Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1891

Spalte:

273-275

Autor/Hrsg.:

Löw, Leopold

Titel/Untertitel:

Gesammelte Schriften. Hrsg. v. Immanuel Löw. I. u. II. Bd 1891

Rezensent:

Schürer, Emil

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Kiel.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 11.

30. Mai 1891.

16. Jahrgang.

Low, Gefammelte Schriften (Schürer).
Reufs, Die Gefchichte der heiligen Schriften
Alten Teftaments, 2. Ausg. (Guthe).

Tappehorn, Erklärung der Genefis (Guthe).

Albers, Die Quellenberichte in Jofua I—XII
(Hollenberg).

Gloag, Introduction to the Johannine writings
(Schürer).

Gayet. Le grand schisme d'Occident t. I et II
(Befs).

Müller, Das Konklave Pius' IV 1559 (Virck).
Saftien, Die Verhandlungen Kaifer FerdinandI.
mit Papft Pius IV. über den Laienkelch (Derf.).

Sander, Friedrich Lücke (Eck).
Assemblee generale de la sodele" evangelique
de Geneve (Eck).

Spitta, Zur Reform des evangelifchen Kultus

(Baffermann).
Witz, Der zweite Brief Petri (Achelisf.

Low, Leop., Gesammelte Schriften. Herausgegeben von j heifsen: du follft thun oder nicht thun! Dem Glauben
Immanuel Low. i. und 2. Band. Szegedin, A. Baba, 1 wird nicht befohlen; denn der nimmt keine andere Be-

t> ' 1 r„ LI ~__ A,^ Aon Ä/orr Ha«- I phAr-7fnirfiinrt '711 1H m

1889—1890. (471 u. 479 S. gr. 8.) a M. 7. —
Der vor einigen Jahren verftorbene jüdifche Gelehrte

fehle an, als die den Weg der Ueberzeugung zu ihm
kommen'. Diefe Deutung der äufserlich gefetzlichen
Richtung des Pharifäismus im Sinne der modernen

Leop. Low in Szegedin gehörte zu den geachtetften | Aufklärung hat felbftverftändlich grofsen Beifall ge
wiffenfchaftlichen Vetretern des modernen Judenthums, 1 funden. Viele Nachfolger des Meifters haben feitdem

in feiner ruhigen Art mehr an Joft und Frankel, als an
Geiger und Grätz erinnernd. Dafs er bei chriftlichen
Gelehrten weniger bekannt ift als diefe, hat feinen Grund
darin, dafs er keine gröfseren Werke über umfaffendere
Themata gefchrieben hat. Am bekannteften ift wohl
fein Buch: ,Die Lebensalter in der jüdifchen Literatur'
(Szegedin 1875). Wie fruchtbar er aber doch als Schrift-
fteller war, zeigen die ,Gefammelten Schriften', in welchen
nun die zahlreichen einft in Zeitfchriften erfchienenen
Abhandlungen vereinigt werden follen. Nach einem dem
Ref. vorliegenden Profpecte ift die ganze Sammlung auf

in hohem Selbftgefühl auf die Befchränktheit der chriftlichen
Theologen mit ihrem Werthlegen auf Glaubens-
fatzungen herabgefehen. Das Selbftgefühl ift doch auch
auf dem Standpunkte des rabbinifchen Judenthums nur
ein relativ berechtigtes. Schon die Mifchna fagt San-
hedrin X, I: ,Folgende haben keinen Antheil an der
künftigen Welt: Wer fagt, die Auferftehung der Todten
fei nicht im Gefetze gelehrt, und das Gefetz flamme
nicht vom Himmel, und Epikuros' [= der Leugner der
Schöpfung und Regierung der Welt durch Gott]. Und
Maimonides hat in feinem Commentar zu diefer Stelle

fechs Bände berechnet. Erfchienen find davon die beiden [ dreizehn Grundlehren des Judenthums aufgehellt, ohne

erften. Sie verdienen es wohl, dafs auch chriftliche Ge
lehrte davon Kenntnifs nehmen. Wenn auch die behandelten
Stoffe nur theilweife ein unmittelbares Intereffe
für uns haben, fo ift es doch felbft bei Behandlung
fpecififch jüdifcher Fragen von Intereffe, zu fehen, in
welcher Weife diefe von einem Gelehrten erörtert werden,
der talmudifches Judenthum und moderne Bildung in fich
zu vereinigen ftrebte. An Belefenheit in der rabbinifchen
Literatur fleht Low den Beilen nicht nach. Und an
Fähigkeit der Darftellung ift er beffer als viele Andere.

Der erfte Band behandelt dogmatifche und hifto-
rifche Stoffe. An die Spitze gehellt ift ein Auffatz ,über

deren Anerkennung man, wie die Mifchna fagt, keinen
Antheil an der künftigen Welt haben könne (f. die lat.
Ueberfetzung von Maimonides' Commentar in Surenhufius'
Mifchna-AusgabeIV,2Ö3f.). Auch imSchofse des modernen
Judenthums hat die Mendelsfohn'fche Behauptung doch
mehrfach Oppofition gefunden. Als ein Vertreter der-
felben erweift fich auch Low in den genannten beiden
Auffätzen.

Auf eine andere fehr lebhafte Controverfe bezieht
fich die Abhandlung ,Die Tradition'(S. 241—317). Nach
orthodox rabbinifcher Anfchauung ift der geflammte Inhalt
des Talmud fchon dem Mofes geoffenbart worden

den Geift des Talmuds' (S. 1—13), bei welchem dem ', und von diefem unverändert auf dem Wege der münd-
Referenten das Intereffantefte der Titel der Zeitfchrift I liehen Ueberlieferung zwei Jahrtaufende hindurch bis zu
war, in welcher er urfprünglich erfchienen ift. Er lautet | feiner fchriftlichen Fixirung fortgepflanzt worden. In
nämlich: .Unparteiifche Univerfal-Kirchenzeitung für die diefen Kreifen hat es daher einen Sturm der Entrüftung
Geiftlichkeit und die gebildete Weltklaffe des proteftan- j erregt, als Frankel in feiner Einleitung in die Mifchna
tifchen, katholifchen und ifraelitifchen Deutfchlands . . . j (1859) die allmähliche Ausbildung der Gefetzestradition
herausgegeben von J.V.Hoeninghaus, Frankfurt a/M. 1837'. ! darftellte. Low tritt für Frankel ein und zeigt an
So weitherzige Kirchenzeitungen giebt es doch fchon I fchlagenden Beifpielen die Unhaltbarkeit des orthodoxen
lange nicht mehr. — Ein zweiter Auffatz : ,Die Reform ' Standpunktes. Diefer erfcheint uns abfurd. Aber giebt

des rabbinifchen Ritus auf rabbinifchem Standpunkte'
(S. 15- 29) fpricht fich für mafsvolle Reformen aus. —
In eine Controverfe, welche das moderne Judenthum
vielfach bewegt hat, führen uns zwei Auffätze ein: ,Die
Grundlehren der Religion Israels' (S. 31—52) und Jüdifche
Dogmen' (S. 133—176). Da das talmudifche Judenthum

es nicht noch viele chriftliche Theologen, welche für
die Zeit des biblifchen Schriftthums ebenfo die Annahme
jeder ,Entwickelung' perhorrefeiren?

Aufser der letztgenannten Abhandlung ift eine der
umfangreichften die über die ,Lebensbetrachtung des
Judenthums' (S. 53—131). Sie Hellt die biblifchen und

das Hauptgewicht auf das correcte Handeln legt, nur talmudifchen Anfchauungen über Verlauf und Werth des
diefes ftreng bis ins Einzelnfte regelt und den religiöfen menfehlichen Lebens und die Regeln über die Lebens-
Meinungen einen fehr freien Spielraum läfst, fo konnte führung zufammen. Sehr ausführlich werden S. 86—101
Mofes MendelsfohU) in feinem Jerufalem' mit einem ge- I die Anflehten über den Werth des Gefetzesftudiums und
wiffen Rechte behaupten: ,Unter allen Vorfchriften und S. 107—114 die über das Fallen dargeftellt. In beiden
Verordnungen des mofaifchen Gefetzes lautet kein ein- Beziehungen ift der Verf. objectiv genug, Dinge zuzu-
ziges: du follft glauben oder nicht glauben; fondern alle geben, die ihm nicht fympathifch find.

273 274