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Ausgabe:

1891 Nr. 13

Spalte:

325-329

Titel/Untertitel:

Texts and Studies. Contributions to biblical and pastristic literature 1891

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 13.

326

(ein Pharifäer), Zweck, Stil, Titel, 8) die Beziehungen
zur übrigen jüdifchen Literatur, 9) VVahrfcheinlichkeit
eines hebräifchen Originales, 10) Charakter der griechi-
fchen Ueberfetzung, 11) Alter der griechifchen Ueber-
fetzung.

Für die Beftimmung des Alters der griechifchen
Ueberfetzung wird mit Recht die merkwürdige Parallele
zwifchen Pfalm XI und dem griechifchen Buch Baruch
Cap. 5 verwerthet. Die Berührungen zwifchen beiden
find fo ftarke, dafs hier nothwendig ein literarifches Ab-
hängigkeitsverhältnifs angenommen werden mufs. Sind
aber die Pfalmen urfprünglich hebräifch verfafst, fo mufs
ihre griechifche Ueberfetzung dem Verfaffer des Buches
Baruch vorgelegen haben. Die Herausgeber halten daher
wie Ref. das griechifche Buch Baruch für jünger als
die falomonifchen Pfalmen, und fetzen die griechifche
Ueberfetzung der letzteren noch in das erfte Jahrhundert
nach Chr.

Eine dankenswerthe Beigabe ift der Anhang über
die fünf Pfalmen (wrW) Salomo's, welche in dem gno-
ftifchen Buch Pisas Sophia citirt werden. Die Herausgeber
haben fie (S. 155 —161) in's Griechifche zurück
uberfetzt und unterfuchen (S. XXIII—XXVII) die Ge-
fchichte ihrer Ueberlieferung in der Kirche. Sie glauben,
dafs fie einen Anhang zu den älteren 18 falomonifchen
Pfalmen gebildet haben, welcher dem Verfaffer der
Stichometrie des Nicephorus, dem Lactantius und dem
Verfaffer der Pistis Sophia vorgelegen habe (S. XXV).
Urfprünglich jüdifch oder chriftlich feien fie jedenfalls
fpäter chriftlich interpolirt worden (S.XXV). Für irgend
welchen Zufammenhang mit unfern 18 Pfalmen fpricht
allerdings der Umftand, dafs eine diefer tpdai als neunzehnte
bezeichnet wird. Eine nähere dogmengefchicht-
liche Würdigung ihres Inhaltes hat kürzlich Harnack
gegeben (Texte und Unterfuchungen VII, 2, 1891, S. 35
bis 49). Er fucht zu zeigen, dafs es gnoftifche Producte
des zweiten Jahrhunderts aus Aegypten find.

Kiel. E. Schürer.

Texts and Studies. Contributions to biblicai and pastristic
literature, edited by J. Armitage Robinson, M. A.
Vol. I. No. 1. Cambridge, at the University Press,
1891. (gr. 8.) 5 s.

Inhalt: The apology of Aristides, edited and translated by J.
Rendel Harris, M. A., with an appendix by J. Armitage Robinson,
M. A. (VII, 118 u. 28 S.)

2. Artikel (vgl. Nr. 12, Sp. 301.)
Wer von der neuen Apologie neue Auffchlüffe über
die Urgefchichte des Chriftenthums oder über die Ausprägung
der chriftlichen Verkündigung erwartet, fieht
fich getäufcht. In erfterer Hinficht enthält fie fo gut wie
nichts1) und in letzterer nichts, was wir nicht fchon

1) Stillfchweigend ift an drei Stellen das i. Cap. des Römerbriefs
unzweifelhaft benutzt, f. v. 25 Apol. 3, v. 23 Apol. 4, v. 22 Apol. 8. Andere
Berührungen mit NTlichen Briefen find unficher, (Coloff. 1, 17 Apol.
1; Rom. 7,8 Apol. 11 fin.; Rom. 7, 12. 16 Apol. %fin.; Hebr. 11,8. 9
Apol. 14; Hebr. 2, 9 ift Apol. 15 in G nachgebildet, aber G hat hier
nicht den urfprünglichen Text, dasfelbe gilt für Rom. 10, 2 Apol. 15).
C. 15 G (= c. 2 S A) verweift der Apologet den Kaifer auf die Leetüre
der ,nag' avxoiq (XpioxiuvoTg) xai.ovftevtj evayyti.txrj ygaipif. Welch
ein Evangelium er raeint, fagt er nicht; aber foviel ift deutlich, dafs die
Evangelienfchrift die Geburtsgefchichte Jefu enthalten haben mufs und
zwar in der Faffung des Lucas, denn lucanifch ift das Kerygma des Ver-
faffers (ovxoc de 0 vwq xov *eof vxpioxov buoXoytlxai iv nvevpaxi
ctylu) an ovgavov xaxaßdq). Hat der Verf. demnach das Lucas-Ev.
vor Augen gehabt, fo darf man doch nicht behaupten, dafs er diefes Evangelium
ausfehiefslich gemeint hat. Scheint doch in der obigen Stelle eine
Kombination von Luc. und Joh. vorzuliegen. Nach S verweift Ariftides den
Kaifer noch mehrmals auf (chriftliche) .Schriften', f. c. 15, 16 (dreimal),
17. An der letzteren Stelle heifst es: ,Thus far, 0 hing, it is I that hav;
spähen. For as to ivhat nmains, as was said above, there art found
in thtir other writings words which an difßcull to speak, or that one
should repeat them; things which an not only said, but actually done'.
In G fteht c. 16 der Satz: 'ha yvwq, ßaotbev, ort ovx an ifxavxov

wüfsten. Allein eben defshalb ift fie uns ein willkommener
Zeuge; denn fie belehrt uns, dafs wir aus dem I.Clemensbrief
, der Didache, Juftin u. a. Sehr, den Typus der
heidenchriftlichen Frömmigkeit wirklich richtig ermittelt
haben und nicht etwa nur eine Specialform derfelben
kennen. Die Apologie des Ariftides kann fich, was theo-
logifche Einficht, Kunft und Gelehrfamkeit betrifft, nicht
im Entfernteften mit Juftin's Arbeiten meffen; aber fie
giebt die Grundzüge des chriftlichen Hellenismus mit
aufserordentlicher Kraft und Klarheit wieder. Wer fich
als Theologe einen Sinn für die durchfchlagende Gewalt
einfacher Gedanken bewahrt hat, wird die neue
Apologie gerne lefen und fich am Schlufs ergriffen
fühlen von dem Gemälde des Lebens der alten Chriften-
gemeinden. Die Apologie erinnert ftark an die Didache,
an die Fragmente des Kerygma Petri und an den Diognet-
brief1) Die entfeheidende Hauptfache ift dem Verfaffer
der geiftige Monotheismus2). Seine religiöfen Beziehungen
fcheinen fich in der Beziehung auf den allmächtigen
Gott, den Schöpfer Himmels und der Erde,
zu erfchöpfen. Den geiftigen Monotheismus legt er im
Eingang feiner Rede dar, die wichtigften Beweife hinzufügend
(verfchiedene Formen des kosmologifchen Be-
weifes)3). Den Haupttheil der Rede bildet die Widerlegung
des Polytheismus der Chaldäer, Griechen und
Aegypter. Ariftides zeigt, dafs die Bilder, die Elemente,
die Menfchen, die griechifchen Götter, die den Aegyptern
heiligen Thiere nicht Gott fein können. Seine Beweisführung
erfcheint uns naiv und kindlich; aber ein Satz
wie der (c. 13): tpavegdv ovv soxiv, tu ßaoilei, rtXavrtv
eivai n&aav xipv txeqi xmv iPewv cpvoioXoyictv, oder der
andere (ibid.): el tiev ydo itvlriv.ai at negi avxcov iff-
zogiui, ovdev eiaiv ei /.ti) itoi'ov Xoyor ei de rpvoty.ai,
ovv. ext (reoi eiatv nt xavxa noitjOaixeg v.ai sratrövxeg' ei
de aXXiqyo gtxai, iiviroi eiest v.ai ovv. aXXo xi, beweifen,
dafs der Verf. die Religionsphilofophie des Zeitalters
kennt. Auch die Rückficht auf die .Poeten und Philo-
fophen' der Polytheiften und der Hinweis darauf, dafs
die fchlechten griechifchen Götter von den guten und
gerechten griechifchen Gefetzen gerichtet werden, zeigt
den gebildeten Mann. Vergleicht man freilich hier die
Apologie des Juftin, fo erkennt man, dafs das Problem,
welches die griechifche Philofophie dem denkenden
Chriften bot, dem Ariftides entweder noch nicht aufgegangen
ift, oder er es abfichtlich zurückfehiebt.
Nach feiner Prämiffe — Inhalt der Religion ift der allmächtige
, eine Gott — hätte er die Philofophie der
Griechen (Plato und Ariftoteles) fcharf von der griechifchen
Religion unterfcheiden und jener mindeftens Wahrheitsmomente
zuerkennen müffen. In der That operirt
er in der Darlegung des Monotheismus mit platonifchen
und ariftotelifchen Gedanken, fogar wörtlichen Citaten.
Dennoch hat er es in der Darlegung — wie der Verf.
des Diognetbriefs — verfchmäht, auf die Philofophie

xavxa Xiya>, xaiq ygatpalq iyxiipaq xüiv Xgioxiavujv (cf. I Clem 45.
2. 53, 1. 62, 3. 40, 1) eigtjOtiq ovdii- el-to xijq äXvtPelaq ue Xiyetv
Welche Schriften das find, läfst fich aber nicht ermitteln. C. 15 heifst
es von den Chriften: hyovoi xaq ivxoXaq avxov xov xvgt'ov 'Itjoov
Xgiaxov iv xalq xagSiaiq xeyapayuivaq. Der Eingang der Apol. ift
EL Macc. 7, 28 nachgebildet. Die Worte: xoiq äneoxaluivovq ngbq
avxovq npo<pt]xaq xai Sixaiovq anixxtivav fehlen in S. Daher find
fie fchwerlich urfprünglich und dürfen hier nicht verwerthet werden.

1) Diefe Berührungen hat Robinfon (f. auch Harris) wohl bemerkt
. Eine Recenfion der Didache hat Ariftides vielleicht gekannt.
In feiner apologetifchen Art ift er dem Verf. des Diognetbriefs fehr verwandt
und wirft demgemäfs ein erfreuliches Licht auf den räthfelhaften

Brief. Die Beziehungen zum Kerygma Petri hat Robinfon S. 86_99

mit grofser Gelehrfamkeit unterfucht, aber m. E. zuverfichtlichere Schlüffe
gezogen, ^ als das fchmale und theologifch farblofe Quellenmaterial zuläfst.
Auch zwifchen der fyrifch erhaltenen pfeudomelitonifchen Apologie und
der unfrigen befteht eine gewiffe Verwandtfchaft.

2) Die Sachparallelen mit Juftin und den anderen Apologeten find
hier und im polemifchen Abfchnitt fehr zahlreich.

3^ Wie im Diognetbrief ift von der Ausführung des Weisfagungs-
beweifes abgefehen, daher auch das A. T. nicht verwendet, aber als
eigentliches Beweismittel empfohlen.