (p. 40—42), fo dafs die Univerfitäten trotz des
,engen' Bandes zwifchen ihnen und der Kirche (p. 45.
47 f.) an fich keine ,corpora ccclcsiasticd genannt werden
können. Uebrigens verlangte die m. a. Kirche von
ihren gewöhnlichen Geiftlichen keineswegs ein Uni-
verfitätsfludium. (Nur die durch vornehme Geburt oder
geniale Begabung zu den hohen Stellungen in der Kirche
Berufenen durchliefen die Univerfitäten). Vielmehr begnügte
fich die Kirche mit der auf den Lateinfchulen
erwerbbaren Kenntnifs des Lateinifchen als der Kirchen-
fprache und einer dürftigen Bekanntfchaft mit den
Glaubenswahrheiten, legte aber um fo mehr Nachdruck
darauf, dafs der künftige ,Mefspriefter' genau das Pöni-