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Ausgabe:

1891 Nr. 20

Spalte:

496-500

Titel/Untertitel:

Studia biblica et ecclesiastica 1891

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 20.

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rath erwähnt! In der Stelle 1, 21 (iv xij aorpiq x. D-eov
ovy. e'yvto 0 /.doii. diu xrtg oocpiag x. öenv) wird in ganz
unmöglicher, durch Wortftellung und Wortlaut gerichteter
Weife, und gerade als ftände xrjv x. lieov aocpiav
da, erklärt: Sie hätten mitteilt Weisheit (= vernünftigen 1
Denkens) Gott in feiner Weisheit erkennen follen! (I, ■,
p. 49fr.). Das sv oocpiq Dsov bedeutet vielmehr: unter,
vermöge der Weisheit (= weifen Veranftaltung) Gotte s.
Auch die Erklärung zu 6, 12 (ov nävxa aviifplgst), wonach
hier nicht die Rede fei vom Nutzen des Nächften
(wie in 10, 23), fondern von dem des handelnden Sub-
jectes felbft (I, p. 155), wird im Blick auf Context und
das Wort ,ovptq>eQ£iv' Ichwerlich Zuftimmung finden; eben

fowenig das merkwürdige Ergebnifs aus 7, 14 (sVret--j

xct x£y.vu fit.--viv — ayiä saxiv), dafs die hier I

gemeinten Kinder in Korinth ,die Taufe empfangen
haben' (I, p. 175). — Zu 6, 18 (aar auctoxriua, — —
iy.xng x. oo'juuxog eoxiv o de nOQVEvwv eig xo idiov
o. ctftctQxavei), welches nur, wenn auf die Goldwage
gelegt, eine ungenaue Behauptung enthält, fördert j
God. die wunderbare Auslegung zu Tage, es fei
bei dem id. owiia, ,gegen den der nogvevtov händigt
', der eigentliche oder innere Leib, der ,Leib im
Leibe' gemeint, d. i. der ,innere Organismus, der an
der Perfönlichkeit haftet und den äufseren Fleifchesleib
mit Leben erfüllt', während die übrigen Sünden nur
den äufseren Leib angehen. (I, p. 159). Aber geht denn
die Unzuchtsfünde den ,äufseren Leib' nichts an? Und
feit wann bedeutet s/.xog x. awu. ,nur am äufseren Leibe'?
In 8, 13 (pv uii (pc'r/iu y.oia v.xl.) liegt nicht ,eine Art
Gelübde des P., das er fein Leben lang zu halten bereit
ift' (II, p. 15), vor, fondern das ,ich' fteht im logifch-
argumentirenden Sinn, alfo nur hypothetifch. Energifch [
widerfprechen müffen wir auch der grundverkehrten, an
dem niemals (auch Kol. 1, 7; 3, 24; 1 Joh. 1, 5 nicht) im
Sinne der Unmittelbarkeit gefetzten (cf. Winer, N. Tl.
Gr. § 47) uxru fcheiternden Erklärung von naqeXaßov
und x. y.tolnv in Ii, 23 im Sinn einer explicirten und
unmittelbaren Mittheilung des erhöhten Chriftus über
die rechte Abendmahls-Feier (II, p. 90 h 95 f.). In höchft j
gezwungener Weife wird in dem ,Reden, Trachten
((pgovfiv) und Denken' in 13, 11 eine Anfpielung auf die
in 13,9—11 genannten Gaben der Gloffolalie, Prophetie
und Erkenntnifs gefunden (II, p. 143 f.). In 14, 16 werden
in unbegreiflich verkehrter Art die Worte: 0 avanXiißtHv
x. xbnov x. löuoxov gedeutet als ,die fämmtlichen Gemeindeglieder
, welche der Zungenredner durch fein
Sichvordrängen gleichfam nöthigt, die Rolle von Idiürai,
d. i. nur zuweilen dem Gottesdienft anwohnenden ,Frem-
den oder Halbfremden', alfo von „unverftändigen Zuhörern
" zu fpielen (II, p. 159—165). Zu 15, 22b (ßv x.
Xgtocifi nävxeg tioonoirpb-ipowai) leiftet God. folgende
(trotz grofser Autoritäten) von allen guten Geiftern ver-
laffene Erklärung: ,Kann man nicht auch von denen, die
zur Verdammnifs auferweckt werden (sc. im Sinn einer
Erneuerung ihrer gefammten geiftig-leiblichen Dafeins-
weife), fagen, dafs fie in Chrifto auferftehen'? Ift's ja
doch namentlich ihr Unglaube gegen den Herrn, der
ihnen das Gericht zuzieht' (II, p. 196 f.). Das nämliche
Urtheil müffen wir über die fchier unglaubliche Auslegung
von 15, 29 (oi ßanxtild/iievni vueq x. vbxqwv) im
Sinn von: ,die die Blut-Taufe des Märtyrertodes empfangen
, um in die Gemeinfchaft der Todten (d. i.
der feiig entfchlafenen Chriften) aufgenommen zu werden
und dadurch (!) zum Leben zu kommen' (II, p. 215 f.) fällen.
Jedes Wort der Kritik ift hier überflüfüg.

Keine Zierde des Buches find die (theilweife freilich
den Ueberfetzern zur Laft fallenden) äufserft zahlreichen
(wir notirten gegen 100) Druckfehler und insbesondere
falfchen Stellen-Angaben,die doppeltftören. Wem
wir die unglückliche ,Schwiegermutter' (I, p. 122 u. 123)
ftatt ,Stiefmutter' (in 5, 2) zu verdanken haben, dem Exe-
geten oder dem Ueberfetzer, mufs dahingeftellt bleiben.

Doch, wie viel wir auch im Einzelnen daran aus-
zufetzen hatten und noch ausfetzen könnten, und wie
wenig wir auch mit des Autors textkritifchem Standpunkt
uns befreunden konnten — im Ganzen genommen
bleibt Godet's Commentar eine durch Gelehr-
famkeit, Geift und fchöne Darfteilung ausgezeichnete
Leiftung, die eine wirkliche Bereicherung unferer exe-
getifchen Literatur bezeichnet und auch neben der fo
bedeutenden ,Erklärung der Korinthierbriefe' von Hein-
rici eine felbftändige und ehrenvolle Stellung einnimmt.
Ref., der felbft viel Anregung von dem Buch empfangen
hat, kann dasfelbe allen Theologen, insbefondere auch
den theologifchen Studenten, nur warm empfehlen und
verbindet damit den Wunfeh, es möchte dem Herrn Ver-
faffer gefallen, auch den 2. Brief an die Korinther in fo
tüchtiger und anfprechender Weife zu commentiren.

Friedberg i/Heff. Wilh. Weiffenbach.

Studia biblica et ecclesiastica. Essays chiefly in biblical
and patristic criticism by members of the University
of Oxford. Vol. II. and III. Oxford, at the Clarendon
Press, 1890. 1891. (VIII, 324 S. m. I Lichtdr. u. VIII,
325 S. m. 3 Fcms. gr. 8.) geb.

Diefe Sammlung von gelehrten Beiträgen zur bib-
lifchen und patriftifchen Wiffenfchaft erfcheint in zwang-
lofer Folge, je nach Mafsgabe des vorhandenen Stoffes,
unter Leitung der Oxforder Profefforen Driver, Cheyne
und Sanday. Ueber den erften, 1885 erfchienenen Band
ift in der Theol. Litztg. 1885, 578 berichtet worden.
Nach längerer Paufe find jetzt rafch hintereinander ein
zweiter und dritter Band gefolgt. Faft fämmtliche Beiträge
find gelehrte Specialarbeiten von hervorragendem
wiffenfehaftlichem Werthe. Bei der Mannigfaltigkeit der
Stoffe und bei der Gründlichkeit, mit welcher die fub-
tilften Einzelfragen behandelt werden, entziehen Geh die
Arbeiten der Beurtheilung durch einen Referenten.
Faft jede würde für Geh einen Fachmann als Kritiker
erfordern. Die Anzeige mufs Geh daher auf kurze Mittheilung
des Inhaltes befchränken.

1. Den zweiten Band eröffnet eine Abhandlung von
Neubauer, The Authorsldp and the Titles of'the Psalms
aecording to carly Jewish authorities (p. 1—58). Sie ftellt,
nach gedruckten und handfehriftlichen Quellen, die Anflehten
jüdifcher Autoritäten über Verfaffer, Veranlaffung
und Zweck einzelner Pfalmen zufammen, mit den griechi-
fchen Ueberfetzern und dem Targum beginnend und
bis Immanuel ben Salomo von Rom, einen Zeitgenoffcn
und Freund Dante's, fortfehreitend. Die behandelten
Pfalmen find Pf. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 16, 22, 32, 33, 38,

39, 42, 45, 46, 53, 56, 57, 60, 69, 70, 75, 77, 80, 81, 87,
88, 89, 90, 92, 103, 120, 127.

2. Woods, The Origin and Mutual Relation of the
Synoptic Gospels (p. 59—104), kann fein Thema auf diefem
Räume felbffverftändlich nicht erfchöpfen. Er fucht
namentlich zu zeigen, dafs in der Reihenfolge der Peri-
kopen Geh Marcus durchweg als der urfprüngliche er-
weife. Das Refultat wird S. 94 fo zufammengefafst:
,Es giebt einige unwichtige Stellen, wo es nicht unwahr-
fcheinlich, aber doch keineswegs gewifs ift, dafs Marcus
die ältere Tradition modiGcirt hat; nur eine, wo es
ziemlich gewiefs ift, nämlich die Auslaffung von
Matth. 3, 7—10 u. 12; und es giebt Gründe zu der
Annahme, dafs Marcus urfprünglich das enthielt, was
Matth. 28, 9—10 u. 16—20 entfpricht. Wir fchliefsen
alfo, dafs die gemeinfame Tradition, auf welcher
alle drei Synoptiker ruhen, wefentlich unfer Marcus ift,
fofern es Geh um Stoff, allgemeine Form und Reihenfolge
handelt. Ob wir weiter gehen können und fagen,
dafs dies auch in Betreff der Sprache und der geringeren
Einzelheiten gelte, ift eine weitere Frage, welche wir nicht
zu entfeheiden verfucht haben'. Ref. ift freilich der