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Ausgabe:

1891 Nr. 15

Spalte:

376-380

Autor/Hrsg.:

Haupt, Herm.

Titel/Untertitel:

Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland 1891

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 15.

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verfalem Sinn ,1) yvojiinj zov zrazgnq', die Bifchöfe, wie ein
jeder von ihnen feine Grenzen (feinen Bereich) erhalten
hat, find ev yvibiiij 'liqaov Xgiazoi: ,nous ne pouvons y
trouver que !affirmation du caractere local de Pautorite
episc opale'.

Die Jgnatiau Diffiadtics' Jenkins' enthalten, foviel
ich zu fehen vermag, keine Einwendungen, die nicht bereits
ihre Erledigung durch Lightfoot gefunden hätten,
obfchon fich der Autor durch Lightfoot's Nachweifungen
für nicht überzeugt erklärt. Es ift namentlich die bifchöf-
liche Gewalt, die Ignatius vorausfetzt, die in dem Anfang
des 2. Jahrh. unannehmbar fein foll. Die Abhandlung
von Reville wird fehr geeignet fein, den Verfaffer von
feinen Skrupeln zu befreien. Jenkins betont auch die
unfichere Tradition über Ignatius bei Irenäus und Ori-
genes. Allein fo gewifs die Art diefer Tradition Probleme
ftellt, fo wenig kann fie wider das Zeugnifs des
Polykarpbriefes und das innere Zeugnifs der Briefe ent-
fcheiden.

Berlin. A. Harnack.

Clemen, Dr. Carl, Die religionsphilosophische Bedeutung des
stoisch-christlichen Eudämonismus in Justins Apologie.

Studien und Vorarbeiten. Leipzig, Hinrichs, 1890.
(VIII, 158 S. gr. 8.) M. 2. 50.

Der Verfaffer der vorftehenden fehr gründlichen Unter-
fuchung geht von der Ueberzeugung aus, dafs wir die
chriftliche Weltanfchauung Juftin's beffer verliehen werden,
wenn wir uns nicht fcheuen, mit dem ganzen Reichthum
erkenntnifstheoretifcher und metaphyfifcher Erkenntnifse
unferes Zeitalters an fie heranzutreten, und wenn wir fie
zugleich im engften Zufammenhang mit ihren gefchicht-
lichen Vorausfetzungen (vom vorchriftlichen Hellenismus
und von der Reichspredigt Jefu an) behandeln. Dem-
gemäfs handelt er in den drei Theilen, in welche er
feinen Stoff disponirt hat (Juftin's Intellectualismus —
Justin's Moralismus — Juftin's Argumentation), von fehr
vielen Dingen, die man in einer hiftorifchen Monographie
über Juftin nicht fucht. So ift gleich das erfte Capitel
des erften Theils ein Abfchnitt aus der Philofophie. Es
trägt den Titel: ,Metaphyfik und Religion' und zerfällt
in die Paragraphen: ,Der kritifche Realismus' ,Die eudä-
moniftifche Welterklärung' ,Religion und Theologie'. Das
zweite Capitel ift überfchrieben: ,Philofophifch.es im Ur-
chriftenthum' und handelt von dem jüdifchen Hellenismus
bis auf Jefus, von der Ausbildung der Chriftologie
und der Rationalifirung der Verföhnungslehre. Erft im
dritten Capitel geht der Verf. auf den Gottesbegriff
Juftin's ein. Ebenfo find die erften zwei Capitel des
2. Theils nicht Juftin gewidmet, fondern der Reichspredigt
Jefu, den ethifchen Motiven bei Paulus, dem nachapofto-
lifchen Gefetzthum, dem neuen Gefetz, dem freien Willen
und den letzten Dingen, wozu noch ein Anhang über
die Apoftelgefchichte als Apologie des Chriftenthums
kommt. Auch im dritten Theile geht der fpeciellen
Darftellung ein umfangreicher Abfchnitt über die Ent-
ftehung des Schriftbeweifes voraus.

Wer foviel bringt, erregt Mifstrauen, ob er Alles
gründlich durchdacht hat. Ganz unbegründet ift diefes
Mifstrauen auch hier nicht; aber was noch fehlt, hält
man dem jugendlichen Verfaffer gern zu Gut, der fich
fo fteifsig und felbftändig in der Philofophie und in der
Gefchichte umgefehen und es zugleich nicht verfchmäht
hat, aus der Literatur fich belehren zu laffen. .Studien
und Vorarbeiten' hat der Verf. feine Monographie genannt
und fie damit zutreffend bezeichnet. Doch find
diefe .Studien und Vorarbeiten' nicht in jeder Hinficht
fo gereift, dafs fie gedruckt werden mufsten. Ich fage
das nicht, um die Arbeit herabzufetzen, fondern aus dem
lebhaften Eindrucke heraus, dafs ein fo tüchtiger und
kenntnifsreicher Verfaffer uns noch Befferes hätte bieten

können, wenn er gezögert hätte, eine fo umfaffend angelegte
Arbeit zu veröffentlichen, und wenn er fie in
engeren Grenzen gehalten hätte.

Die Ergebnifse, zu denen der Verfaffer in Bezug auf
Juftin's ,ftoifch-chriftlichen Eudämonismus' gelangt, und
die Art, wie feine Darfteilung zu einer gefchichtlichen
Apologie des bedeutenden Religionsphilofophen wird,
find fehr beachtenswerth u. m. E. wefentlich richtig.
Aber die Ausblicke auf die Hülfe, welche Juftin der
Apologetik noch heute gewähren kann, find proble-
matifch, und die Herbeiziehung der modernen philo-
fophifchen Fragen, obgleich nicht ohne Befonnenheit
vollzogen, dient keineswegs überall zur Aufklärung der
verwickelten Probleme.

Berlin. A. Harnack.

1. Preger, Wilh., Ueber die Verfassung der französischen
Waldesier in der älteren Zeit. [Aus: ,Abhandlgn. d. k.
hayer. Akad. d. Witt.'] München, [Franz' Verl.], 1890.

(73 S. gr. 4,) M. 2. 20.

2. Haupt, Herrn., Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen
Deutschland. Freiburg i. Br., J. C. B. Mohr, 1890.
(126 S. gr. 8.) M. 3. 60.

1. Preger ftützt feine Unterfuchungen vornehmlich
theils auf die von Döllinger (Beiträge zur Sectengefch. d.
Mittelalters 2. Bd. Documente) veröffentlichten Inquifi-
tionsacten von Carcaffone und Protokolle der Inquifition
in Langued'oc aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts,
theils auf den wichtigen Tractat de vita et actibus, de
fide et erroribus haereticorum, qui sc dicuntpaupcres Christi
seu pauperes de Lugduno. Diefer aus dem Cod. Vatican.
latin. 2648 gefchöpfte Tractat findet fich ebenfalls bei
Döllinger p. 92 ff., ift aber von Preger nach einer von
Friedrich gefertigten Abfchrift desfelben Codex p. 70
—73 unter Anführung der geringen Abweichungen bei
Döllinger wieder abgedruckt. Der dem 14. Jahrhundert
zugewiefene Pergamentcodex, aus welchem der Tractat
entnommen ift, enthält verfchiedenes auf Inquifition der
Ketzer Bezügliches. Der Verfaffer des erften Stücks der
Sammlung, super materia haereticorum, ein Advocat,
könnte nach Preger's Vermuthung wohl der Sammler
der übrigen Stücke des Codex fein, die er einem Domi-
nicanerinquifitor, als feinem geiftlichen Vater widmete.
Der Codex mufs nach 1341 gefchrieben fein, da der letzte
Tractat in der Sammlung, bei welchem die Handfchrift
abbricht, mit den Worten beginnt: Anno domiui 1341.
Dafs Preger auf diefen wichtigen Tractat die Aufmerk -
famkeit richtet, ift verdienftlich, wie denn befonders das
darin über das Leben in den Waldenferhofpizen und
über die Leitung der Waldenfer durch die Generalca-
pitel Mitgetheilte werthvoll ift und näherer Erörterung
bedarf.

Dafs der früher von Preger herausgegebene Tractat
David's v. Augsburg (der fogen. Yvonetus) in feinen
Ausfagen über die Waldenfer bereits aus den Acten von
Carcaffone (bei Döllinger pag 6 ff.) fchöpft, war mit Veröffentlichung
diefer Acten erfichtlich geworden. Preger
weift nun im Einzelnen das Verhältnis der Abhängigkeit
nach, in welchem nicht nur Bernardus Guidonis und
David v. Augsburg, fondern auch Stephan von Borbone
und die consultatio Tarraconcnsis zu diefem erften Stücke
bei Döllinger flehen, welches danach etwa in die Zeit
von 1231—41 zu fetzen fei. In dem vaticanifchen Tractat
de vita etc. glaubt nun Preger gleichfalls eine recht
frühe Quelle und zwar gerade für die franzöfifchen Waldenfer
zu finden; er gehöre in die Zeit des von Preger
zuerft veröffentlichten Sendfehreibens der Lombarden an
die franzöfifchen Waldenfer über die Verhandlungen zu
Bergamo, alfo bald nach 1218, keinesfalls in viel fpätere
Zeit. Dafür fcheint Manches zu fprechen, aber auf ficherem