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Ausgabe:

1891 Nr. 19

Spalte:

467-471

Autor/Hrsg.:

Wendland, Paul

Titel/Untertitel:

Neu entdeckte Fragmente Philos, nebst einer Untersuchung über die ursprüngliche Gestalt der Schrift De sacrificiis Abelis et Caini 1891

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 19.

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füllung gefunden? — Ueberkünftlich erfcheint uns die
Exegefe von der füfsfchmeckenden Rolle (S. 236): Die-
felbe fei mit Jahve's Klagen befchrieben gewefen und
darum fei es dem Propheten füfs gewefen, zu fehen, wie
fehr Jahve über das Unglück feines Volkes Schmerz
empfinde. — Das Verbot der Rabbinen bezog fich nicht
auf die Erklärung von c. 40—48 (S. 114 f.), fondern auf
reOTB MtUna (die Deutung des göttlichen Thronwagens
in c. I u. 10). — S. 316 nennt der Verf. das Jerufalem
zur Zeit Hiskia's ,eine dem Willen Gottes ergebene
Stadt'. Der Prophet Jefaia war anderer Anficht 22, I ff.
30, 1. — Es foll nicht verschwiegen werden, dafs daneben
auch manche finnvolle und fchöne Ausführung fich findet
wie S. 79 ff. über das nicht blofs fchriftftellerifche,
fondern auch unmittelbar perfönliche Wirken des Propheten
, S. 110 f. über die Bedeutung der Erfcheinung
des Thronwagens u. a., aber der Unterz. empfand es
als Gefchmacksverletzung, wenn faft überall der Prophet
und fein Wirken vom Boden der Gefchichte abgelöft
und in den Dunftkreis einer modernen Theologie verfetzt
wurden.

Jena. C. Siegfried.

Wendland, Paul, Neu entdeckte Fragmente Philos, nebft
einer Unterfuchung über die urfprüngliche Geflalt der
Schrift De sacrificiis Abelis et Caini. Berlin, G-
Reimer, 1891. (XI, 152 S. gr. 8.) M. 5. —

Eine überrafchend reiche Gabe! Wer hätte geglaubt,
dafs nach den Forfchungen von Mai, Tifchendorf, Pitra und
Harris in europäifchen Bibliotheken noch nennenswerthe
Fragmente Philo's zu finden fein würden? Solche werden
uns aber von Wendland hier geboten; ja wir werden
durch ihn belehrt, dafs ein umfangreiches Material
zur Reconftruction philonifcher Werke längft gedruckt
und nur nicht als philonifch erkannt worden ift.

Wendland hat im Verein mit Leop. Cohn die grofse
Aufgabe einer Gefammt-Ausgabe Philo's in Angriff genommen
. Faft ein Jahr (November 1889 bis Augufr.
1890) hat er der Durchforfchung der italienifchen Bibliotheken
für diefen Zweck gewidmet. Die Vorrede der
vorliegenden Schrift macht uns die erfreuliche Mittheilung
, dafs das Material für die neue Ausgabe ,zum grö-
fseren Theile bereits zufammengebracht ift', dafs alfo gegründete
Ausficht zur Verwirklichung des Planes in ab-
lehbarer Zeit vorhanden ift. In der vorliegenden Publi-
cation hat er nun von dem bisherigen Ertrag feiner Studien
die Sahne abgefchöpft, das Intereffantefte undWich-
tigfte unter eingehender Begründung mitgetheilt. Es find
fechs einzelne Studien, die uns geboten werden.

1. Ein neu entdeckter Theil der Schrift De
victimis (S. 1—14). Dafs der Text diefes Tractates,
wie er bisher gedruckt wurde (bei Mangey II, 237—250),
eine Lücke enthält, hätte eigentlich bei aufmerkfamer
Leetüre fchon bemerkt werden müffen. Philo will
hier von den verfchiedenen Arten der Opfer handeln
und unterfcheidet zunächft zwifchen den öffentlichen und
den Privatopfern. Von den öffentlichen wolle er zuerft
handeln ($ 3: Xe/.riov ycgozsgov negi TLÖV v.otvbbv). Die
vorläufige Aufzählung derfelben lautet: ai iiiv yug dva-
yovzai xaO c/.uazrßi r^itgcn; ai de ralg tßdopaic, ai de1)
vovi-irjviatg y.ai leqoixinviaig, ui de rrjazeiaig, tu de zgioi
y.aigolg eoQZWV. Statt einer Ausführung diefes Themas
folgt aber (bis zum Ende von § 3) nur eine Befchrei-
bung der täglichen und der fabbathlichen Opfer. Dann
geht die Darflellung plötzlich in *j 4 zu einem ganz anderen
Thema über, nämlich zu dem Unterfchied von
Brand-, Heils- und Sündopfern (zb fiiv oloxavzav, zb de
0(azrQiov, zb de zreot ctiiugziag), der fowohl für die öffent-

l) Die Worte hßööuiuiq al 61 find in der Richter'fchen Ausgabe
durch ein Verfehen ausgefallen.

liehen als für die Privatopfer gilt. Es fehlt alfo die Ausführung
über die Opfer für Neumond, Neujahr, Verföh-
nungstag, Paffa, Pfingften und Laubhütten. Eben diefes
fehlende Stück hat nun Wendland in einer Florentiner
Handfchrift entdeckt, die längft bekannt und eklektifch
benützt, aber niemals genau collationirt worden ift
(Laur. LXXXV, 10). Die Ausführung Philo's, wie wir
fie bei Wendland S. 8 — 14 lefen, fchliefst fich genau an
Num. 28—29 an i nur hebt Philo überall feiner Gewohnheit
gemäfs den tieferen Sinn der gefetzlichen Vorfchrif-
ten hervor. Beim Pfingftfeft unterläfst er nicht, auch die
Darbringung der Brode {yugiazxgia) und der beiden
Lämmer nach Lev. 23, 17—20 zu erwähnen. In betreff
beider hebt er richtig hervor, dafs fie ,gewoben' werden
(iivio regbg ovgavbv uvazeiravzeg) und den Prieftern gehören
tig 'itgruiQSTraaidzijv Evioyiav. Auch beim Verföh-
nungstag verbindet er die Vorfchriften Lev. 16 mit denen
von Num. 29. Der merkwürdige Umftand, dafs das
I Stück nur in jener einen, fehr jungen Handfchrift erhal-
I ten ift, giebt Wendland Veranlaffung, ihr Verhältnifs zu
den übrigen Handfchriften zu erörtern und ihren felb-
ftändigen Werth feftzuftellen (S. 2—6).

2. Die Reite von flegi id'drfi ß' (S. 15—28). Von
den beiden Büchern über die Trunkenheit, welche Eufe-
bius erwähnt, ift das eine verloren gegangen, und zwar
nicht, wie Referent früher angenommen hatte, das erfte,
fondern wie Maffebieau überzeugend dargethan hat, das
zweite (f. Theol. Litztg. 1891, 93). Diefer Anficht fchliefst
fich auch Wendland an, und es ift ihm gelungen, noch
einige Fragmente des verlorenen Buches zu entdecken in
dem fogenannten Florilegium des Leontius und Johannes
, aus welchem Mai, Scriptorum vetenim nova collcc-
tio VII, 1, 74—109, zahlreiche Fragmente Philo's mitgetheilt
hat. Mai hat nämlich alle diejenigen Fragmente
des Florilegiums übergangen, von welchen er auf Grund
der Einführungsformel annahm, dafs fie aus einer uns

I erhaltenen Schrift Philo's flammen. So hat er die Citate aus
Tlegi fiiörjg uns vorenthalten, die nun erft durch W. an's
Licht gezogen werden. W. verbindet damit auch einige
| Mittheilungen aus dem jetzt der königlichen Bibliothek
zu Berlin gehörigen codex Rupefucaldinus und giebt über-
! haupt eine Ueberficht über die verfchiedenen Recenfionen
I der fog. Sacra parallela des Johannes Damafcenus, welche
fämmtlich für die Philo-Kritik von Wichtigkeit find (S.
| 18—20). Noch nicht berückfichtigt ift hierbei eine Hand-
{ fchrift von Athen, cod. Athen. 32, welche Krumbacher,
Gefchichte der byzantin. Litteratur 1891, S. 174 erwähnt
[ (mit Berufung auf J. Sakkelion, JtXzinv zitg tozog. xert
itrvokoy. hatgiag zrjg 'EXlddng 2, 1885—89, S. 681—685).
| Da fie ,eine von den bekannten Texten abweichende Re-
! daktion der Parallelen' enthalten foll, fo wird W. fie
i hoffentlich für feine Philo-Ausgabe noch heranziehen ').

3. Die umfangreichfte Studie ift die über Philo und
Procopius von Gaza (S. 29—105). Einer Spur folgend
, die fchon Harris bemerkt, aber nicht weiter verfolgt
hat, hat Wendland gefunden, dafs in dem Com-

1) In Betreff des cod. Ruptf, kann ich ein paar kleine Nachträge
geben, da ich die Handfchrift felbft im Februar diefes Jahres in Bezug
auf Philo-Fragmente durchgefehen habe. Wendland giebt für das von
ihm S. 20 mitgetheilte Fragment aus Rupef. fol. 73 V die Einführungsformel
zov uvxov ncgl ziifrog 7ig(5zoq. Die Handfchrift hat ftatt ngiöxoq
nur eine Ziffer, und ich glaube darin nicht zu irren, dafs diefelbe ß zu lefen
I ift (die Form des a ift in der Handfchrift anders). Freilich wäre u
] die richtige Lesart. — Das von Wendland S. 25 mitgetheilte Fragment
I aus Rupef. 277 r (nicht 276 v) fleht aufserdem auch fol. 142 v, wo es fol-
| gendermafsen beginnt: zov avzox' öevxtgov rüiv fretoxv äuigiwy Ixct-
vbq oidtlq ywgTtaai zb axp&ovov nbr)&oq. Das finnlofe öevxegov
' dürfte ein Reft der urfprünglichen Einführungsformel ix zov negl ptD-ng
1 ß" fein (ebendafelbft finden fich zum Text die Varianten dvaßbvtoitui
! und dtxtollac). — Ueberfehen fcheint bei Wendland das fchon bei Harris
S. 109 mitgetheilte Fragment Rupef. 72 V- ix zov ne g i( it tr>z/c ß"
xs<pa'. äbri&tia ioziv rj zu zwv avveoxiuo/iivyoy ngayßazwv uva-
xabvnzr/gia äyovou bivaixtg. ix zov avzov' äXrßstu uvxagxt'oxccxoq
i'naivog. Das Fragment pafst gut zu Erörterungen über die yvpivoxriq,
welche nach Maffebieau's Nachweifungen das zweite Buch enthalten
haben mufs.