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Ausgabe:

1891 Nr. 24

Spalte:

601-607

Autor/Hrsg.:

Eucken, Rudolf

Titel/Untertitel:

Die Lebensanschauungen der grossen Denker. Eine Entwickelungsgeschichte des Lebensproblems der Menschheit von Plato bis zur Gegenwart. (Schluß.) 1891

Rezensent:

Gottschick, Johannes

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6oi Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 24. 602

Fischer, Kuno, Einleitung in die Geschichte der neuern Phi
losophie. 4. Aufl. [lmilofophifche Schriften. 1.] Hei

gebener Elemente. Kurz zeichnet E. die Ausgleichung
des Intereffes für die nächfle Welt mit der unbedingt;

ddberg', CWfaler!"l89K '(IV,~I53 $• gr- 8) M-4-- hergehenden Religion bei Thomas und das Verlangen

I nach unmittelbarer wahrhaftiger Lebensführung in der
Myftik einerfeits und bei Thomas v. Kempen anderer-
feits. Erft die Neuzeit nimmt die im 4. Jahrhundert
zum Stillftand gekommene Bewegung wieder auf.

Mit veränderter Grundftimmung, mit jugendfrifcher
Energie wird das weltumfaffende Innenleben wieder aufgenommen
. Es fühlt fleh jetzt kräftig genug, um erkennend
und geftaltend in die ganze Breite des Weltlebens
einzugehen, um die Unendlichkeit des Geifteslebens zu
verwirklichen Der in folchem Streben befindliche Geift
fträubt fleh aber, eine fremde Nothwendigkeit über fleh
anzuerkennen. Vielmehr foll alles aus feiner eigenen
Selbftthätigkeit hervorgehen. Das ganze Dafein foll in
Freiheit verwandelt werden. Das ift nur erreichbar, wenn
der Lebensprocefs aus einer Ganzheit und aus einer unmittelbaren
Gegenwart heraus erfolgt, durch die Gefchichte
alfo nicht wie durch eine Vergangenheit gebunden, fondern
wie durch eine Gegenwart getragen wird. Der Gewinn
diefer echten Wirklichkeit ift nur möglich durch
Vermittlung der Gedankenarbeit. So fteigt ein neues
Lebensideal auf, das der Cultur als der Entwicklung des

Nach Titel und Inhalt zu fchliefsen — Vorrede und
Profpect fehlen nämlich — fcheint der Verleger eine
Gefammtausgabe der Schriften K. Fifcher's zu beabfich-
tigen. Das vorliegende Heft ift, nach einer Reihe von
Stichproben zu urtheilen, der wörtliche Neudruck der
»allgemeinen Einleitung', mit der die 1889 erfchienene
dritte neu bearbeitete Auflage des 1. Bandes von K.
Eifcher's Gefchichte der neueren Philofophie (Descartes
und feine Schulet beginnt. Eifcher legt hier feine Aufhalf
u ng der Gefchichte der Philofophie als Wiffenfchaft
dar und fkizzirt den gefchichtlichen Entwicklungsgang,
aus dem die abendländifche Philofophie entfpringt und
in den fie eingreift, bis zum Beginn der Neuzeit. Die
hohen Vorzüge von Fifcher's Gefchichte der neueren Philofophie
find bekannt. Es find nicht nur die formellen
einer fchönen und lichtvollen, bei aller Ausführlichkeit
doch präcifen Darftellung. Fifcher verlieht es auch in
feltener Weife, die Gedankenwelt der einzelnen Philofo-
phen in ihrer Genefis und in ihrem inneren Zufammen-
hange dem Lefer durchfichtig zu machen fowie ohne

Verwifchung der eigenthümlichen gefchichtlichen Züge gefammten Lebensgehaltes aus voller Selbftthätigkeit,
den bleibenden Wahrheitsgehalt der einzelnen Syfteme ( ein Ideal, das an fich zu anderen Idealen nicht im Gegen'
und wieder die für eine immanente Kritik fich aus ihnen fatz fteht, fondern das religiöfe, ethifche, äfthetifche
ergebenden neuen Probleme in's Licht zu Hellen, kurz, Lebensziel bei fich aufnehmen und bei fich erhöhen will,
das Studium der Gefchichte^ der Philofophie zu. einem j Ein beftimmter Lölungsverfuch des Hauptproblemes der

Neuzeit ift das .Moderne'. Sein Ideal ift das Wachsthum
der Kraftentwicklung als folcher mit Verneinung einer
Innerlichkeit, aus der die Thätigkeit hervorginge, und
mit Abweifung der Frage nach einem abfoluten Inhalt
des Lebens für die Perfon. Das Perfönliche gilt als das
Selbftifche und Eingebildete. Das Wefen, dem der Menfch

Studium der Philofophie felbft zu machen. Dafs der
philofophifche Standpunkt Fifcher's der Hegel's ift, ift
bekannt. In dem vorliegenden Hefte tritt die Einfeitig-
keit desfelben in der Thefe heraus, dafs die Entwicklung
der chriftlichen Kirche, die aus der Idee der Glaubenseinheit
entfpringe, ein befonders deutliches Beifpiel einer

gefchichtlichen Entwicklung fei, die lediglich aus einer ' flch hinzugeben hat, ift die fachliche Nothwendigkeit der
Idee entfpringe und von diefer fortbewegt und beherrfcht 1 allein wirklichen diesfeitigen Welt. Das Moderne tritt
werde. I in den beiden entgegengefetzten Geftalten des Intellec-

Giefsen. J. Gottfchick.

tualismus und Naturalismus auf. Das eine Mal wird das
Erkennen die Summe der Geiftesthätigkeit. Das Denken
Fischer, Kuno, Geschichte der neuern Philosophie. Neue wjH zu den letzten Gründen durchdringen, die gegebene
Gefammtausgabe. 2. Bd. Gottfried Wilhelm Leib- . Welt in Gedanken verwandeln, in Kunft und abfoluten
niz. 3. neu bearb. Aufl. Heidelberg, C. Winter, 1889. Ergebnifsen der Wiffenfchaft eine neue vollgenügende

(XIX, 622 S. gr. 8.) M. 14. —

K. Fifcher's Darfteilung von Leibniz' Leben und
Lehre, die der umfaffenden Bedeutung des grofsen Philo-
fophen der Aufklärung in ausgezeichneter Weife gerecht
wird, erfcheint hier in neuer Bearbeitung. Die letztere er-
ftreckt fich aber nicht auf die Darfteilung der Lehre von
L. Da Fifcher's Auffaffung in Bezug auf diefe fich nicht
geändert hat, fo hat das 2. Buch nur redactionelle Aen-

Welt fchaffen. Das andere Mal gilt die finnliche Er-
fcheinung der Natur als das Wirkliche; indem er fie re-
giftrirt und fordert, gewinnt der Menfch die Mittel, um
durch technifche Naturbeherrfchung und naturartige Or-
ganifation der Gefellfchaft das Glück, deffen Inhalt, weil
im Angenehmen und Nützlichen beftehend, veränderlich
und relativ ift, zu erreichen. Beide Richtungen haben
an der Gefammtart der Neuzeit ihre Anknüpfung; aber
indem fie diefelbe verfchärfen, gelangen fie in Wider-

derungen erfahren. Das 3. Buch, welches die Darftellung j fprUch mit ihrem Grundftreben, fofern fie das als Wahn'
der Leibniz'fchen Schule enthielt, hat Fifcher einftweilen | leugnen, was dort Allem zu Grunde liegt, ein weltüber-
noch zurückgehalten, um das Hauptwerk nicht länger 1 legenes Perfönlichfein und die Anerkennung eines Zufehlen
zu laffen. Das 1. Buch dagegen ifl beträchtlich : fammenhanges des Menfchenwefens mit gehaltvolleren
erweitert, da durch die erften 3 Bände der Gerhardt'fchen Tiefen. So wirkt nicht nur die allgemeinere Stimmung
Ausgabe der philofophifchen Schriften, die eine Reihe und die ältere Lebensgeftaltung neben dem Modernen
von Briefwechfeln enthalten, und durch die 5 letzten fort, fondern es erhebt fich gegen dasfelbe eine um-
Bände der Klopp'fchen Ausgabe der hiftorifch-politifchen faffende Kritik, die neue Wege fucht. Danach gliedert
und ftaatswiffenfehaftlichen Schriften, welche durch Cor- j Euchen die Darftellung in 3 Abfchnitte: r. der "Beginn
refpondenzen mit fürftlichen Frauen gefüllt werden, ein | der Neuzeit, 2. die Höhe des modernen Schaffens, 3. die
umfangreiches neues Material hinzugekommen war. i Epoche der Kritik.

Giefsen. J. Gottfchick. Das Neue geht zuerft in verfchiedenen Bahnen neben

————--———----- ! einander her. Nach einer Schilderung der Renaiffance

Eucken, Prof. Rud., Die Lebensanschauungen der grossen werden Nik. v. Cues und Giordano Bruno gewürdigt,
Denker. Eine Entwickelungsgefchichte des Lebens- j die eine Art umgekehrter Myftik darftellen, indem fie
Problems der Menfchheit von Plato bis zur Gegen- durch Hingabe an die Unendlichkeit des Weltlebens, das
wart. Leipzig, Veit & Co., 1890. (VIII, 496 S. gr. 8.) ™r.als Ausdruck des göttlichen Seins Werth hat, das
10 " v * & Weit- und Freiwerden des Menfchenwefens erreichen

M- ia — [Schiurs.] I wollen. Bruno hat auf die Lebensanfchauung der Neu-

Das Mittelalter führt das Gewonnene nur fort. Was j zeit in der Richtung auf Befreiung, Erweiterung, Belebung
in ihm Neues auftritt, ift nur eine andere Mifchung ge ' des Dafeins mächtig gewirkt. Ferner find Ideen wie die

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