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Ausgabe:

1891 Nr. 21

Spalte:

522

Autor/Hrsg.:

Paulson, Johs.

Titel/Untertitel:

Fragmentum vitae Sanctae Catherinae Alexandrinensis metricum 1891

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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521

Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 21.

522

eine wichtige Rolle und ift dann mit befonderer Vorliebe
und Virtuofität von den Stoikern gehandhabt worden.
Von hier hat fie Philo entlehnt (S. 69); und wefentlich
durch feine Vermittelung ift fie zu den chriftlichen
Theologen gekommen. Directer ift der Einflufs der
griechifchen Bildung auf dem Gebiete der Rhetorik
(vierte Vorlefung, S. 86—115: Grcek and Christian Rhe-
toric). Während die chriftliche Verkündigung anfangs
,prophetifche' Rede war, hat fie unter dem Einflufs der
griechifchen Bildung den Charakter der kunftmäfsigen
Rede angenommen. Viel wichtiger ift freilich, dafs die
chriftliche Lehre felbft zu einer ,Philofophie' ausgeftaltet
und umgebildet wu rde (fünfte Vorlefung, S. 116—138:
Christianity and Grcek Philosophy). Sie ift in ein wiffenfchaft-
liches Syftem gebracht und dadurch dogmatifirt worden.
Auch hierin hat das helleniftifche Judenthum bereits ftark
vorgearbeitet. Eine fechfte Vorlefung(S. 139—170: Greek
and Christian Ethics) weift fpeciell den Einflufs der griechifchen
Philofophie auf dem Gebiete der ethifchen An-
fchauungen nach. Wefentlich auf diefe Einflüffe ift z. B.
der Zug zur Askefe und damit auch die Entftehung des
Mönchthums zurückzuführen. Am bedeutfamften und ftärk-
ften hat fich der Einflufs der griechifchen Philofophie
in der Theologie im engeren Sinne geltend gemacht,
d. h. in der Lehre von dem Wefen Gottes und feinem
Verhältnifs zur Welt. Diefem Thema ift die fiebente,
achte und neunte Vorlefung gewidmet (S. 171—282:
Grcek and Christian Theology). Den Einflufs auf dem
Gebiete des Cultus verfolgt die zehnte Vorlefung
(S. 283—309: The Influcncc of the Mysteries lipon Christian
Usages). Allgemeinere Betrachtungen find endlich in den
beiden letzten Vorlefungen angefleht. Die elfte (S. 310
—333: The lncorporation of Christian Ideas, as modified
by Greek, into a Body of Doctrine) erörtert, welchen Einflufs
die Einverleibung der durch das Griechenthum
modificirten Ideen in den Zufammenhang der chriftlichen
Lehre auf den Charakter diefer letzteren und damit auf
das Chriftenthum überhaupt ausgeübt habe. Sie hat ein
immer gröfseres Werthlegen auf die Lehre als folche zur
Folge gehabt, und damit eine Umbildung des Glaubensbegriffes
, in welchem das intellectuelle Moment nun
immer entfeheidender in den Vordergrund trat. Hiermit
hängt auch zufammen, dafs die Bafis der chriftlichen
Gemeinfchaft eine andere geworden ift (zwölfte Vorlefung
S. 334—353: The Transformation of the Basis of
Christian Union: Doctrine in the place of Condnct). Nicht
mehr der heilige Wandel und die gemeinfame Hoffnung
find das Band, welches die Chriftenheit zu einer Einheit
zufammenfchliefst, fondern die gemeinfame Lehre.

Von dem Reichthum der Einzelausführung konnte
diefe kurze Inhaltsangabe keine genügende Vorftellung
geben. Es find nicht blaffe Schemata, welche der Ver-
faffer vorführt; überall verfügt er über concrete An-
fchauungen, welche ihm entfliehen auf Grund umfaffend-
fter Kenntnifs des Details auf beiden Gebieten, dem der
antiken und dem der chriftlichen Geiftesgefchichte.
Seine Methode ift nicht conftruirend. Umfichtig geht
er den Thatfachen nach und gewinnt aus ihrer Beobachtung
feine allgemeinen Sätze. Diefe find daher auch
vorfichtig begrenzt und mannigfaltig gegliedert, bei aller
Weite des Ausblickes doch immer den Thatfachen an-
gepafst.

Leider ift es dem Verf. nicht vergönnt gewefen, das
Ganze felbft druckfertig zu geftalten. Nur die erften
acht Vorlefungen find noch von ihm ausgearbeitet; für
die übrigen vier lagen nur die formlofen Aufzeichnungen
vor, welche er fich für den mündlichen Vortrag gemacht
hatte. Es war die Aufgabe des Herausgebers, diefen
eine lesbare Form zu geben, worin er durch einen andern
Gelehrten, Bartlet, unterftützt wurde. Nach dem
Vorwort ift dies in folcher Weife gefchehen, dafs doch
möglichft des Verfaffers ipsissima verba beibehalten
wurden. Bei dem hohen Werthe, welchen Hatch's Vorlefungen
haben, gebührt den Herausgebern für ihre
felbftverleugnende Arbeit der wärmfte Dank.

Kiel. E. Schürer.

Paulson, Johs., Fragmentum vitae Sanctae Catharinae Ale-
xandrinensis metricum. e libro ms. edidit J. P. Lund,
Möller, 1891. (XXXI, 72 S. 8.)

Die vorliegende Publication eines Fragmentes einer
kürzeren metrifchen Bearbeitung des Lebens der hl.
Katharina von Alexandrien bietet eine Bereicherung des
von H. Knuft (Gefchichte der Legenden der hl. Katharina
u. f. w., Halle 1890) veröffentlichten Materiales. Inhaltlich
bringt das Fragment nichts Neues. Darum ent-
fpricht der Umfang der Publication durchaus nicht dem
Werthe. Die genauen metrifchen Erörterungen, fowie die
detaillirte Befchreibung der Handfchrift {sc. XIV imt.)
hätten wegbleiben können. Ebenfo der ausführliche Index
: 27 Seiten Text und dazu 40 Seiten Index excl. 4 SS.
eines Index grammaticus et metricus ift doch des Guten
zu viel. Ein einfacher Abdruck des Bruchftückes in einer
Zeitfchrift würde vollkommen genügt haben. Nach der Anficht
des Herausg. liegt in der Hf. das Concept desVerf.'s
diefer vita S. Catharinae Alexandrinensis (fo!) vor. Dazu
ftimmt aber nicht die Annahme einer Interpolation, als
welche fich die vv. 181—187 offenbar darftellen. Anderer-
feits fprechen die Correcturen der Handfchr. dafür. Ein
Löfungsverfuch diefer Schwierigkeit wird uns nicht mit-
getheilt. Anzuerkennen ift auf alle Fälle der Fleifs des
Herausg., der eines wichtigeren Gegenftandes würdig
gewefen wäre.

Berlin. E. Preufchen.

Luther's Tischreden aus den Jahren 1531 und 1532 nach
den Aufzeichnungen von Joh. Schlaginhaufen. Aus
einer Münchener Handfchrift hrsg. von Wilh. Preger.
Leipzig, Dörffling & Franke, 1888. (XXII, 146 S.
gr. 8.) M. 7. —

Ueber die Befchaffenheit und Unzuverläffigkeit der
nach dem Vorgange Walch's auch in die Erlanger Ausgabe
aufgenommenen, mehrfach auch feitdem befonders
herausgegebenen herkömmlichenTifchreden Luther's, wie
fie der als Prediger zu Erfurt 1575 verftorbene Johann
Aurifaber zuerft zufammenftellte, hat fich Ref. bereits in
diefer Literaturzeitung Jahrg. 1887, Nr. 8, bei Befprech-
ung des von Wrampelmeyer edirten Cordatus'fchen Tagebuchs
des Weiteren ausgefprochen, und mufs deshalb,
um nicht Gefagtes zu wiederholen, auch für die Anzeige
des vorliegenden Schlaginhaufen'fchen Tagebuchs darauf
verweifen.

Der Herausgeber läfst den aus den Jahren 1531 u.
1532 flammenden Aufzeichnungen eine gründliche, 31
Seiten umfaffende Einleitung vorausgehen, in welcher
er, neben dem auf Grundlage des Boffert'fchen Auf-
fatzes in der Zeitfchr. f. kirchl. Wiffenfch. u. kirchl. Leben
von Luthardt, 1887, 3456". bearbeiteten Leben Schlagin-
haufen's (S. VI—XII), dem er jedoch Manches theils berichtigend
, theils ergänzend hinzufügt, fich hauptfächlich
mit kritifchen Unterfuchungen feiner Handfchrift, fowie mit
dem Verhältnifs, in welchem Schlaginhaufen zu Cordatus
und zu dem noch nicht edirten Veit Dietrich fleht, be-
fchäftigt. Während Ref. letzteres Verhältnifs nicht nachprüfen
konnte, fo kann er mit dem von Preger gewonnenen
Refultat über das Verhältnifs zu Cordatus fich völlig
einverftanden erklären, wornach wir, foweit Beider
Aufzeichnungen fich decken, in Schlaginhaufen den genuineren
zu erblicken haben, deffen Notizen Cordatus benützt
, ausgefchrieben hat, aber mit mancherleiAuslaffungen,
Umfetzungen und Unrichtigkeiten (vgl. z. B. Nr. 63)!
Wenn auch Cordatus der Ruhm ungefchmälert bleibt,
der Erfte gewefen zu fein, welcher von 1531 an Luther's

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