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Ausgabe:

1891 Nr. 16

Spalte:

406-407

Autor/Hrsg.:

Scholler, L.W.

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichtliches aus dem deutschen Süden. Mitteilungen aus dem Leben von Joh. G. Lutz, ehem. Pfarrer und Dekan in Oberroth 1891

Rezensent:

Hans, Julius

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405 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 16 40&

welches wahrend des Fettmilch'fchen Bürgeraufftandes I Kapuziner begonnen, von dem Pater Dominicus von Je-
(1612—16) unter feinem Rector Cravelius arg herunter- rufalem 1596 zu Mantua vollendet (S. 9. 21). 1626 wurde
kommen war. Hirtzwig war ein Anhänger des grofsen er von dem Kapuziner Renatus von Modena erweitert
pädagogifchen Neuerers jener Zeit, Wolf'gang Ratichius, ; (S. 59). Eine erweiterte italienifche Ausgabe wurde
obwohl er ihm nicht in allen Meinungen folgte. Auch , unter Benedict XIV. von Antonio Coftanzi, Revifor der
Mentzer protegirte denfelben anfangsbefondersaustheolo- hebräifchen Bücher bei der Inquifition, (und, wie es fcheint,
gifchen Rückfichten. Ratichius wollte nämlich mit feiner dem bekannten Maroniten Jofeph Affemani, der Conful-
Didaktik zugleich die reine lutherifche Lehre verbreiten, tor der Inquifition war) geplant, fcheint aber nicht zu
er wollte Mittel an die Hand geben, ,kraft deren, fo viel • Stande gekommen zu fein (S. 49). Der Index, von dem
als möglich, durch Gottes Gnade und Willen den Papi- I der Verf. vier Exemplare eingefehen hat, enthielt Ex-

ften, Calviniften, Arianern und wie fie und andere Ketzer
Namen haben mögen, Abbruch gefchehe und alfo eher
und mehr die reine, wahre, apoftolifche und lutherifche
Lehre könne eingeführt, fortgebracht und erhalten werden'.
Das wichtigfte Mittel dazufaherin der leichten und fchnellen

purgationen von fall 500 Büchern. Talmudifche Bücher
waren unbedingt verboten, die biblifchen freigegeben. —
Von Zeit zu Zeit wurden bei den Juden im Kirchen-
ftaate Hausfuchungen gehalten, um zu fehen, ob nicht
unter ihren Büchern unbedingt verbotene oder nicht geErlernung
der fremden Sprachen, die feine Methode, wie ( nügend expurgirte feien (man befchuldigte die Juden, dafs
er glaubte, ermöglichte. Die Knaben follten aut dem fie die geftrichenen Stellen mitunter in den expurgirten
Gymnafium als erde fremde Sprache die hebräifche 1er- Exemplaren mit der Feder beifchrieben und in neue Aus-
nen, weil diefe die Mutter aller Sprachen fei (was auch 1 gaben der betreffenden Bücher wieder aufnähmen oder

Melanchthon's Meinung gewefen war), danach die griechi-
fche und dann erft die lateinifche. Gegen diefe Vorschläge
trat nun allerdings mit fehr verftändigen Gründen
Hirtzwig für das Recht der lateinifchen Sprache ein;
fonft aber eignete er fich manche gute Rathfchläge von
Ratichius in Betreff der deutfchen Sprache und in Betreff
der Leibesübungen auf der Schule an. In den elf
Jahren feiner Frankfurter Thätigkeit hat er das Gymnafium
fehr gefördert, worüber der Verfaffer obiger Abhandlung
eingehenden Auffchlufs giebt. Plötzlich aber
erhob fich ein wahrer Sturm von Anklagen und Be-
fchuldigungen gegen ihn, befonders wegen willkürlicher

einem verbotenen Buche das Titelblatt eines nicht verbotenen
vorklebten, S. 10. 25). Der Verf. berichtet ausführlicher
über folche Hausfuchungen in den Jahren 1731—54.
Von den Inquifitionsacten, die er dabei benutzt hat und
vollftändig zu veröffentlichen gedenkt, dürften die S. I
unter B und D verzeichneten Stücke von Coftanzi auch
für weitere Kreife intereffant fein. Ueber die Verhandlungen
über den Talmud im 16. und im Anfange des
17. Jahrhunderts enthalten aufser dem äufserft feltenen
Buche des Cardinais Albizzi (f. Index 1, 434), welches der
Verf. nur aus den Citaten in meinem index zu kennen
fcheint, auch die Briefe von A/Mafius (herausgegeben

Einführung neuer Lehrbücher. Der Rath liefs fich gegen j von M. Loffen, 1886; vgl. Index 2, 1219) intereffantes

ihn einnehmen, es erfolgten harte Zurechtweifungen,
welche Hirtzwig fich nicht gefallen liefs. Landgraf Philipp
von Heffen bot ihm eine Hofpredigerftelle in Butzbach
an, welche er annahm. 1627 fchied er aus Frankfurt.
8 Jahre war er noch Pfarrer in Butzbach; da raffte ihn
in feinem fünfzigften Lebensjahre die Peft dahin. Sein
Andenken kam in Frankfurt erft nach feinem Tode zu
Ehren. Zeugnifs von feinem bedeutenden Wirken giebt
ein von ihm verfafstes Sendfehreiben an Mentzer, worin
er über die Zuftände des Frankfurter Gymnafiums aufs
genauefte berichtet. Der Verfaffer hat dasfelbe in latei-
nifcher und deutfeher Sprache beigegeben.

Die ganze Abhandlung läfst in den Geift jener Zeit
recht lebendig hineinblicken und verdient von den Theologen
gelefen und beachtet zu werden. Alle Angaben
des Verfaffers find mit grofser Sorgfalt gemacht, die
Darftellung ift vorzüglich.

Frankfurt a/M. Teichmann.

Berliner, Dr. A, Censur und Confiscation hebräischer
Bücher im Kirchenstaate. Auf Grund der Inquifitions-
Akten in der Vaticana und Vallicellana dargeftellt.
Frankfurt a. M., J. Kaufmann, 1891. (65 S. gr.8.) M. 2 —

Diefe Schrift bringt dankenswerthe Ergänzungen zu
dem, was ich in meinem Buche über den Index I, 45
über das Verbot des Talmud und anderer jüdifcher
Bücher mitgetheilt habe. Eine Angabe in meinem Buche,
S. 51, dafs die Inquifition feit Clemens VIII. es grund-
fätzlich abgelehnt habe, jüdifche Bücher zu expurgiren,
ift nach den Mittheilungen des Verf.'s unrichtig. Es gab
einen eigenen, freilich nur handfehriftlichen, Index expttr-
gatorius, Zikuk, Index vanitatum multarum expurganda-
rum etc. (S. 59; er wird in den Nachträgen zu meinem
Index II, 876 erwähnt). In der Sitzung der Index-Con-
gregation vom 7. Aug. 1590 unter dem Vorfitze des Cardinais
della Rovere wurde unter Zuftimmung mehrerer
jüdifcher Deputirten eine allgemeine Inltruction für die
Expurgation jüdifcher Bücher feftgefetzt, und im Anfchlufs
daran der Index expurgatorius von einem ungenannten

Material. Von den im 18. Jahrhundert verbotenen jü-
difchen Büchern, die S. 27 befprochen werden, ift auch
im zweiten Bande meines Buches über den Index (den
der Verfaffer nicht zu kennen fcheint) S. 148 die Rede.

Den Magister Sacri Palatii erkennt man in derUeber-
fetzung .Hofmeifter' oder ,Hausmeifter des heiligen Pa-
laftes' (S. 21.25) kaum wieder. Statt ,Ph. M. Peruzzotti
vom Orden der Praedicatoren im Convent der Dominicaner
zu Lugo' (S. 57) fagt man einfacher: ,der Dominikaner
Ph. M. P. zu Lugo.'

Bonn. F. H. Reufch.

&

Scholler, L. W, Kirchengeschichtliches aus dem deutschen
Süden. Mitteilungen aus dem Leben von Joh. Evang.
Georg Lutz, ehemal. Pfarrer u. Dekan in Überroth.
Den Freunden des Verewigten dargeboten. Bafel,
Geering, 1891. (IV, 155 S. gr. 8.) M. 1. 60.

Joh. Ev. Georg Lutz, dem das obengenannte bio-
graphifche Denkmal gefetzt ift, war einer der katholifchen
Geiftlichen aus dem Anfang unferes Jahrhunderts, die
fich, wie Boos und Gofsner, von evangelifchen Strö-.
mungen beinflufsen liefsen und fich befonders die evan-
gelifche Grundlehre von der Rechtfertigung durch den
Glauben aneigneten. Als Vicar der bayerifchen Gemeinde
Karlshuld im fogenannten Donaumoos brachte er ein
reges geiftliches Leben in diefer vorher ziemlich verwilderten
Gemeinde zu Stande. Dasfelbe nahm immer
mehr Formen an, die von den Regeln und Ordnungen
der katholifchen Kirche abwichen. Mehrfache Anklagen
gegen ihn beftimmten deshalb das bifchöfliche Ordinariat
Augsburg, durch feine Verfetzung Wandel zu fchaffen. Er
nahm jedoch die ihm übertragene Pfarrei in Oberbayern
nicht an, und da fein Verfuch, eine felbftändige Gemeinde
nach feinen Anfchauungen zu bilden, nicht zu verwirklichen
war, trat er im J. 1832 nebft etwa 600 feiner Karls-
hulder Gemeindeglieder zur prot. Kirche über. Aber er
fand bald, dafs auch dieproteftantifcheKirche feinem Ideal
nicht entspreche und trat noch im felben Jahre aus der-
felben wieder aus, um zur römifch-katholifchen Kirche