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Ausgabe:

1891 Nr. 18

Spalte:

458-459

Autor/Hrsg.:

Bärthold, A.

Titel/Untertitel:

Die Frömmigkeit in den Geschichten des Alten Testaments 1891

Rezensent:

Kühn, Bernhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 18.

45«

Predigers, des gemüthreichen, feurigen, begeifterten j
Dichters'.

Nr. 2 verfolgt eine andere Abficht. Der Verf.,
während der letzten zehn Jahre Gerok's Amtsgenoffe
und fchon früher mehrfach mit ihm in Berührung getreten
, giebt hier die perfönlichen Eindrücke wieder, die !
er von ihm empfangen. In zwanglofer Weife find die
einzelnen Erinnerungen aneinander gereiht, ohne dafs ]
ein beftimmter Faden erkennbar wäre. Es find meift
kleine Züge, kurze charakteriftifche Worte und Bemerkungen
Gerok's, gelegentliche briefliche Aeufserungen,
Schilderungen feiner äufseren Lebensgewohnheiten, die
hier zufammengetragen find. Aber gerade aus diefen
mannigfaltigen kleinen Zügen gewinnt der Lefer eine
äufserft lebendige Anfchauung. Wenn der Verf. am
Schluffe gemeint hat, fich entfchuldigen zu müffen, dafs
er ,fo viel Aeufserliches, Kleinliches über Gerok geboten
, fo wenig Einblick in feine Gedankenwerkftatt,
Mittheilung aus feinem inneren Leben und Werden', fo 1
hätte es diefer Entfchuldigung nicht bedurft. Nicht blofs
allen Verehrern des Dichters werden diefe kleinen Züge
fehr willkommen fein ; fie bieten auch feinem künftigen
Biographen ein fchätzenswerthes Material. Die als Anhang
hinzugefügte Leichenrede des Verf.'s an Gerok's
Grabe fowie einige poetifche Glückwünfche desfelben
an feinen Collegen und ein tief empfundenes Gedicht j
,Frühlingsheimweh im Mai 1890' bekunden, dafs die in
dem Buche gelegentlich erwähnte fcherzhafte Verwechfe-
lung des Verf.'s mit Gerok allenfalls entfchuldbar war.

Nr. 3 endlich führt uns in die Geifteswerkftatt
Gerok's felber hinein. Das Buch enthält eine Sammlung
geiftlicher Amtsreden, deren Herausgabe kurz vor
feinem Tode von Gerok felber noch geplant war und
nun durch feinen Sohn befchafft worden ift. Es war
ein glücklicher Gedanke, auf diefe Weife einen Ueber-
blick über die gefammte geiftliche Wirkfamkeit Gerok's
zu geben. Schon die Ueberfchriften der einzelnen Ab-
fchnitte geben ein deutliches Bild von der Vielfcitigkeit
feines Wirkens. Unter der Rubrik: ,Für's Haus' find
Tauf-, Confirmations-, Trauungs- und Grabreden zufam-
mengeftellt. Ein zweiter Abfchnitt ,Für die Gemeinde'
umfafst Einweihungsreden, Inveftiturreden, Beichtreden
und Zeitpredigten bei befonderen Veranlaffungen, z. B.
beim Tode Kaifer Friedrich's oder beim Regierungsjubiläum
König Karl's von Württemberg. Im letzten
Abfchnitte endlich,Für Werke der Liebe' find Anfprachen
enthalten, die die verfchiedenartigften Gebiete der inneren
Miffion berühren. Was die Predigten Gerok's cha-
rakterifirt, das tritt auch an diefen Amtsreden hervor:
klare Gliederung der Gedanken, plaftifche Anfchaulich-
keit des Ausdrucks und grofse Wärme der Empfindung.
Auch hier ift es meiftens ,der herzliche Hirtenton, der
Ton der Eichenden, einladenden, warnenden, tröftenden
Liebe', der aus diefen Reden herausklingt. Dafs ihm
aber auch der Ton des tiefften, Bufse weckenden Ernftes
zu Gebote ftand, davon legt unter anderen die Rede
am Grabe eines Erfchlagenen (S. 72) Zeugnifs ab, die
in ihrer grofsartigen Einfachheit als ein feelforgerifches
Meifterftück bezeichnet werden kann. Auf den unendlich
mannigfaltigen Inhalt der einzelnen Reden weiter
einzugehen, geftattet hier der Raum nicht. Sie bieten
nicht blofs den Amtsgenoffen des Verf.'s werthvolle
homiletifche Vorbilder, fondern zugleich einen wichtigen
Beitrag zum Verftändnifs der Wirkfamkeit Gerok's und
feiner inneren Entwicklung, um fo mehr, da das Jahr,
in welchem die Rede gehalten wurde, überall beigefügt ift.

Lübeck. H. Lindenberg.

Ohly, Paftor C., Emil Ohly. Ein Lebensbild aus der
naffauifchen und rheinifchen Kirche, dargeftellt von
feinem Sohne. Herborn, Buchhandlg. d. Nafsauifchen

ColportageVereins, 1891. (III, 339 S. m. Bild. 8.)
M. 2. —; geb. M. 2. 80.

Es ift kein Zweifel, dafs diefes biographifche Denkmal
, welches der Sohn dem Vater dankerfüllt errichtet
hat, aufser für die Lefer des Naffauifchen Colpotage-
vereins, den Emil Ohly mitbegründet hat, auch für weitere
Kreife eine Bedeutung erlangen und deren theilnehmende
Betrachtung hervorrufen kann. Es ift nicht blofs der
Flntwickelungsgang eines gefegneten Spröfslings aus ge-
fegneter Paftorenfamilie, eines namhaften Predigers und
allezeit bereiten Vorarbeiters auf vielen Gebieten chrift-
licher Glaubens- und Liebesarbeit, der hier vor Augen
geführt wird; auch diefes Lebensbild ift wie alle ähnlichen,
die überhaupt werth waren gefchrieben zu werden, zugleich
ein Bild der zeit- und kirchengefchichtlichen Er-
eignifse, foweit fie auf das gefchilderte Leben von Ein-
flufs waren. Da der Herausgeber die Quellen in des
Vaters Briefen, Predigten und Zeitungsartikeln nach Möglichkeit
felber reden läfst, fo fpiegeln fich die ver-
fchiedenen Epochen, die Unruhen des Revolutionsjahres
1848, die letzten Kämpfe des erfterbenden Rationalismus,
die Schwierigkeiten des Uebergangs aus der naffauifchen
Selbftändigkeit in die Zugehörigkeit zu der Grofsmacht
Preufsen mit ihren einfehneidenden Folgen auf kirchlichem
Gebiete, die Kriegsnöthe und Siegestriumphe der deutfehen
Heere, denen Ohly als La/.arethprediger nach Frankreich
folgen durfte, endlich die eigenthümlichen Lebensregungen
der rheinifchen lutherifchen Kirchein den Schilderungen
des Lebens und Wirkens auf den einzelnen Be-
rufsftationen unmittelbar wieder. Deshalb ift dem Buche
eine allgemein kirchliche Bedeutung nicht abzufprechen,
wenn fich auch, wie das fchliefslich wohl immer der Fall
ift bei ähnlichen Werken, über Quantität nnd Qualität
der ausgewählten Quellenftücke ftreiten läfst. Das eine
oder das andere derfelben hätten wir von unferem Standpunkte
aus wohl entbehren können; doch verkennen wir
nicht, dafs gerade folche Einzelmittheilungen dort in der
Provinz und im Thale der Dill mit befonderer Spannung
entgegengenommen werden dürften, und dann behält der
Herausgeber wieder Recht mit Rückficht auf den Verein,
dem die Veröffentlichung zunächft dienen follte. Dagegen
hätten wir die .Antwort mit Hörnern und Zähnen'
(S. 127), die Ohly auf die ironifche Ernennung zum
Ehrenmitgliede eines Turnvereins gegeben hat, gern
wörtlich gelefen, wenn fie noch vorhanden war.

Dresden. Dr. phil. B. Kühn.

Bärthold, A., Die Frömmigkeit in den Geschichten des Alten
Testaments. Gütersloh, Bertelsmann, 1891. (III, 112 S.
8.) M. 1. 50; geb. M. 2. —

Der Titel des Buches könnte leicht irre führen,
denn es handelt fich darin nicht um eine biblifche oder
dogmatifche Entwickelung des Begriffs der Frömmigkeit
, wie er in den Gefchichten des Alten Teftamentes vorliegt
, fondern nur um den Nachweis, wie die Frömmigkeit
wefentlich im Sinne der Hingabe an den Gott der
Verheifsungen bei den gröfsten Glaubenshelden des alten
Bundes fich begründet, geftaltet und vollendet. So finden
wir, abgefehen von einer ganz kurzen einleitenden
Hinweifung auf die Urzeit, eine Reihe von Charakterzeichnungen
, die fich auf einzelne Männer und zwar in der
Regel nur auf diefe erftrecken, nämlich auf Abraham,
Ifaak, Ifrael, Jofeph und David. Niemand wird zweifeln,
dafs der Verfaffer in diefen Perfönlichkeiten hervorragende
Vertreter vormeffianifcher Gottesgemeinfchaft
gefunden und herausgegriffen hat; aber Viele werden fich
wundern, das ganze Zeitalter der Prophetie völlig unbe-
rückfichtigt zu fehen. Die Schilderungen zeigen ein
feines pfychologifches Verftändnifs und bieten neue Ge-
fichtspunkte und überrafchende Beobachtungen, was auf
einem fo viel behandelten Gebiete, wie es beifpielsweife