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Ausgabe:

1891 Nr. 23

Spalte:

566-578

Autor/Hrsg.:

Dieckhoff, Aug. Wilh.

Titel/Untertitel:

Die Inspiration und Irrtumslosigkeit der heilgen Schrift 1891

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 23.

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Betrachtung von C diefe Hf. fich als eine Abfchrift aus
A erweife. , When the autotype of C is patiently examined,
tkere arc found instances in whtch thc scribe, by Iiis own
niarks upon the AIS., lias pointed out sotne peculiarity in
A, or sotne Variation front A. These instances of the use
of marks are so numerous — I could supply a /ist of
inore ihm fifty — and oftcn so precise, that the tlieory
of actident is altogcther precluded, and one is compclled
to concludc that the scribe intended to record in sotne way
in Iiis own MS. the eccenlricities, so to call them, of A,
and Iiis own departure front its text' (S. 290). Nach
diefer Einleitung darf man auf das Kommende gefpannt
fein. Denn ein Verfahren, wie das hier gefchilderte,
wäre geradezu beifpiellos. Und beifpiellos find auch
die nun folgenden Ausführungen. Man^ urtheile felbfi.
1) S. 464 Z. 6 bietet C änioiif ftatt ujieaxiv. Das ij
fieht unmittelbar unter dem ö von b habe auf der vorigen
Zeile. Das entfprechende 0 hat in A einen Strich über
fich, welcher jedoch mehr zwei Punkten als einem Ab-
kürzungsftrich gleichfieht f). Diefes Verfehen hat der
Schreiber von C in feiner Abfchrift verbeffert, ,but he
1 annot resist the tentptation to leave behind sotne sly hint,
sotne mute indicatiou, of the slip he has detected'. Was
ihn bewog, fich an dem unfchuldigen aneaxiv zu vergreifen
, wenn er das 6 meinte, hat Herr W. nicht ver-
rathen zu follen geglaubt. 2) S. 428 begegnet diu tifor
auf Z. 8 und 9 und aufserdem noch fünfmal; aber nur
Z. 8 und 9 findet fich unter dem ö ein Pünktchen. Wie
ift das zu erklären? ,In line 8 C supplies a ätä wanting
in A, and in line 9 tnakes thc sotne inistake as A by
adding diu.1. Wie vielfagend doch folch ein Pünktchen
fein kann! Z. 8 fpricht es: ,Hier hat die Vorlage einen
Fehler, den ich verbeffere', Z. 9: .Hier hat die Vorlage
einen Fehler, den ich nicht verbeffern will'. 3) S. 465
Z. 7 bietet C alxa mit einem Pünktchen unter dem
zweiten a; darüber fleht ulld xgia (fo, mit einem kleinen
Zwifchenraum zwifchen dem 0 und dem x, flühich readily
eatches the eye'). Die Herausgeber haben den Wink (hint)
verftanden, denn fie lefen nicht uvra mit C, fondern
lavxa mit A: ein Scharffinn, der um fo mehr anerkannt
werden mufs, als der vielfagende Punkt eigentlich
nicht unter dem zweiten, fondern unter dem
erften « von avxct zu erwarten gewefen wäre. 4) Der
Schreiber von C bedient fich oft eines uncialen J (ftatt d),
aber nie an folchen Stellen, wo man einen grofsen An-
fangsbuchftaben erwartet. Alfo beabfichtigt er durch das
unciale J die Aufmerkfamkeit auf irgend etwas zu lenken.
Ein folches J findet fich auf der vorletzten Zeile von
S. 429. Darunter, auf der letzten Zeile der Seite, gewahrt
man ein auffallend ^rofses e, links davon einen
Punkt über dem x von ünavuov und noch weiter links
einen Punkt über dem 0 von dtanox^g. Unterhalb des
d in diefem Worte, am fchmalen unteren Rande der Hf.,
ift ein fehr feines o erkennbar mit einem feinen Pünktchen
zur Seite und einem Häkchen darüber. Was bedeutet
diefer gewiffermafsen unter den Text verfprengte
Buchftabe? Des Räthfels I.öfung bietet wiederum A.
Denn hier ift das d in dianoxifi verwifcht und an der
Stelle hat fich aus dem nqodrjhnv noiouvxea oti ein o
abgedrückt! (das Ausrufungszeichen ift das evQ7y/.a des
Herrn W.) Nach diefem Beifpiel können wir Herrn W.
nur dankbar fein, dafs er die Myfterien der fonft noch
in C vorkommenden uncialen Buchftabenformen unent-
hüllt gelaffen hat. Noch dankbarer aber find wir dem
Schreiber von C, dafs er die Ränder feines Pergaments,
mit Ausnahme diefer einzigen Stelle, von Kritzeleien
oder Federproben freigehalten hat. Was würde Herr W.
da noch alles herausgcheimnifst haben! 5) Ein ganz
wunderbares Zufammentreffen mit A findet fich inC S.457.

1) V. meint, wie auch Lightfoot, dafs der Schreiber von A ö d. i.
ov beabfichtigt habe. Anders Tifchendorf, welcher in dem ftrichartigen
Zeichen einen Spiritus asper erblickte.

Das entfprechende Blatt in A ift in einem üblen Zuftande:
,at thc top is a hole through the leaf, wkile the right-
liand margin is throughout broken and defaced — so
much so that at the lower part of the leaf the words
y.axaoxQorprj ofioia with v. occupy all that is left of a line.
A „catastrophe tihe" to this broken parchment, we can hardly
he/p thinking. At any rate, Leo, the scribe of C, appears
to have taken it so, for on p. 457 that ivord xaxaOTQOqrr)
is scen straddling across a veritablc catastrophe. The v.axn
Stands on one side and the oioocf t) on the other at the
top of a dirty-looking place in the parchment, which has
becn scraped and scraped until a hole has becn tu ade close/y
rcsetnbling in size and form the hole just tnentioned as
in A; and the scribe has heightened the effeet by foisting
into thc text the words v.ul nitw/yigla'.

Hier giebt es nur zwei Möglichkeiten: entweder Herr
W. hat fich mit den Herausgebern und Lefern der Cri-
tical Review einen Scherz erlaubt, oder aber er befitzt
eine Phantafie, welche ihn zu befonnener Auffaflung und
Beurtheilung literarifch-kritifcher Probleme unfähig macht.
Die Punkte, welche der Schreiber Leo mit Vorliebe verwandt
haben foll, um auf Befonderheiten feiner Vorlage
hinzuweifen, wird kein Verftändiger für etwas Anderes
halten als für Federfpritzer, deren zufällige Entftehung
fchon dadurch erwiefen ift, dafs fie bald zwifchen den
Zeilen, bald an den Rändern auftauchen und verhältnifs-
mäfsig feiten über und unter einzelnen Buchftaben. Was
aber das Loch im Pergament S. 4567 anbetrifft, fo lehrt
ein Blick auf die Photographie, dafs der Schreiber von
C daran fo unfchuldig ift wie der Schreiber von A an
dem beklagenswerthen Zuftande, in welchem fich der
Cod. Alexandr. jetzt befindet. Dafs es durch Kratzen
entftanden fei, ift undenkbar; die fcharfen Conturen und
das gleichmäfsige Oval beweifen, dafs es eines der Löcher
ift wie fie jedem, der mit Pergamenthff. zu thun hatte,
oft begegnet find, und von einer Aehnlichkeit mit der
Zerftörung, welche man an dem entfprechenden Blatt
des Cod. Alexandr. jetzt gewahrt, kann vollends keine
Rede fein. Und was foll man gar zu der den Phantafien
W.'s zu Grunde liegenden Vorausfetzung fügen, dafs der
Schreiber von C den Cod. Alexandr. fchon in dem Zuftande
gekannt habe, in welchem er fich jetzt befindet?
Hat er fich denn gar nicht die Frage vorgelegt, woher
jener Schreiber die in A fehlenden Stücke genommen,
von den befferen Lesarten, welche C enthält, ganz zu
fchweigen? Aber genug und aber genug. Wenn die Abhängigkeit
des Cod. C von A nicht mit anderen Gründen
erwiefen werden kann, fo fieht es trübe damit aus, und
nicht ohne Lächeln lefen wir die Sätze, mit welchen W.
feine Anzeige fchliefst: ,If C used A, then no stnäll part of
the Bishop's conclusions falls to the ground — all Iiis tu any
pages on the MSS. and versions — not to tnention that the
text would require reconstruetion. In a word, if what
has been here advanced is sound, the book is hü in quite
its most vital park . . . Auf diefes ,wenn' kommt es eben
an. Hoffentlich wird Herr W. felbft einmal dahin gelangen,
diefe feine Entdeckung nicht mehr für ,sound' zu halten.

Berlin. O. v. Gebhardt.

1. Vallotton, Paft. Paul, Die Bibel. Ihre Autorität, ihr

Inhalt und ihr Wert. Preisgekröntes Werk der waad-
ländifchen Abteilung der nationalen evangelifchen
Union. Aus dem Franzöfifchen überfetzt, mit ausdrücklicher
Autorifation des Herrn Verf., von Wilh.
Müller. Gotha, F. A. Perthes, 1891. (XII, 392 S
gr. 8.) M. 6. —

2. Dieckhoff, Confift.-R. Prof. D. Aug. Wilh., Die Inspiration
und Irrthumslosigkeit der heiligen Schrift. Leipzig.
J. Naumann, 1891. (III, 110 S. gr. 8.) M. 2. —

3. Haug, Pfr. Karl, Die Autorität der hlg. Schrift und die