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Ausgabe:

1891

Spalte:

19-21

Autor/Hrsg.:

Fauth, F.

Titel/Untertitel:

Zeitschrift für den evangelischen Religionsunterricht. 1. Jahrg. 1889/90. 4 Hefte 1891

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. t.

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faffungsform datiren in Preufsen die Verfuche, ein von
der Staatsverwaltung unterfchiedenes Regiment der ev-
Kirche zu fchaffen. Es ift ein Fehler, dafs der Verf. die
durch den Uebergang zu der presbyterial-fynodalen
Selbftverwaltung gänzlich veränderte Rechtslage der ev.
Kirche fo gut wie völlig unbeachtet läfst. Das von ihm
fehr übel angefehene Gefetz vom 3. Juni 1876 will nichts
weiter, als die in der ftaatlichen Oberhoheit gelegenen
Auflichtsrechte gegenüber der kirchlichen Selbftverwaltung
abgrenzen und normiren. Von diefem Gefetz würde,
felblt wenn es möglich wäre die innere Kirchenverfaffung
über die Köpfe des Staatsminifteriums und des Landtags
hinweg in dem von dem Verf. gewünfchten Sinne
umzugeftalten, darum noch kein ßuchftabe hinfallen.
Und wäre das Unglück fo fehr grofs? Die Verbefferungs-
bedürftigkeit des Gefetzes voll und ganz anerkannt
(namentlich Art. 21 Abf. 3), wird man dem Staate nicht
verdenken können, dafs er fich bei dem Erlafs von
Kirchengefetzen und bei der Anftellung der höheren
Kirchenbeamten fein Placet wahrt, fo lang man ihm
verargt — und mit Recht, — wenn er fich diefes von
der römifchen Kirche offen oder verfchämt aus der 1 land
nehmen läfst. Im Uebrigen redet das Gefetz faft lediglich
von der Verwaltung des Kirchenvermögens. Liegt
denn hierin die Kraft unterer Kirche und die Bedingung
ihrer Wirkfamkeit als geiftiger Macht im Volksleben?
Ueberdies follte Art. 23 Ziff. 3 über gar manche begründete
oder unbegründete Befchwerde beruhigen: was
follte denn werden, wenn diefe Beftimmung hinfiele?

Schwere Nothftände unteres kirchlichen Lebens find
vorhanden. Was der Verf. darüber zu fagen und zu
klagen hat, ift zum Theil wohl übertrieben, zum grofsen
Theil aber leider wahr. Die Schuld daran liegt nicht
allein an dem Staatsregiment in der Kirche, wie er zu
meinen fcheint; aber ein grofser Theil der Schuld trifft
diefes allerdings, es genügt an die Kirchennoth in den
grofsen Städten zu erinnern, die Frucht jahrzehntelanger
Verfäumnifs. Auch darin mufs man dem Verf. Recht
geben, es genügt nicht, dafs wir evangelifches Chriften-
thum haben, wir brauchen eine von kräftigem Gemeingefühl
getragene, leiftungsfähige evangelifche Kirche.
Diefe ift durch die presbyterial-fynodale Verfaffungs-
reform noch nicht gefchaffen, aber der Grund ift gelegt,
auf dem fie gebaut werden kann. Es mag noch Vieles
befferungsbedürftig fein; es mag, und das ift wohl die
Uauptfache, dringend nothwendig fein, dafs die Regierungspraxis
von oben bis unten eine andere werde —
bildet doch die preufsifche Kirchenpolitik neuerer Zeit
zweifellos den ärmlichften unter den Ruhmestiteln preufsi-
fcher Politik und ift nur allzu fehr geeignet, eine Stimmung
der Verbitterung und Vertrauensloftgkeit, wie fie
aus der Schrift Aurbach's fpricht, begreiflich zu machen.
Aber das wäre ficherlich nicht der Weg, unferer Kirche
das Mafs von Kraft und Leben zu fchaffen, das wir oft
fchmerzlich vermiffen, wenn man es fertig brächte, in
ihre Verfaffung folch ein unverhältnifsmäfsiges Ueber-
wiegen des geiftlichen Einfluffes hineinz.ubringen, wie der
Verf. will — denn das ift doch im Grunde des Pudels
Kern bei feinen Vorfchlägen. Der Bureaukratismus hat
fie nicht todt machen können, den Klerikalismus würde
fie fchwerlich überftehen. Lege man doch lieber Hand
an, die Formen kirchlicher Gemeinfchaftsordnung, welche
in den neueren Verfaffungsgefetzen gegeben lind, mit
Leben zu füllen. Da lerne ein Jeder fein Lection, fo
wird es wohl im Haufe ftohn. Mindeftens ift hier ein
Weg, welcher viel mehr Segen verheifst als das Jagen
nach luftigen Projecten.

Darmftadt. K. Köhler.

Zeitschrift für den evangelischen Religionsunterricht, in Verbindung
mit Oberlehrern Boehmer, Boefche, Sem.-Dir.
Lic. Dr. Buddenfleg etc. hrsg. von Prof. Oberlehr. Dr.

F. Fauth u. Oberlehr. Dr. Jul. Köfter. 1. Jahrg.
1889/90. 4 Hfte. Berlin, Reuther. (1. Hft. 88 S. gr. 8.)
M. 5. —

Die jZeitfchrift für den evangelifchen Religionsunterricht
' fleht bereits im Beginn ihres 2, Jahrgangs. Die
Lebensfähigkeit des jungen Unternehmens ift nicht nur
durch die grofse Anzahl derjenigen, die fich freudig zur
Mitarbeit und Unterftützung entfchloffen haben, und
durch den bereits jetzt erfreulich grofsen Leferkreis er-
wiefen, fondern auch durch die Gediegenheit und Reichhaltigkeit
des Gebotenen. Die ganze Zeitfchrift wird
durch ein charakteriflrendes Geleitswort des General-
fuperintendenten D. Nebe über 2 Tim. 4, 5, jedes einzelne
Vierteljahrsheft durch eine praktifch - erbauliche An-
fprache aus dem Schulleben (z. B. Schulandacht von
Uhlig-Leipzig, Abendmahlsvorbereitung von Grüllich-
Dresden) eröffnet. Der werthvollfte und umfaffendfte
Theil jedes Heftes ift der zweite, welcher neben einzelnen
praktifchen Proben (vier liturgifche Andachten für
vaterländifche Gedenktage von Palmie-Halle, Lehrprobe
über Mc. 11, 15 — 18 von Mehlhorn-Heidelberg) eine
Reihe von tüchtigen Abhandlungen über mancherlei
Probleme des Faches enthält; fo behandelt Fauth-Höxter
die gegenwärtigen Aufgaben des Religionsunterrichts,
Fay-Krefeld Landfermann's Anlchauungen bezüglich
unteres Gebiets, Zange-Erfurt die Verbindung des
Katechismusunterrichts mit der biblifchen Gcfchichte
auf der Unterftufe, Kuttner - Gnefen die apologetifche
Seite des Religionsunterrichts, Heinzelmann-Erfurt die
Reifeprüfung in der Religion, Jacobfon-Berlin die neu-
teftamentliche Kritik, Rinn-Hamburg Ausfprüche bedeutender
mittelalterlicher Dichter über das Chriften-
thum. Unter verfchiedenen Gefichtspunkten oder von
verfchiedenem Standpunkt aus fchreiben über die heilige
Schrift Spitta-Strafsburg, Conz-Stuttgart und Krüger-
Bromberg, über Johannes den Täufer Ritter-Weimar und
ein Anonymus, über Deuteron. 18, 15. 18 Brückner-Karlsruhe
, Hoppe-Hildesheim, Trümpert-Darmftadt, über das
Kirchenjahr Köfter-Iferlohn, Dix-Flensburg und Schultze-
Berlin, über die Behandlung der Kirchengefchichte Noack-
Frankfurt und Jonas-Krotofchin u. f. w. Herold-Erlangen
theilt einen wichtigen Erlafs des bayerifchen Kirchenregimentes
mit; Eickhoff-Schleswig betont in ernfter,
eindringlicher Weife die feelforgerliche Wirkfamkeit des
Religionslehrers an den Schülern. Der dritte Theil der
Zeitfchrift bringt kurze, zufammenfaffende und gut orien-
tirende Berichte über Religionslehrerverfammlungen aus
allen Theilen Deutfchlands (von Evers-Düffeldorf, Böfche-
Berlin, Köfter-Iferlohn, Heinzc imann-Erfurt, Euler-Landau
u. A.j, der vierte bietet einige willkommene Artikel
für den hebräifchen Unterricht (von Strack-Berlin, Spiefs-
Wiesbaden, Schenk-Afchersleben), der fünfte kurze Anzeigen
über etwa 40 verfchiedene, unmittelbar oder
mittelbar den Religionsunterricht betreffende Schriften
und Bücher, der Schlufstheil allerhand für die Zeitfchrift
und ihre Lefer fonft noch werthvolle Notizen.

Die Bücherbefprechungen könnten m. E. zum Theil
etwas fchärfer, entfehiedener und weniger allgemein fein.
Ueber den Werth der fonftigen einzelnen Beiträge, die
zum Theil fehr bedeutend, meift lehrreich, durchweg
aber anregend find, darf der Referent fein perfönliches
Urtheil hier zurückhalten. Aus dem oben Angeführten
ergiebt fich fchon die grofse Mannigfaltigkeit des dargebotenen
Stoffes und der behandelten Probleme, zugleich
aber auch die hocherfreulichc Thatfache, dafs fich
bei diefem Unternehmen Männer aus allen Gebieten des
deutfehen Vaterlandes, in den verfchiedenften Lebens-
ftellungen, von der verfchiedenften theologifchen Richtung
und perfönlichen Geiftesart freudig und friedlich die
Hand gereicht haben zu gemeinfamer Arbeit. Möge die
Zeitfchrift in diefem Geifte und Tone fortgeführt werden,
fo wird fie viel Segen fliften und hoffentlich auch immer