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Ausgabe:

1891 Nr. 19

Spalte:

480-481

Autor/Hrsg.:

Vinet, Alex.

Titel/Untertitel:

Ausgewählte Predigten und Reden 1891

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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479

Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 19.

480

fprochen. Halle aS., Strien, 1891. (IV, 124 S. gr. 8.)
M. 2. 40.

Der Verf. hat fich ein umfaffenderes Thema gewählt
und es eingehender und mit ausgebreiteterer Literatur-
kenntnifs behandelt, als der altkatholifche Profeffor Th.
Weber in der 1872 erfchienenen Schrift ,der Gehorfam
in der Gefellfchaft Jefu, urkundlich dargeftellt1 (55 S.),
die bisher die befte über diefen Gegenftand war. Er
giebt im 1. Capitel eine forgfälltige Zufammenftellung
deffen, was der Brief des Ignatius von Loyola von 1553
,über die Tugend des Gehorfams', die Conftitutionen der
Gefellfchaft Jefu und die anderen in dem offlciellen In-
stitutum Societatis von 1757 enthaltenen Vorfchriften, die
Imago primi saeculi und die im Orden hoch gefchätzten
und viel gebrauchten ascetifchen Schriften der Patres
Alphons Rodriguez und Aloys Bellecius über den Gehorfam
lehren: Der Jefuitenorden darf fich hinfichtlich der
ftrengen Lebensweife von anderen Orden übertreffen
laffen, feine Mitglieder müffen fich aber durch vollkommenen
Gehorfam und Verleugnung des eigenen Willens
und Urtheils auszeichnen. Der Jefuit foll feinen Oberen,—
der niedere Obere den höheren, der höhere den General — als
Stellvetreter Chrifti anfehen und nicht nur alle Befehledes-
felben unweigerlich ausführen, fondern auch fich bemühen,
innerlich feinen Willen und fein Urtheil dem, was der Obere
will und meint, durchaus gleichförmig zu machen, und fein
entgegengefetztes Denken und Urtheilen mit blindem
Gehorfam zu verleugnen, und zwar bei allem, was von
dem Oberen angeordnet wird, falls nicht mit Sicherheit
angenommen werden kann, dafs es fich um eine Sünde
handelt. Er mufs fich von feinem Oberen leiten und lenken
laffen, als wenn er ein Leichnam wäre oder der
Stab eines Greifes, der fich von dem, der ihn trägt, wo
immer und wie immer diefer will, gebrauchen läfst. —
Im 2. Capitel zeigt der Verf., in welchem Gegenfatze
diefe Lehre, die er S. 46 als ,eine Anleitung zum mo-
ralifchen Selbftmord' bezeichnt, zu den Grundfätzen der
natürlichen und der chriftlichen Sittlichkeit fleht. Nachdem
er dann in dem 3. Capitel kurz nachgewiefen hat,
wie fich mit dem, was Ignatius zur Grundlage feines Ordens
gemacht hat, ,die Loslöfung des katholifchen Unfehlbarkeitsprinzips
von feiten, gefchichtlich gegebenen
Normen und die Hinüberfpielung defselben auf das rein
perfönliche Gebiet vollzieht', zeigt er im 4. Capitel ausführlich
, wie die jefuitifchen Principien in der römifch-
katholifchen Kirche Verbreitung gefunden haben und
durch das vaticanifche Concil von 1870 und das, was
damit zufammenhängt, in ihr zum Siege gelangt und auf
dem Gebiete des religiös-fittlichen Lebens und der Wif-
fenfchaft wirkfam geworden find. ,Was der Jefuiten-
general für den Orden, das ift jetzt der Papft für die
katholifche Kirche' (S. 67). ,Die katholifche Kirche ift
principiell und officiell durch das Vaticanum jefuitifirt'
(S. 75). Namentlich in diefem letzten Capitel bekundet
der Verf. eine fo ausgedehnte Bekanntfchaft mit der
neueren katholifchen Literatur und eine fo richtige Würdigung
derfelben, wie man fie bei Schriftftellern evange-
fcher Confeffion fonft leider feiten findet. Ohne zu allen
Ausführungen des Buches meine Zuftimmung erklären
zu wollen, bezeichne ich es unbedenklich als eine der
beften, gründlichften und lefenswertheften Schriften, die
durch den Jefuitenftreit veranlafst worden find.

Zur Vervollftändigung deffen, was S. 63 über Ignatius
von Loyola gefagt wird, verweife ich auf den Ab-
fchnitt über feine Canonifation in der von Döllinger und
mir beforgten Ausgabe der Selbftbiographie Bcllarmin's,
befonders S. 327. Dort wird S. 332 auch über den Wi-
derfpruch berichtet, den fein Brief über den Gehorfam
anfangs bei der fpanifchen und römifchen Inquifition
fand. Neben den Büchern von Rodriguez und Bellecius
hätte auch das von J. Cofta Roffetti (Th. L.-Z. 1888,
254; Moralftreitigkeiten S. 627) benutzt werden können.

— Unrichtig ift die Bemerkung S. 41: Der Jefuiten-Gene-
ral fei ,nicht einmal an fefte Ordensregeln gebunden; es
liege ftatutenmäfsig in feinem fouveränen Belieben, die
Conftitutionen nach Zeit und Umftänden zu ändern, ohne
dafs eine päpftliche Beftätigung eingeholt werden müfste'.
Die dabei citirte Bulle Pauls III. vom 14. März 1543
giebt die Erlaubnifs, die Conftitutionen feftzufetzen und
nach Umftänden zu ändern, ,dem Ignatius und feinen Genoffen
', alfo dem Orden. Aenderungen der einmal feft-
gefetzten Conftitutionen konnten nur von der General-
congregation befchloffen werden. Der General hatte nur,
wie der Verf. weiter erwähnt, die Befugnifs, einzelne von
der Beobachtung einzelner Regeln zu dispenfiren. — Der
S. 77 erwähnte Johannes Sanchez war kein Jefuit, fondern
ein fpanifcher Weltgeiftlicher; der Jefuit heifst Thomas
Sanchez. — ,Verleumdungen' S. 17 ift eine unrichtige
Ueberfetzung von invectivac, womit das unmittelbar vorher
erwähnte Tadeln der Decrete, Gebote u. f. w. der
Oberen gemeint ift. Beatus Pater als Bezeichnung des
Ignatius ift einfach ,feliger Vater', nicht .feligfter' oder gar
,allerfeligfter Vater' (V. 12. 15) zu überfetzen. — Ich
finde es nicht fchön, dafs in einem mit deutfchen Lettern
gedruckten Buche viele Eigennamen mit lateinifchen
Lettern gedruckt find.

Bonn. F. H. Reufch.

Cracau, Pult. C, Die Liturgie des heil. Johannes Chrysosto-

mus mit Ueberfetzung und Kommentar. Gütersloh,
Bertelsmann, 1890. (IV, 140 S. gr. 8.) M. 2. 80.

Der Verfuch des Verfaffers, das Studium der alten
Liturgien den theologifchen Kreifen zugänglicher und
leichter zu machen durch Herausgabe derfelben in billiger
Ausgabe mit deutfcher Ueberfetzung und Commen-
tar ift ein verdienftlicher. Denn nicht blofs der Preis der
betreffenden Bücher, auch die für die Mehrzahl vorhandene
Schwierigkeit der liturgifchen Sprache, bezw. die
Unkenntnifs der äufseren Dinge, der Cermonien, der
technifchen Bezeichnungen u. f. f. fchreckt viele, die fich
fonft gerne mit liturgifchen Dingen befchäftigen, vom
Studium der Quellen ab, das doch zum wirklichen Ver-
ftändnifs der Gefchichte des Gottesdienftes unentbehrlich
ifb. Dafs der Verf. zunächft die Liturgie gewählt
hat, die den Namen des Chryfoftomus trägt, ift deshalb
zu billigen, weil diefe Liturgie die in der Kirche griechi-
fcher Zunge am meiften gebrauchte ift und mit vielen
Beftandtheilen auf die neue preufsifche Agende eingewirkt
hat, ja in derfelben fortlebt. Der Verf. giebt eine
treue Ueberfetzung, die wir auch recht lesbar finden, ob-
fchon fie den Schwung der griechifchen Sprache natur-
gemäfs nicht überall erreicht. Der Commentar ift unter
fleifsiger Benützung der einfchlägigen Quellen gearbeitet.
Eine kurze Orientirung über das Aeufsere des griechifchen
Gottesdienftes geht voraus. Möchte das Buch in
den Seminarien für Theologen nun auch fleifsig gebraucht
werden. Bei diefer Gelegenheit fei noch kurz auf ein
bequemes Hilfsmittel hingewiefen, deffen fich die Freunde
liturgifchen Studiums gerne bedienen werden, da es
einem viel Zeit erfpart. Es ift das Buch des Alexios
Maltzew, welches die Liturgien des Chryfoftomus, Bafi-
lius und Gregorius Dialogus in deutfchem und flavi-
fchem Texte (nebeneinandergeftellt) enthält (Berlin, 1890).

Darmftadt. H. A. Köftlin.

Vinet, Alex., Ausgewählte Predigten und Reden. Mit einer
einleitenden Monographie in deutfcher Ueberfetzung
hrsg. von Paft. Dr. Alexis Schumann. [Die Predigt
der Kirche, 12. Bd.] Leipzig, Fr. Richter, 1890. (XXIV,
145 S. 8.) geb. M. 1. 60.

Referent hat hier nicht ein Urtheil über die Idee
des ganzen Unternehmens diefer Sammlung abzugeben,