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Ausgabe:

1891 Nr. 17

Spalte:

430-431

Autor/Hrsg.:

Riemann, Otto

Titel/Untertitel:

Die Lehre von der Apokatastasis, der Wiederbringung aller, aufs neue untersucht und verteidigt 1891

Rezensent:

Hartung, Bruno

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429 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 17. 430

fcheint Menno noch 1538 nicht als einer der bekannteren
Täufer, was doch der Fall fein müfste, wenn der Trac-
tat auch nur in Abfchriften verbreitet worden wäre;
4) der Tractat felbft wird vor 1627 nirgends erwähnt,
auch fpäter wird er von Kennern bei abfichtlicher Aufzählung
von Menno's Schriften übergangen. Verdächtig
ift auch, dafs die Verlagshandlung, die die Ausgabe
veranftaltete, ihren Namen auf dem Titelblatt unterdrückte
, während diefelbe Verlagshandlung bei gleichzeitig
(1620—30) erfcheinenden Neudrucken anderer Schriften
M.'s ihren Namen nicht verfchwieg. Endlich 5) findet
Sepp in dem Tractat keinen weerklang van de Münster -
sclie opstellen, derfelbe pafst nicht in die gefchichtliche
Situation, in der er entftanden fein will. Sepp's Ergeb-
nifs ift, dafs Menno's Schriftftellerei erft eine geraume
Zeit nach feinem Uebertritt zu den Taufgefinnten begonnen
hat, und dafs der Tractat von 1627 von einem
Unbekannten flammt, der door deze uitgave den goeden
naam van Menno nieuwen glans wilde bijsetten. Het is
hetn mijns achtens niet geiaht.

II. De Antwcrpensche pre dikant Piere of
Pierre (S. 20—33) befchäftigt fich mit einem Verzeich-
nifs von Namen Lutherifcher und Calviniftifcher [u. a.|
Prediger zu Antwerpen aus d. J. 1566. Die Namen find
in fehr fehlerhaftem Zuftand überliefert. Ueber die
Luthcrifchen hatte fich Sepp, nach Anderen, fchon in
feinen ^kerk historischen Studieeii (1858) bl. 58 geäufsert.
Hier handelt es fich um die Calviniften. Aufser vier
anderen, deren Lefung nicht zweifelhaft ift, erfcheinen
in dem Verzeichnifs die Namen: ,Maistre Piere, envoye
par le Palatin . . . Petrus Boqnianus, apostat carmelite.
Sepp fucht nun nachzuweifen, dafs 1) die Worte envoye
par le Palatin zu dem letztgenannten gehören, und dafs
gemeint ift Petrus Boquin, Prof. Theol. in Heidelberg,
der im J. 1561 an dem Religionsgefpräch zu Poiffy
theilnahm, und, wenn S.'s Deutung richtig ift, im J. 1566
fich amtlich in Antwerpen aufgehalten hätte. Wie hier
Beziehungen zwifchen Antwerpen und dem Pfalzgrafen
Friedrich III. fo werden weiterhin folche zwifchen Antwerpen
und der Herzogin Wittwe Renata van Este, damals zu
Montargis nachgewiefen. Denn Sepp deutet 2) den Namen
Maistre Pierre (.Piere—Verius)auf ju an Peres dePineda,
den Spanifchen Bibelüberfetzer. In Ergänzung von Th.
Schott Real-Enc.2 XII, 690 weift er nach, dafs diefer, feit
1561 in Montargis, Hofprediger der Herzogin gewefen ift,
und begründet ausführlich die Vermuthung, dafs er, auf die
briefliche Bitte der Antwerpener hin, im J. 1566 7 in den
Niederlanden verweilt habe. Wie lange er dort gewirkt,
konnte nicht feftgeftellt werden. Den hereinbrechenden
heftigen Stürmen wird er bald haben weichen müffen;
vermuthlich (?) auf der Rückreife von Antwerpen nach
Montargis ift er im October 1568 in Paris geftorben, in
feinen letzten Worten den beabfichtigten Neudruck feines
Spanifchen N. T.'s der Herzogin als Vermächtnifs hinter-
laffend.

Während in dem zweiten kurzen Auffatz die refor-
mationsgefchichtlichen Fäden aus vier Ländern in einander
laufen, weilt Verf. im Folgenden wieder ganz auf
heimathlichem Boden. Unter der Ueberfchrift ,Dienaren
der gern eenten onder het kruis1 (S. 34—71) ftellt er 182
Namen von evangelifchen (luth., calvin., bapt, mennon.)
Predigern zufammen, die ,als die Unbekannten und doch
bekannt' in den Niederlanden gewirkt und um ihres
Glaubens willen Verbannung und Tod zu erleiden hatten.
Bei manchen von ihnen ift nichts als der Name überliefert
, auch diefer vielfach verftümmelt. Bei anderen
hat Sepp kürzere oder längere Notizen über ihren Lebensgang
mittheilen können, einmal auch einen ausführlicheren,
in feiner Art treuherzigen Bericht von katholifcher Seite
über eine Hinrichtung in Gent 1566. Die frühefte Jahreszahl
, die das Verzeichnifs aufweift, — 1525 — findet fich
auf einer Rechnung des Scharfrichters von Antwerpen,

die fpätefte ift 1624; die meiden beziehen fich auf die
Jahre 1560—80.

Die letzte Abhandlung, ,Vloot en Lege rpredi-
kanten1 bietet I. (S. 73—88) in alphabetifcher Ordnung
52 Namen von niederländifchen Predigern, die von 1625
—1802 auf der Flotte gewirkt haben, II. (S. 89—-150) ebenfo
295 von folchen, die zumeift nur auf kurze Zeit, im Lagerund
Garnifondienft thätig waren. Dies Verzeichnifs reicht
von 1583 bis 1890. In beiden ift mit gröfster Genauigkeit
bio- und biblio-graphifches Material einem jeden Namen
beigefügt, und beide bieten ein glänzendes Zeugnifs für
die umfaffende Fürforge, die Staat und Kirche, unter
oft fchwierigen Verhältnifsen, auf die paftorale Bedienung
der Truppen verwandt haben. Schon eine Verfügung
Wilhelm's von Oranien (d. d. Dillenburg 10. Auguft 1570)
verfügt die Anftellung eines Ministers otn Gods woord te
verkondigen auf einem jeden Schiff; unter die Ausrüftungs-
gegenftände eines Schiffes der Oftindifchen Compagnie
gehörten: ,twee bybels, drie Testamenten en zes-en-dertig
psalmboeken'. Wenn Sepp hofft, dafs eine kräftigere Hand,
als die feinige, diefe naamlijst zu einer feifeinden Erzählung
verarbeiten möge, fo darf ich dem beifügen, dafs
feine einleitenden Bemerkungen für jeden, der fich mit
Niederländifcher Kirchengefchichte befchäftigt, von Inter-
effe fein werden, und dafs die allerdings oft trockene
Aufzählung immerfort von dem Gedanken an die er-
ftaunliche Weite des Blicks begleitet wird, welche die
Wirkfamkeit des kleinen Volks und feiner Kirche auszeichnet
. Nicht ohne eine gewiffe Theilnahme wird man,
auch wenn diefe Verzeichnifse unvollftändig find, die
Zahlenverhältnifse für die einzelnen Jahrhunderte beachten.
Sepp nennt für den Dienft im Lager 1583—1690: 108
Namen; bis 1790: 150; bis 1890: 37. Nach 1802 führt er
keinen Flottenprediger mehr auf.

Rumpenheim. S. Eck.

Riemann, Pred. Lic. Dr. Otto, Die Lehre von der Apoka-
tastasis d. h. der Wiederbringung aller, aufs neue un-
terfucht u. verteidigt. Magdeburg, Heinrichshofen's
Verl., 1889. (VII, 105 S. gr. 8.) M. 2. —

,Die grofse Mehrzahl der denkenden Chriften denkt
heute — äpokataftatifch'. „Auch, in dem Lager der exelufiv
Strenggläubigen laffen fich immer wieder Stimmen gegen
die Annahme ,ewiger Höllenftrafen' verlautbaren."
,Lieblofe Gedanken' werden denen vorgeworfen, die daran
gar zweifeln. Damit ift der Gefichtspunkt gekennzeichnet,
unter dem, weniger der Verf., aber viele, die fein Buch
lefen werden, die entgegengefetzte Anficht betrachten
dürften, zumal fie gleich zu Anfang als eine Eigenthüm-
lichkeit der ,Heilsarmee' ziemlich draftifch gefchildert
wird.

Zwar in dem vorangefchickten exegetifchen Abfchnitt,
den Nichttheologen lieber hinter dem zweiten, dem fyfte-
matifch begründenden, lefen follen, wird offen eingeräumt,
dafs die evangelifchen Ausfprüche Jefu gegen die Apoka-
taftafis find. Der Grund liege theils in der Accommoda-
tion Jefu an feine Zeitgenoffen, theils an der ungenauen
Ueberlieferung durch die in jenen Anfchauungen befangenen
Jünger. Aber in dem Wort, dafs bei Gott alles möglich
fei, in der fliehenden Liebe des guten Hirten für das
Einzelne, im Gleichnifs vom armen Lazarus, befonders
in dem Univerfalismus des Johannesevangeliums lägen
Anfätze, die in den Petrusbriefen, befonders bei Paulus
Rom. s, 9—ii; 1 Kor. 15; Phil. 2; Eph. 1 u. a. in den
bekannten Stellen zum Durchbruch kämen, obfehon
anzuerkennen fei, dafs auch bei Paulus die entgegengefetzten
Gedanken herrfchend find. Diefer exegetifche
Theil ift mit grofser Nüchternheit und Unparteilichkeit
den einzelnen Schriftftellen gerecht geworden.

Im philofophifch-theologifchen Abfchnitt werden zu-
erft die Gegengründe widerlegt, als habe das Verhältnifs