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Ausgabe:

1891 Nr. 21

Spalte:

519-520

Autor/Hrsg.:

Stengel, Paul

Titel/Untertitel:

Griechische Kultusaltertümer (Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft) 1891

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Seite 1

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519 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 21. 520

die wörtliche Ueberfetzung von ybittl JXStt beizufügen;
zu S. 41 bemerken wir, dafs aus Lucä 4, 17 hervorgeht,
dafs Jefaia auf eine befondere Rolle gefchrieben war;
zu S. 113 möchten wir an die fcharffinnige Unterfuchung
von Kurtz, Aristeae epistula, Bern 1872 (das Verhältnifs
der beiden Berichte über den Urfprung der LXX betreffend
) erinnern; zu S. 185 ift nachzutragen, dafs der
Pentatenchus Samaritanus von Petermann-Völlers jetzt
vollendet ift (fasc. V. erfchien 1891, vergl. Theol. L.-Z.
Nr. 13); zu S. 241 möchten wir auf das merkwürdige
Beifpiel aus Beresch. rabba c. 65 zu Gen. 27, 19 auf-
merkfam machen: wo t"b%. li»2> "ObX fo abgetheilt
wird: ,ich bin es [nämlich Jakob etc., doch! Efau
ift dein Erftgeborener'. Es heifst dort vollftändig:

.Ttiaa iiay bsx nnrnn m»s> bnpb -pns> 133» 11b 'Vit

— Druckfehler: S. 84. 86 Machazor ft. Machzor (vgl.
S. 91, wo es richtig). S. 48 Einleitung im A. T. ft. in's
A. T. S. 36 Pirka ft. Pirke (S. 96 richtig). (S. 108, Z. 10
von unten: kommt ftatt kommen, S. 186 uulu ft. artlä
(= omlri). S. 42 Z. 12 von oben fehlt wohl ein Wort:
etwa (das) .Gefagte'. S. 136. 138 Svete ft. Swete. —
Sprachlich auffällig waren uns folgende Ausdrucksweifen
(Danismen?): S. 42 Z. 13 von oben: überführen ft. übertragen
, S. 46: etwas fpotten ft. verfpotten, S. 163: es
verfchaffte ihm Angriffe ft. es zog ihm Angriffe zu, S. 210.
211 die beiden Buxtorfer. — Doch Alles dies foll den
Dank nicht beeinträchtigen, den wir oben dem Verf. aus-
gefprochen haben.

Jena. C. Siegfried.

Stengel, Oberlehrer Dr. Paul, Griechische Kultusaltertümer
(Handbuch der klaffifchen Altertumswiffenfchaft
hrsg. von Dr. Iwan v. Müller, V. Bd. 3. Abtheilung
S. I —178 gr. 8.). München, Beck, 1890.

Es fteht mir nicht zu, ein wiffenfchaftliches Urtheil
über den vorftehenden Abrifs der griechifchen Cultus-
alterthümer abzugeben; aber meine Studien berühren
fich doch fo nahe mit den Stoffen, welche der Verf.
hier behandelt hat, dafs ich die Vorzüglichkeit diefer
fyftematifchen Darfteilung zu fchätzen vermag und
das Werk den theologilchen Fachgenoffen empfehlen
darf. Augenfcheinlich auf einer umfaffenden Kcnnt-
nifs des einfchlagenden Materials ruhend, ift es ausgezeichnet
durch Knappheit und Durchfichtigkeit der
Darfteilung und bietet zugleich überall Fingerzeige für
den, der die cultusgefchichtlichen Fragen eingehender
ftudiren will.

Wer die chriftliche Cultusgefchichte vom 2. bis 6.
Jahrh. verfolgt, empfängt durchweg den Eindruck eines
ungeheueren Einfluffes, welchen die griechifchen Culte
auf die Gottesdienfte der Kirche ausgeübt haben, mag
er nun auf die heiligen Zeiten, die heiligen Orte, die
Priefter, die Myfterien u. f. w. blicken. Demgegenüber ift
es für den Theologen von hohem Werthe, fich aus einem
Werke wie dem vorliegenden belehren zu laffen, welch'
einen ungeheueren cultifchen Apparat die Kirche doch
aufser Thätigkeit gefetzt und abgethan hat, ohne auch
nur eine Erinnerung an ihn in ihren eigenen Cultus auf-
zu nehmen. Da die Darftellung des Verf.'s eine fyfte-
matifche ift, fo ift allerdings nicht fofort deutlich, was
von dem hier Gefchilderten in der fpäteren Kaiferzeit —
ohne Zuthun der Kirche — bereits obfolet geworden
war und was erft durch die Wirkfamkeit der Kirche in
Wegfall gekommen ift. Aber für grofse Gruppen des
Rituals ift die Unterfchcidung fehr einfach, und der
Kirche bleibt jedenfalls ein fehr bedeutender Antheil,
zumal wenn man erwägt, dafs das ,Heidenthum1 kurz
vor feinem Untergang eine mächtige, keineswegs blofs
künftliche Reftaurationsepoche erlebt hat. Derfelbe ka-
tholifche Cultus, der uns, gemeffen am Neuen Teftament,
leicht wie ein heidnifcher Cultus erfcheint, ftellt fich uns

faft als ein reiner geiftiger Gottesdienft dar, wenn wir
! ihn auf die Folie des griechifchen Cultus fetzen.

Anziehender freilich und vielleicht auch belehrender
1 als die Feftftellung der ungeheueren Revolution, welche
das Chriftenthum im Cultus hervorgerufen hat, bleibt
: das Studium aller der Erfcheinungen, in denen fich die
I Umformung des Griechifchen in das Kirchliche darftellt.
Ich verweife in diefer Hinficht befonders auf die Ab-
fchnitte über die Priefter (S. 24 f.), die Mantik und die
1 Propheten (S. 37 f.), die Todtenopfer (S. 99 f.), die Reinigungen
und Sühnungen (S. 106 f.), die Myfterien (S.
115 f.) und die localen Fefte (S. 151 f.). Gern hätten
| wir uns vom Verf. noch ausführlicher über Menfchen-
t opfer, ihren Urfprung und ihren Sinn, belehren laffen
(S. 88 f.). Den gröfsten Dienft aber würde er uns leiften,
wenn er feiner fyftematifchen Darfteilung einen Abrifs
i der Cultusgefchichte mit befonderer Berückfichtigung der
1 Kaiferzeit folgen liefse. Die Philologen haben ein Recht,
j die claffifche Zeit der Antike zu dem Mittelpunkt zu
machen, auf den fie Alles beziehen; aber die Alterthumskunde
univerfalgefchichtlich behandeln heifst alle
Entwickelungen bis dorthin führen, wo fie entweder als
| völlig ausgelebt erfcheinen oder die neue chriftlich-by-
zantinifche Cultur mitbegründen.

I Berlin. A. Harnack."

j _

Hatch, Edwin, DD., The Influence of Greek Ideas and Usages
upon the Christian Church. Ed. by A. M. Fairbairn,
DD. London, Williams and Norgate, 1890. (XXIII,
359 S. gr. 8.) 10 s. 6 d.

Als Harnack in feiner Dogmengefchichte den Ein-
flufs des griechifchen Geiftes auf die Bildung des chrift-
lichen Dogma's nicht nur im Allgemeinen behauptete,
fondern im Einzelnen nachwies und dabei zeigte, wie
bedeutend diefer Einfiufs war, erfchien dies Manchen
als ein novum et inauditum, wogegen im Namen des
I chriftlichen Glaubens energifch Proteft zu erheben fei.
| Nur wenige Jahre find feitdem verftrichen; und fchon
kann man aus demfelben Lager Stimmen hören, welche
finden, dafs Harnack ja gar nichts Neues gefagt habe.
| Das feien ja alte Wahrheiten, die man längft gekannt
| habe. Die letztere Auffaffung, fo ungerecht fie ift,
kommt dem Richtigen immerhin näher als die erftere.
I Das Neue war nicht der Gedanke an fich, fondern die
Art der Durchführung. Genauer und energifcher, als es
bis dahin gefchehen war, hat Harnack. die längft beobachtete
und zweifellofe Thatfache im Einzelnen aufgezeigt
und ihre weittragende Bedeutung nachgewiefen. In noch
weiterem Umfange, als es im Rahmen einer Dogmen-
i gefchichte gefchehen konnte, wird dasfelbe Problem in
den hier anzuzeigenden Vorlefungen von Hatch behandelt
. Sie verfolgen den Einfiufs des griechifchen
, Geiftes nicht nur auf dem Gebiete der chriftlichen Theologie
, fondern auf allen Gebieten des geiftigen Lebens
der Kirche. Eine einleitende Vorlefung verbreitet fich
über das Problem an fich und die Methode derForfchung.
Eine zweite (S. 25—49: Greek Educatiori) zeigt, dafs das
griechifche Alterthum in den erften Jahrhunderten nach
Chr. fefte Formen der gelehrten Erziehung hatte: die
Gegenftände des Unterrichtes, die Einrichtung der Schulen
, die feciale Stellung des Lehrerftandes, alles war feft
geregelt. Wer überhaupt den gebildeten Ständen angehörte
, für den war es felbftverftändlich, dafs er durch
diefe Schulen ging. Wie hätten alfo die Chriften fich
diefen Einrichtungen und ihrem Einfiufs entziehen können
? Der Einfiufs zeigt fich, wie die dritte Vorlefung
darthut (S. 50—85: Greek and Christian Exegesis), fchon
in der wiffenfehaftlichen Behandlung der heiligen Texte.
Nicht erft Juden und Chriften haben die allegorifcht
Auslegung eingeführt. Sie fpielt in der griechifchen
I Philofophie fchon feit dem fünften Jahrhundert vor Chr.