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Ausgabe:

1891 Nr. 15

Spalte:

374-375

Autor/Hrsg.:

Réville, Jean

Titel/Untertitel:

Etudes sur les origines de l‘episcopat 1891

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 15.

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tender' war und fein wollte. Er fpiegelte die reiche fchichte zu vermitteln. Er fteht auf der hohen Warte

Welt, die er befchaute, in einem Geifte, der die Ideale einer von theologifchen und Tagesgefichtspunkten gänz-

des 18. Jahrhunderts ebenfo lebhaft empfand wie die lieh freien Gefchichtsbetrachtung, und feine Urtheile dürfideale
der Romantik. Die Virtuofität, mit der er Alles , ten noch lange felbft der fchärfften Kritik Stand halten,

zu erwecken verftand, was einft gelebt hat, die Kraft, So mag's wohl fein, dafs von der Fluth der wiffenfehaft-

auch dem Abftracten zu folgen, ohne fich in Formeln liehen Kleinarbeit manche Einzelheit des Buches hinweg-

zu verftricken, das Vermögen, das Wiffenswürdige zum gefchwemmt werden wird, vielleicht fchon hinwegge-

Bildungsmittel zu genalten, die Kunft, in wenigen Worten fchwemmt worden ift — dennoch, wie es einzig ift in

viel zu fagen und es mit Grazie zu fagen — das alles diefer Art, wird es auch bleibende Wirkung thun'.
ift, vereinigt, in der Kirchengefchichtsfchreibung nur ein- Berlin A. Harnack.

mal dagewefen und eben in Hafe. Die Schranken diefer

ausgeprägten Individualität, gemeffen an den höchften B, ... ,,. , _, , . . . , „, .

Aufgaben der Wiffenfchaft, find unferem Zeitalter deut- »■ Rev,lle> Uir' Jean< Etudes sur les or,9ines de "'epwcopat.

lieh genug. Aber wer ihn lieft, empfindet im Moment La valeur du temoignage d Ignace d'Antioche. [Aus:

des Lefens fchwerlich eine Schranke, fo beftrickend ift ,Revue de l'histoire des religions'.] Paris, Leroux,

diefer Schriftfteller. Selbft wenn er hier oder dort unferen j 1891. (87 S. gr. 8.)

Gefchmack verletzt oder eine feine äfthetifche Betrachtung „ . .. „ » u a i—u Jim m

an dieStelle einer genetifchen fetzt, brauchen wir uns nur ^.Jenk.ns, Rector Rob. C., M. A., Ignat.an d.ff.cult.es

zu erinnern, in welchen Zeiten diefer Mann erwachfen ift and historic doubts: a letter to the very Rev. the Dean

und wie er fich aus kleinbürgerlichen fächfifchen Ver- j of Peterborough. London, Nutt, 1890. (25 S. gr. 8.)

hältnifsen zu einem Weltbürger entwickelt hat, um jeden j _ The same. A second letter to the very Rev. the

Anltofs zu vergeffen Er war ein Theologe, der die Dean 0f Peterborough. Folkestone, W.P. Birch, East

letzten Prägen in der Schwebe hefs, um keiner Eigenart, „ . , 0 , , c „,

die fich in dem gemeinfamen Element des Chriftlichen Kent PnntinS works> (l89°)> (I2 S- §r- 8-)

entwickelt hat, zu nahe zu treten. Er hatte dadurch den
ausgezeichneten Vortheil, dafs er die Gefchichte zu betrachten
vermochte wie einen Saal voll herrlicher oder
doch anziehender Bilder. Ein ftrenges oder hartes Urtheil
fprach er feiten direct aus, fondern legte es in die Cha-
rakteriftik.

Von den mir vorliegenden Bänden find IV, 1 und
IX, 1. 2 alte Bekannte: Die ,Gefchichte Jefu' und die Polemik
'. Der Herausgeber hat fie natürlich unverändert
gelaffen und nur in den Noten kleine Berichtigungen vorgenommen
. Der XI. Band (Abth. 1.) enthält die ,Ideale
und Irrthümer' und die bisher ungedruckten ,Erinnerungen
an Italien in Briefen an die künftige Geliebte' (hrsg. von
dem Hofprediger von Hafe). Auch wer aufser Goethes
,italienifcher Reife' keine moderne Reifefchilderung Italiens
in die Hand nimmt, wird fich belohnt fehen, wenn er

Die ignatianifche Frage ift — vor allem Dank den
Arbeiten von Zahn und Lightfoot — foweit fpruchreif,
dafs man faft das Wort wagen darf: wer die ignatianifchen
Briefe für unecht hält, hat fie nicht gründlich genug
ftudiert. Mit der Frage der Echtheit ift aber die Frage
der Abfaffungszeit noch nicht entfehieden; denn die Zeit
Trajan's ift uns nur durch die Tradition und zwar durch
eine fehr disputable Tradition an die Hand gegeben.

Reville, der durch feine vortrefflichen Forfchungen
auch bei uns wohl bekannt ift, hat die ignatianifche Frage
in vorftehender Abhandlung gründlich unterfucht und
fich mit Entfchiedenheit für die Echtheit der Briefe erklärt
. Dies ift um fo erfreulicher, als die Kritik in Frankreich
bisher durch Renan's Urtheil beftimmt war, ande-
rerfeits Niemand einem Gelehrten wie Reville wiffenfehaft-
liche Unbefangenheit abfprechen wird. Seine Unter-

hier eine Ausnahme macht. Ich weifs kaum eine zweite fuchung befchäftigt fich nur im 9. (letzten) Abfchnitt mit
Befchreibung, welche der Goethe'fchen fo nahe kommt [ dem Epifkopat; die acht vorangehenden enthalten die
und doch fo ganz anders ift. Die Kraft der Anfchauung j Erörterung der Echtheitsfrage. Neues hat hier Reville

und die Schönheit der Sprache, beide geboren aus heller
jugendlicher Begeifterung und reichem Wiffen, haben in
diefen ,Erinnerungen' ein bleibendes Werk gefchaffen.

Der 2. Band enthält die,Kirchengefchichte auf Grundlage
akademifcher Vorlefungen' (Mittelalter). Die erfte
Hälfte (bis Innocenz III.) ift nach dem von Hafe felbft fertig
geftellten Manufcript bis auf Gregor VII. gegeben,

nicht beizubringen vermocht, aber mit folcher Umficht
und Klarheit den Beweis geliefert, dafs auch folche, die
fchon überzeugt find, feine Ausführungen mit Freude
lefen werden. Reville getraut fich auch S. 60 f., die
Abfaffung der Briefe unter Trajan (zwifchen 107 und 118)
zu erweifen oder vielmehr die Gründe, die gegen diefen
Anfatz der Tradition zu fprechen fcheinen, wegzuräumen

das Uebrige nach Zetteln und einer ftenographifchen j — denn mehr läfst fich nicht gewinnen. Ich fürchte aber,
Nachfchrüt von 1881/82. Diefc liegen auch der zweiten j dafs feine Ausführungen noch immer kein unerfchütter-
Hälfte (bis Luther) zu Grunde. Ueber die Grundfätze ; liches Zutrauen zu diefem Datum erwecken werden.

der Herausgabe hat der Redactor ausreichende Mittheilungen
gemacht. Man erhält überall nur Hafe's Eigenthum
; nichts PPemdes ift beigemengt. Statt einer Re-
cenfion ftelle ich Krüger's Worte hierher, denen ich
mich rückhaltlos anfchliefse:

,Wiffenfchaft follte dankbar machen; doch vergeffen
gerade ihre Jünger gar oft, was fie den Meinem fchuldig
find. Es kann nicht ausbleiben, dafs gegen dies Buch
Stimmen des Zweifels laut werden, ob auch Alles, was
es enthält, noch auf der Höhe der Wiffenfchaft ltehe oder
nicht etwa von diefer ,überholt' fei. Wer fo zu urtheilen
geneigt ift, der möge in erfter Linie bedenken, dafs diefes
Buch kein .Handbuch' der Kirchengefchichte fein will;
dafs der Verf. durchaus nicht darauf ausging, in jedem
einzelnen Punkt die jeweils neuefte Auffaffung, als letzte
Perle auf der Schnur vergangener und vergebener Anflehten
aufgereiht, zu bieten: fondern dafs er fich zu-
nächft an eine Gemeinde junger Zuhörer, zuletzt aber an
alle wahrhaft Gebildeten wandte, um ihnen einen wirklichen
Einblick in die treibenden Kräfte der Kirchenge-

Doch will ich nicht aufs Neue in die Debatte eintreten,
da neue Momente hier m. E. nicht beigebracht find.

Vortrefflich find die Ausführungen Reville's im letzten
Abfchnitt, in welchem er zeigt, dafs der Epifkopat, wie
ihn Ignatius vorausfetzt und befpricht, nicht der katho-
lifche Episkopat ift, dafs er noch keine univerfalen,
clericalen und juriftifchen Merkmale trägt, dafs Alles
noch perfonell, moralifch und charismatifch ift, und dafs
man fich in die Sprache und Terminologie des Ignatius
einarbeiten mufs, um ihn nicht zu mifsdeuten. In der
That — wer Ignatius oberflächlich ftudirt, wird fich überall
veranlafst fühlen, ihn mit den Mitteln der Theologie und
der Zuftände des 3. und der folgenden Jahrhunderte zu
erläutern; wer ihn aber genau ftudirt, wird finden, dafs
er fich durch diefe Mittel um das Verftändnifs des Autors
bringt.

S. 81 f. trägt Reville eine neue Erklärung der viel
befprochenen Stelle ad Ephes 3 (0« hjiLov.mtoi 01 -/.aza
ra nsQctza ÖQ-ioirevtes) vor. Er fafst fie, wenn ich recht
fehe, nach Analogie von Smyrn. 8, 2: Chriftus ift in uni-