Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1891

Spalte:

586-587

Autor/Hrsg.:

Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Die Bibel, das ist die ganze heilige Schrift. Mit Bildern der Meister christlicher Kunst. 18. - 40. Lfg 1891

Rezensent:

Schlosser, Georg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 23.

586

hoher künftlerifcher Werth anerkannt ift. Von den
nicht von Schnorr herrührenden Uluftrationen muffen
wir eine als unevangelifch in Anfpruch nehmen. Es
ift das die Steinigung des Stephanus darftellende Bild
(S. 145), das fich auch bei Römheld findet. Diefer
tonfurirte Mönch, der verzückt nach Art des Franziskus
von Affifi auf den Knien liegt und gen Himmel blickt,
ift nicht der Stephanus der h. Schrift, der Mann voll
Glaubens und heiligen Geiftes, deffen Angefleht, als er
vor dem hohen Rathe ftand, leuchtete, wie eines Engels
Angefleht. Katholifirende Bilder gehören nicht in eine
biblifche Gefchichte für unfere evangelifchen Schulen,
mögen fie auch künftlerifch noch fo hübfeh fein. Alfo
lieber kein Bild zu der herrlichen Erzählung von dem
erften Blutzeugen der chriftlichen Kirche, als diefes, das
wie es fcheint, auf dem Wege ift, fich bei uns einzubürgern
. Pnticipiis obstat

Die Auswahl der einzelnen Gefchichten ift gut;
doch ift dem Berichterftatter aufgefallen, dafs die
Miffionsreifen des Apoftel Paulus in den Anhang ver-
wiefen find (S. 149—151). Es ift zu vermuthen, dafs dies
nur aus einem rein äufserlichen Grunde gefchehen ift,
um50neuteftamentlicheGefchichtenzuhaben,entfprechend
den 50 altteftamentlichen. Eine Abhülfe wird fich leicht
ermöglichen laffen. Bei diefer Gelegenheit wäre dann
auch das Auftreten des grofsen Heidenapoftels in
Athen (Apg. 17) zu fchildern und das fchöne, von den
rafaelifchen Tapeten herftammende Bild beizufügen,
das die badifche biblifche Gefchichte mit Recht aufgenommen
hat.

Die Sprache ift gefällig, oft wörtlich, mit geringen
aber erziehlich gerechtfertigten Auslaffungen, die Sprache
des Bibeltextes wie z. B. in der Weihnachtsgefchichte.
Dazu ift theils gefperrte, theils fette Druckfchrift fehr
praktifch verwendet, um wichtige Handlungen, Gedanken
und Ausfprüche hervorzuheben und den Kindern gleich-
fam vor die Augen zu ftellen. Die jeder Erzählung
folgenden Fragen find einfach und richtig gefafst,
Sprüche und Liederverfe, fowie Verweifungen auf Haupt-
ftücke des Katechismus in paffender Auswahl und wohl
überlegt hinzugefetzt.

Im Anhange findet fich auf S. 151—154 auch eine
kurz gefafste Bibelkunde. Wenn es da heifst: ,Aufser-
dem enthält das alte Teftament noch Apokryphen, das
find Bücher, die nicht aus göttlicher Eingebung gefchrieben
find' (S. 151), fo würden wir diefer Erklärung die bekannte
claffifche von Luther vorziehen. Sehr gut ift,
was zur Erläuterung des Begriffes der kanonifchen
Schriften gefagt wird; nämlich: ,Die biblifchen Bücher
flammen von Gott her und find durch Menfchen gefchrieben
. Sie enthalten alfo nicht Menfchen- fondern
Gotteswort. Aber fie find nicht äufserlich gegeben
(dictirt), fondern durch Gottes Geift wurde himmlifches
Licht und Leben in die Herzen der Verfaffer gepflanzt,
fo dafs fie göttliche Wahrheit fchreiben konnten'. —
Dafs unter den fchönften Pfalmen der dreiundzwanzigfte
nicht aufgeführt wird, fällt auf. Die Bezeichnung ,Pro-
ceffionsgefänge' für Pf. 24. 55. 68 katholifirt. Vom hohen
Liede würden wir fagen: ,Das h. L. feiert den Sieg
treuer Liebe' ft.: das h. L. S. ift eine Sammlung von
Liedern über Liebe und Treue'. — Was das N. T. angeht
, fo find wir mit dem, was über die fünf Gefchichts-
bücher und die Offenbarung des Johannes gefagt wird,
einverftanden. Weniger befriedigt hat uns die Behandlung
der Lehrbücher. Wenn es vom Briefe an die
Hebräer heifst: ,Der Brief an die Hebräer ift wahrfchein-
lich auch von Paulus verfafst', fo darf man den Kindern
unter Berufung auf Luther getroft das Gegentheil fagen:
,Der B. an die H. ift wahrfcheinlieh nicht von Paulus
verfafst; darum hat Luther ihn auch von feiner urfprüng-
lichen Stelle im griechifchen N. T. weggerückt und hinter
die Briefe des Petrus und Johannes gefetzt'. Weiterhin
find die Briefe an die Ephefer, Philipper und Koloffer

nicht zu übergehen, fondern als folche zu bezeichnen, die
befonders von der Perfon Chrifti handeln. Auch ift zu
bemerken, dafs fich die chriftliche Hausordnung in den
Epifteln an die Ephefer und Koloffer findet. Und warum
foll nicht der Brief an Philemon, als ein köftlicher Freund-
fchaftsbrief, den Schülern näher bekannt gemacht werden?
Auch ift es praktifch, diefelben bei jeder Epiftel auf
irgend einen, ihnen fchon bekannten, Spruch oder Ab-
fchnitt hinzuweifen, wie z. B. auf Rom. 3, 28. I K. 13.
Gal. 3, 11. Phil. 1, 21. 1 Theff. 5, 17. Hebr. 11, 1. 1 Joh.
4, 16 u. f. w.

Zur Zeittafel nur die Bemerkung, dafs ,250—300
Chriftenverfolgung' ungenau ift. Beffer wohl fo: ,64
Erfte Chriftenverfolgung unter Nero. 304—311 letzte
Chriftenverfolgung unter Diocletian und Galerius'.

Crefeld. F. R. Fay.

Bibel, die, d. i. die ganze heilige Schrift. Mit Bildern
der Meifter chriftlicher Kunft. Hrsg. von Dr. Rud.
Pfleiderer. 18—40. Hft. Stuttgart, Süddeutfches
Verlags-Inftitut, 1890/91. (S. 169—428. Fol.) ä M.—. 50!

Ueber den Fortgang diefes ausgezeichneten Werkes
hat die Theol. Literaturztg. lange nicht berichtet. Es
find inzwifchen die Hefte 18—40, enthaltend die Schriften
vom IV. Buch Mofe bis 1 Kö. 20., erfchienen. Dafs
dabei das verheifsene Tempo vierzehntägiger Lieferungen
nicht eingehalten worden ift, darf Einen bei den enormen
Schwierigkeiten, die einem fo grofsartig angelegten
Unternehmen entgegenftehen, nicht Wunder nehmen.
Diefe Schwierigkeiten find in den vorliegenden Theilen
des A. Ted.'s noch bedeutend gewachfen, und fie beliehen
unvermindert für den ganzen Schlufs des A. Teft.'s
fort. Denn von Mofe an hören die bekannten Bilder-
cyklen faft gänzlich auf und auch die brauchbaren Galeriewerke
werden fpärlich. Will man fich da nicht an
der Ausbeute, welche unfere alten Bilderbibeln liefern,
genügen laffen, fo gilt es auf die Suche zu gehen. Der
Herausgeber hat, wie er Ref. mittheilt, zu diefem Zweck
weite Reifen unternommen und Tage lang die Kupfer-
fticheabinette Deutfchlands und der Niederlande durch-
forfcht. Auch dieNachbildung folcher noch nicht veröffentlichter
Blätter bereitet nicht geringe Schwierigkeiten.
Schon die Erlangung der Erlaubniis zur Nachbildung
der Originale macht oft langwierige Verhandlungen nöthig.
Dann müffen fie an Ort und Stelle von einem dazu geübten
Photographen abgenommen werden. Dann gilt es
zu erwägen, welches die geeignete Art der Wiedergabe
fei, ob directe Zinkätzung, oder vorherige Umzeichnung,
oder Holzfchnitt. Die Herftellung der Platten und Blöcke
erfordert zahllofe Proben und Correcturen. Sehr müh-
fam ift auch das rechte Arrangement der Bilder im Text,
und endlich erfordert der Druck grofse Sorgfalt, da er
bei den verfchiedenen Reproductionsarten nicht gleich-
mäfsig gut von ftatten geht. Trotz aller diefer mannigfachen
Schwierigkeiten ift es den vereinten Bemühungen
des Herausgebers und der Verlagshandlung gelungen,
auch in diefen Heften eine ganze Fülle von fchönen
Nachbildungen trefflicher, zum Theil noch ganz unbekannter
Kunftwerke zu bieten. Vor allem find in den
Niederlanden reiche Schätze durch und durch proteftan-
tifcher Kunft gehoben worden. Wir nennen hier vor
allem den fchönen Cyklus von Bildern zum Leben des
Propheten Elias, die aus lauter innerlich verwandten
Werken niederländifcher Meifter (Rembrandt, A. Bloe-
maert) zufammengeftellt ift. Aus den zahlreichen beigegebenen
Vollbildern feien u. a. noch hervorgehoben:
Herodes' Tochter mit dem Haupt des Täufers, von
Bernardino Luini; die Belebung Adams, von Michelangelo-
die Schlacht im Walde Flphraim, von A. Rethel; eine
wundervolle, erftmals veröffentlichte Zeichnung von jofeph
Anton Koch: Eliefer und Rebekka am Brunnen; Jofeph