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Ausgabe:

1891 Nr. 1

Spalte:

340-341

Autor/Hrsg.:

Blumstengel, K.G.

Titel/Untertitel:

Christenlehre in Frage und Antwort. Ein Handbüchlein für die chrisliche Gemeinde 1891

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 13.

fichten wie den Weizen'. — ,Wie der Hahnenfchrei den
nahenden Tag verkündete, was follte er fo auch für den
armen Petrus verkündigen? Den Morgen des grofsen Ver-
föhnungstages'. — ,Zu befchreiben ift diefer Blick des
Herrn nicht; was kann und foll aber jeder Sünder? Ihn
in feinem Herzen nachempfinden'. — ,Was hat er in dem
Blicke des Herrn wohl gelefen? Die rettende Hand (!)
des Herrn'. — .Pilatus traut feinen Ohren nicht; was
glaubt er? Er glaubt nicht recht gehört zu haben.' —
,So ift denn nun alles endlich nach den Wünfchen der
Hohenpriefter geordnet; und was können fie nun? Sie
können nun ruhig fchlafen. Wozu haben wir jedoch
durchaus keine Urfache? Sie um diefe Ruhe zu beneiden
' u. f. w. Diefe Beifpiele liefsen fich mindeftens
um das Vierfache vermehren. Man fieht, man kann an
diefem Buche geradezu Studien machen, wie man nicht
fragen foll. Auch der Bibelfpruch und der Vers des
Kirchenliedes, in welchem am Schluffe jede Unterredung
kurz und oft treffend zufammengefafst ift, wird in den
meiften Fällen durch die Frage den Schülern nicht nahegelegt
werden. Von der hie und da zur Geltung kommenden
Harmoniftik, von willkürlichen Ergänzungen des
gefchichtlichen Verlaufs, einzelnen Unrichtigkeiten, einigen
dogmatifirenden Epifoden und verfchiedenen Sprüngen
im Gedankengang will ich nicht weiter reden; aber es
ift fehr bezeichnend, dafs gerade an allen folchen Punkten
auch die Fehler in der Frageweife befonders auffallend
hervortreten. Aber einige Abfonderlichkeiten mufs ich
noch erwähnen. Hierher gehört es, wenn bei der Gefangennahme
und dem Procefs Jefu der Katechet ausführlich
erklärt: ,Lampen find Lichtgefäfse mit Docht'
und ,ein falfches Zeugnifs ift ein Zeugnifs, was nicht
wahr ift'; oder wenn die Behandlung des Leidens in Geth-
femane unterbrochen wird: ,Was heifst aber Zittern?
Zittern heifst in kurzen, kaum bemerkbaren Schwingungen
fich hin und her bewegen .... Was war es denn, was
dem Herrn hier zittern machte? Seine Angft und Bangigkeit
vor dem Leiden, was um der Sünde willen über ihn
kommen follte'. — Weiter höre man folgende Erörterungen
! ,Wenn wir zur Sommerszeit über fumpfige Wiefen
gehen, was bemerken wir da in der Dunkelheit des Abends?

Wir bemerken hüpfende und tanzende Irrlichter (?)......

Judas war auch ein folches Irrlicht'. — ,Maria hat alfo
(bei der Salbung), fich felber unbewufst, gethan, was ge-
fchehen mufste, und was, wenn es nicht gefchehen wäre,
ein ewige Schmach für die Menfchheit gewefen wäre.
Denn was mufste dem Erlöfer zu Theil werden, der fich
anfehickte, fein Leben zur Erlöfung der fündigen Menfchheit
in den Tod zu geben? Eine Huldigung, die ihm
den Dank des Menfchengefchlechts verbürgte'. — ,Wie
er, der Herr der Herrlichkeit, einft im Stalle geboren
worden war, womit würde er auch jetzt (beim letzten
Mahl), wenn fich fonft kein Platz gefunden hätte, zufrieden
gewefen fein? Mit einem Stalle'. — ,Wenn alfo die
Vaterhände Gottes uns auch fchlagen, was follen wir
doch thun? Sie fefthalten (!). Und uns an ihnen emporziehen
zu dem Vaterherzen Gottes'.

Doch genug! Es ift fchade, wenn der Mangel an
Umficht, Selbftkritik und Schärfe des Denkens die Früchte
des Fleifses fo beeinträchtigt, zumal bei einem Stoffe wie
dem hier behandelten.ä)

Magdeburg. W. Bornemann.

1) Anm. Das .Pfarrhaus', Aprilheft 1891, empfiehlt freilich diefe
Arbeit mit den Worten: ,Sämmtliche 22 Katechefen find klar im Aufbau,
gründlich in der Behandlung des Stoffs und korrekt in der Frage-
ftellung (!), und dies ift zu ihrem Lobe genug'. — Wenn's nur
wahr wäre.

Blumstengel, Divif.-Pred. Dr. K. G., Christenlehre in Frage

und Antwort. Ein Handbüchlein für die chriftliche
Gemeinde. Dresden, Höckner's Buchh., 1891. (VII,
120 S. 8.) M. 1. 20.

Diefem Büchlein merkt man es mit Freude an, dafs
es .unter den Arbeiten des Amtes und den Erfahrungen
des Lebens' entftanden ift. Eine ganze Maffe theoreti-
fchen Stoffes, die fonft derartige Lehrbücher zu belaften
und zu verwäffern pflegt, ift ausgefchieden. Auf die
wichtigften praktifchen Fragen und Einrichtungen ift in
der Kürze eingegangen, auch mit Gefchick Neues eingefügt
. Z. B. halte ich die Behandlung des ,Aerger-
nifses' für nothwendig und werthvoll und für eine neu-
teftamentliche Bereicherung der altteftamentlichen Ethik.
Die Reihenfolge: Taufe, Glaube, Gebote, Gebet, Beichte,
Abendmahl fcheint mir ebenfalls die glücklichfte. Auch
fonft hat fich der Verfaffer von dem rein theoretifchen
Schematismus der Tradition oft in glücklicher Weife freigemacht
. Ob es freilich überhaupt möglich ift, in 412
katechetifchen Fragen eine genügende, ,zufammenhän-
gende Einführung in das evangelifche Lehrganze' zu
geben, ift mir zweifelhaft. Man könnte leicht zu dem
vom Verf. behandelten Stoff noch manchen praktifchen
Glaubensgedanken aus der Schrift, noch manches für
die Gegenwart wichtige chriftliche Problem hinzufügen.
Ebenfo ift der Satz ,Die vorliegende Chriftenlehre hält
fich völlig felbftändig und unabhängig' doch nur für
Form, Anordnung und Methode richtig; und auch die
Verheifsung ,Es ift nichts Erdachtes und Gemachtes
darin' erleidet thatfächlich einige wenige Einfchränkungen.
Wenigftens halte ich folgende Theilung für gefucht und
,gemacht': ,246. Wann liebft du Gott von ganzem
Herzen? Wenn ich mit aller Innigkeit an ihm hange.
247. Wann liebft du Gott von ganzer Seele? Wenn ich
mit aller Befonnenheit für ihn wirke. 248. Wann liebft
du Gott von ganzem Gemüthe? Wenn ich in allerTreue
an ihm fefthalte und auch in Noth und Verfolgung nicht
von ihm laffe'. Ebenfo wird der Ausdruck .Sitzen zur
Rechten Gottes' unnatürlich zerriffen: ,182. Was bezeichnet
die Rechte Gottes? 183. Was bedeutet das Sitzen?' Gezwungen
ift auch wohl 164: ,Inwiefern bildet das Be-
gräbnifs die letzte Stufe der Erniedrigung des Herrn?
Weil vermöge des göttlichen Fluches der Leib des Men-
fchen, von Erde genommen, wieder zur Erde zurückkehren
follte, fo mufste auch der heilige und darum unverwesliche
Leib unferes Herrn der Erde übergeben
werden'. Auch ift mir nicht deutlich geworden, wie
Act. 4, 12 zur Frage 259 und Gen. 2, 3. Hebr. 4, 9. 10.
zu Frage 267 pafst. Die Abhängigkeit von der katechetifchen
Ueberlieferung zeigt fich trotz aller äufseren
Selbftändigkeit fachlich doch noch fo ftark, dafs es fich
fragt, ob diefe Chriftenlehre, wenn fie fich genauer an
Luther's kleinen Katechismus und an die heilige Schrift
angefchloffen hätte, nicht noch erheblich brauchbarer
geworden wäre. Als folche Nachwirkungen der katechetifchen
, bezw. theologifchen Tradition betrachte ich
die immerhin milde und weitherzige, aber in ihrer har-
monifirenden Tendenz nicht evangelifch klare Stellung
zum Schöpfungsbericht (82, 97) und dritten Gebot (261),
das Umgehen der einfachen Deutung ,Chriftus' = König
des Gottesreiches (112), die Erklärung von Mt. 27,46(145;,
die Erörterung über die Verföhnung Gottes '161, 162),
die Einfeitigkeit der Engellehre (70), bei welcher Stellen
wie 1 Kor. 6, 3 beharrlich ignorirt werden; die Erörterungen
über den Urftand (94 b, 101 a), den Schriftbeweis
für die Gleichwefentlichkeit des Geiftes aus Mt. 28, 19.
2 Kor. 13, 13 (199), das willkürliche Verftändnifs von
Act. 2, 3 xdi d'jty&rfiar ctvxolc 6taii6Qi^6pevai yXnOGai
coeil ixvqÖc xxX. (209), die Identificirung von Kirche und
Reich Gottes (215), die Behauptung, dafs Jefus feine
Wunder ,nicht in ihm übertragener, fondern in eigener,
ihm innewohnender Kraft' verrichtet habe (140), die Er-