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Ausgabe:

1891 Nr. 10

Spalte:

245-247

Autor/Hrsg.:

Jeremias, Alfr.

Titel/Untertitel:

Izdubar-Nimrod. Eine altbabylonische Heldensage 1891

Rezensent:

Budde, Karl

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245 Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 10. 246

alle beliebigen Einfälle regiftriren, fondern nur Materialien
zur Berichtigung oder Controle der autorifirten Ueber-
fetzung geben. Es find alfo nur dann ,abweichende
Ueberfetzungen' notirt, wenn nach dem überwiegenden
Urtheil der neueren Exegeten die autorifirte Ueberfetzung
unrichtig oder ungenau ift oder wenn die Erklärung
zweifelhaft fein kann. Dafs bei diefen Grundfätzen die
Zahl der Anmerkungen keine gröfsere ift, ift ein höchft
ehrenvolles Zeugnifs für die authorised version. Wenn
eine Verbefferung ,das allgemeine Urtheil der Gelehrten'
(the gcncral verdict of scholars) für fich hat, fo ift fie
ohne Nennung eines Namens angegeben. Gehen die
Meinungen mehr oder weniger ftark auseinander, fo find
die Namen der Vertreter beigefügt. Für die neue Auflage
ift hier manches hinzugekommen. Durchgängig be-
rückfichtigt ift namentlich (mit der Bezeichnung R) die
officielle oder officiöfe Revifion der authorised version
vom Jahre 1885. 2) Wenn fchon diefe ,abweichenden
Ueberfetzungen' ein fpecielles Intereffe für den Bibeltext
beim Lefer vorausfetzen, fo ift dies in noch höherem
Mafse der Fall bei den ,abweichenden Lesarten'.
Durch fie wird der nicht-theologifche Lefer tief in die
gelehrte Arbeit der Theologen eingeführt. Der Charakter
der .abweichenden Lesarten' ift felbftverftändlich beim
Alten Teftamente ein anderer als beim Neuen. Dort,
wo der maforethifche Text keine nennenswerthen Varianten
darbietet, handelt es fich nicht um Lesarten des
hebräifchen Textes, fondern um Correctur desfelben
theils auf Grund der alten Ueberfetzungen, theils auf
Grund gelehrter Vermuthungen, zuweilen auch nach den
Parallelftellen in anderen Büchern des Alten Teftamentes.
Mit grofser Sorgfalt ift von diefer Art alles notirt, was
in den neueren Arbeiten beachtenswerth fchien. Durch
fehr einfache und finnreiche Mittel wird dem nicht-theo-
logifchen Lefer fogar ein Urtheil über den Charakter der
Correctur ermöglicht. Wenn nämlich der abweichende
beffere Sinn nur durch Aenderung eines oder zweier
Buchftaben des hebräifchen Confonantentextes erreicht
wird, ift dies durch ein beigefetztes (l) angedeutet; wenn
nur durch Aenderung der Vocalpunkte, durch ein (pts).
Selbftverftändlich ift überall auch angegeben, wo die
Verbefferung auf dem Septuaginta-Texte beruht. Beim
Neuen Teftamente find die Lesarten aller befferen Hand-
fchriften, foweit fie für den Sinn irgendwie in Betracht
kommen, angegeben unter Beibehaltung der im gelehrten
Gebrauch eingebürgerten Sigla (tt A B C D u. f. w.). Da
die authorised version auf dem Erasmus'fchen Texte beruht
, fo ift die Zahl diefer Varianten eine fehr grofse.
Sowohl beim Alten als beim Neuen Teftamente find den
abweichenden Lesarten ftets auch die Namen derjenigen
Gelehrten beigefügt, welche fie billigen.

Unfere deutfche Literatur hat nichts aufzuweiten,
was diefer englifchen Arbeit entfpräche (denn die Polyglottenbibel
von Stier und Theile ift doch wieder von
anderer Art). Sie darf daher auch deutfchen Lefern angelegentlich
empfohlen werden.

Kiel. E. Schürer.

Jeremias, Dr. Alfr., Izdubar-Nimrod. Eine altbabylonifche
Heldenfage. Nach den Keilfchriftfragmenten darge-
ftellt. Leipzig, Teubner, 1891. (VIII, 73 S. m. 4 Taf.
u. Abbildgn. gr. 8.) M. 2. 80.

Eine fehr erwünfchte Gabe. Von dem Izdubar-Helden-
gedicht war uns die Sintfluthepifode in immer neuen und
verbefferten Ueberfetzungen zugänglich gemacht; über
den Zufammenhang, dem fie entnommen ift, lagen wohl
Mittheilungen vor, aber es liefsen fich daraus doch nur
höchft unklare und unvollftändige Vorftellungen gewinnen
. Der reiche Zufammenhang des Ganzen, den der
Verf., bereitwillig!! unterftützt von einer Reihe namhafter
Affyriologen, wie Haupt, Harper, Bezold, Delitzfch, Zimmern
, vor uns aufrollt, läfst einen fo tiefen Blick in das
Geiftesleben der Völker am Euphrat und Tigris thun, wie
er bisher an einem einzelnen Punkte noch nicht möglich
war. Seite 1 —10 behandeln in 4 Abfätzen einleitende
Fragen. Izdubar bleibt eine conventioneile Lefung, Nim-
rod ein frommer Wunfeh, wenn auch eine entfprechende
Namensform fprachlich möglich ift. Sachlich ift die
Gleichftellung nach Jeremias wohl begründet. ,Die Keil-
fchriftlitteratur kennt nur einen Nationalhelden, den Izdubar
, der als Löwentödter dargeftellt und im Epos als
gewaltiger Jäger gefchildert wird [ich finde bei ihm keine
folche Stelle], welcher durch einen Heldenkampf Baby-
lonien von der elamitifchen Herrfchaft befreit (Erech,
Babel und Nippur werden in den Fragmenten genannt)
und zum Lohne dafür den Königftuhl der Stadt Erech
befteigt, in der er fchon früher als Held berühmt geworden
war'. Für Izdubar .wagt' Jeremias eine Auflöfung
= ,Mann - Gott, Richter des Irdifchen'. ,Die uns erhaltenen
Thontafelfragmente des Epos find Bruchftücke von
ca. vier Bibliothekexemplaren' des Afurbanipal; am
Schlufs der Wiedergabe (S. 44) wird dringend zur Wiederaufnahme
der Ausgrabung in Ninive, insbefondere zur
vollftändigen Förderung diefer grofsartigen Bibliothek,
i ermahnt. Den hiftorifchen Hintergrund bildet die Befreiung
Babyloniens von einer elamitifchen Zwingherr-
fchaft, erfchloffen aus der Bewegung des Humbaba, deffen
Name elamitifch ift. Diefe Zwingherrfchaft mit der von
Beroffus auf 2450—2250 v. Chr. gelegten gleichzuftellen,
wozu auch Verf. zu neigen fcheint, hat doch wohl feine
Bedenken, wenn fchon ,die babylonifchen Siegelcylinder
der älteften Könige unzweideutig Scenen aus dem
Epos wiedergeben'; es müfste denn der Sieg über Humbaba
ein fpäterer Zuwachs fein. Mythologifch ift das
Epos vor allem deshalb wichtig, weil es in gefchloffe-
I nem Zufammenhang nebeneinander eine grofse Fülle
göttlicher Wefen bietet und damit einen gewiflen Anhalt
zur Herftellung eines Syftems. Ob die Schreiber Afur-
banipal's fchriftliche babylonifche Vorlagen benutzt haben,
wiflen wir nicht, doch haben fie jedenfalls feit Jahrhunderten
fortgepflanzte Rhapfodien niedergefchrieben. Die
Annahme nur eines Verfaffers ift höchft unwahrfchein-
lich, eines einzelnen Rhapfoden Name ift uns in einem
affyrifchen Literaturkatalog überliefert. Die Sprache wogt
auf und ab zwifchen Profa und Hymnus. Das ganze
Werk umfafst 12 Thontafeln, von denen die Tafeln V,
VI, X, XI, XII numerirt, die Tafel II unnumerirt in
leidlich gutem Zuftand aufgefunden find; von Tafel I
wenigftens die Anfangsworte ficher, wahrfcheinlich noch
ein weiteres Bruchftück; Bruchftücke endlich noch von
III, IV, VIII, IX. Danach führt I den Izdubar als Retter
der Stadt Uruk (bibl. Erech) aus einer Belagerung ein,
in II liegen alle Bewohner der Stadt dem Kriegshelden
zu Füfsen. Das heldenhafte Mifchwefen Eabani wird ge-
fchaffen und nach Erech gelockt, nach des Verf.'s Auf-
faffung, ,um die beftrickende Gewalt Izdubar's zu lähmen
oder in andere Bahnen zu leiten', mir fcheint aus
den Bruchftücken eher hervorzugehen, um die Bewohner
Erech's des Kriegsdienftes zu entheben. Nachdem Izdubar
Kraftproben beftanden, die Eabani genügen (Löwenkampf
), fchliefsen III die beiden Freundfchaft. IV, V
erzählen die gemeinfame Bewegung des Humbaba in feiner
Stadt. Auf VI weift Izdubar die angetragene Liebe
der Istar, hier Stadtgöttin von Erech, unter beleidigendem
Hinweis auf ihre verderblichen Buhlfchaften ab. Ihr
Vater Anu erfchafft ihr zu Liebe den Himmelsftier, aber
die beiden Helden bewegen ihn. Tafel VII und VIII
' müffen Krankheit und Tod Eabani's erzählt haben. Auf
1 Tafel IX tritt Izdubar, mit Ausfatz gefchlagen, um Heilung
zu finden, die Reife zu feinem Ahn [ob ,mein Vater'
T. IX col. 3 dafür genügt?] Sit-napistim an [diefe Lefung
| des beroffifchen Xifuthros vertritt Verf. nach Jenfen
j und Delitzfch]. X erzählt die Fahrt über die Gewäfler
! des Todes und die Ankunft bei Sit-n. Auf Tafel XI er-