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Ausgabe:

1891

Spalte:

236

Autor/Hrsg.:

Wiedemann, Theodor

Titel/Untertitel:

Die religiöse Bewegung in Oberösterreich und Salzburg beim Beginn des 19. Jahrhunderts 1891

Rezensent:

Reusch, Franz Heinrich

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Seite 1

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235 Theologifche Literaturzeiting. 1891. Nr. 9. j;;

von älteren römifch-katholifchen Polemikern aufgeftellte
Behauptung, die Weihe Parker's zum Erzbifchof fei in
einem Wirthshaufe [The Nags Head) von Dr. Scory vorgenommen
worden, der felbft erft fpäter zum Bifchof
geweiht worden fei, ift jetzt allgemein als eine zuerft
im Jahre 1604 aufgebrachte boshafte Erfindung anerkannt.
Parker ift am 17. December 1559 von vier Bifchöfen
durch Handauflegung mit der Formel Accipe Spiritum
sanctum zum Erzbifchof confecrirt worden, und von jenen
vier Bifchöfen waren drei unbeftritten gültig confecrirte
Bifchöfe und auch die Confecration des vierten, William
Barlow, kann nicht wohl angefochten werden. — Das
vorliegende Buch ift nicht fehr geeignet, über die Frage
zu orientiren (dazu ift ein Buch von A. W. Haddan,
Apostohcal Suecession in the Church of England, 1869, geeignet
; vgl. einen die Hauptpunkte hervorhebenden
Artikel im Deutfchen Merkur 1875, 304); aber es bietet
in mehr als genügender Vollftändigkeit das urkundliche
Material, die Urkunden über die Confecration Parker's '),
den Beweis für den bifchöflichen Charakter derjenigen,
die ihn confecrirt haben, auch Barlow's (S. I—75), und
den Beweis, dafs die Form der Confecration Parker's
allen begründeten Anforderungen entfpricht (S. 162—217,
mit einer dankenswerthen Zufammenftellung der Formen
der Ordination aus den abendländifchen und morgenlän-
difchen Pontificalien). Der Verf. zeigt ferner, dafs die
apoftolifche Succeffion in der englifchen Kirche auch
fpäter nie unterbrochen worden und auf die bifchöflichen
Kirchen in Schottland und Nordamerika übergegangen
ift (S. 96—160) Zum Schluffe fügt er fo zu
fagen genealogifche Tabellen bei, durch welche die apoftolifche
Succeffion der englifchen Bifchöfe bis auf die
Apoftel zurückgeführt wird, wobei freilich die erften
Glieder fehr problematifcher Natur find (S.346—507); von
dem Erzbifchof Laud von Canterbury, der als Arcliiepi-
scopns et martyr bezeichnet wird, wird S. 118 gefagt, feine
,unzweifelhafte' Succeffion gehe zurück auf die von dem
heil. Paulus geweihten Bifchöfe Crescens von Vienne und
Trophimus von Arles, auf die von Philippus und Barnabas
geweihten Bifchöfe Jofeph von Arimathäa und
Ariftobulus u. f. w.

Der Verf. unterfcheidet S. 78 den katholifchen Grund-
fätzen entfprechend zwifchen potestas ordinis und potes-
tas jurisdictionis. Er fucht dann nachzuweifen, dafs die
unter Maria der Katholifchen eingefetzten Bifchöfe (S. 80)
und die fpäteren römifch-katholifchen apoftolifchen
Vicare (Titularbifchöfe) fowie die Mitglieder der 1850 von
Pius IX. errichteten Hierarchie keine legitime Jurisdiction
gehabt hätten und hätten, fondern als fchismatifche Bifchöfe
anzufehen feien (S. III). Das ift auf dem Standpunkte
des Verf.'s confequent; er geht aber fo weit, auch
die Gültigkeit der Weihe vieler diefer römifch-katholifchen
Bilchöfe anzuzweifeln, weil fie nicht von drei Bifchöfen
vorgenommen fei (5. IV).

Der Verf. betont S. XIII, die englifche Kirche habe
auch den katholifchen Glauben bewahrt und hebt dabei
hervor, dafs fie auch den Primat des römifchen Stuhles,
wie er von dem Concil von Chalcedon definirt worden
fei, anerkenne; die dem Könige zuerkannte Suprematie
ftehe damit nicht im Widerfpruch (S. VII). Auch fieben
Sacramente erkenne die englifche Kirche an; nur unter-
fcheide fie wie die älteren mittelalterlichen Theologen
Sacramenta mojora (Taufe und Abendmahl) und mmora
fS. 161). Demgemäfs handelt er ausführlich de ordinis
sacramenti materia et forma.

Die Gültigkeit der englifchen Ordinationen ift von
vielen römifch-katholifchen Gelehrten anerkannt worden,
wie von Boffuet, Dupin, Lingard2); auch Döllinger hat

1) Diefe finden fich photozinkographirt in dem Foliobande von T.
J. Bailey. Ordinum sacrorum in Ecclesia Anglicana defensio. London 1890.

2) Das ausführliche Werk von P. Fr. Le Courayer, 1725, wurde von
vielen franzöfilchen Bifchöfen verdammt und in den Index gefetzt; es
wurden ihm aber auch andere Irrlhümer vorgeworfen. Reufch, Index II, 596.

fich dafür ausgefprochen. In Rom wird fie aber nicht
anerkannt; anglicanifche Gebftliche, welche zur römifch-
katholifchen Kirche übertreten, werden, wenn fie als
Priefter fungiren wollen, neu ordinirt.

Bonn. F. H. Reufck.

Wiedemann, Chefred. Dr. Thdr., Die religiöse Bewegung in
Oberösterreich und Salzburg beim Beginn des 19. Jahrhunderts
. Innsbruck, Wagner, 1890. (XII, 405 S. gr. 8.)
M. 6.40.

Der erfte und umfangreichfte Theil enthält acten-
mäfstge Mittheilungen über den unglücklichen Priefter
Thomas Pöfchl (f 1837) und die ,Pöfchlianer' und die
,Brüder und Schweftern in Zion , wodurch die bisherigen
Darftellungen (vgl. R.-E. 12, 78 u. A. D. B. 26, 454) ver-
vollftändigt, aber in keinem wefentlichen Punkte berichtigt
werden. Der zweite Theil bringt ähnliche Mittheilungen
über einen der am wenigften bedeutenden und
am wenigften refpectabelen Männer aus dem Sailer'fchen
Kreife, Jon. Bapt. Langenmayr, der dritte über Martin
Boos. Die Mittheilungen über diefen find weitaus die
intereffanteften, aber nur zum kleinen Theile neu, gröfsten-
theils bereits in dem dicken Buche von J. Gofsner und
fonft gedruckt. Der Werth des Buches liegt in den abgedruckten
Actenftücken; eine darauf geftützte Darftel-
lung hat der Verf., wie es fcheint, nicht einmal beab-
fichtigt. M. Boos ift auch der einzige der drei Männer,
der eine eingehende Darftellung verdient und, namentlich
was fein Verhältnifs zu Sailer betrifft, einer genaueren
Darftellung bedarf, als er bis jetzt gefunden hat. (Die
befte kürzere Darfteilung, die mir bei meiner eingehenden
Befchäffigung mit dem Gegenftande vorgekommen ift,
giebt Fr. Nieifen, Aus dem innern Leben der kathol.
Kirche, 1882, S. 287.) Unfer Verf. urtheilt gelegentlich
über Sailer zu hart. Wenn S. 381 gedruckt ift: ,Diefem
Gebahren ftimmte Sailer nicht nur nicht bei, fondern beförderte
es geradezu', fo ift jedenfalls das zweite ,nicht'
ein Schreib- oder Druckfehler. An folchen fehlt es auch
fonft nicht. Pöfchl ift nicht 1796 (S. 3), fondern 1769
geboren. Statt Spencer (S 13) lies Spener, ftatt Sattler
(S. 288) Stattler, ftatt Rouefch (S. 303 u. f.) Ruoefch, ftatt
Madam Guive (S. 289) Guyon, ftatt Nabelfchnure des
7. Jahrhunderts (S. 69) Nabelfchauer. Ein Briefchen von
Sailer ift kurz nach einander (S. 58 u. 65) zweimal abgedruckt
.

Bonn. F. H. Reufch.

Bibliographie

von Cullos Dr. Johannes Müller.

Berlin W., Opernplatz, Königl. Bibliothek.

Ceuncbc Üiteratur.

Kahler. M., Wie ftiidiert man Theologie im I. Semefier? Briefe an e.

Anfänger. Leipzig, Deichert Nacht, 1891. (45 S. 8.) —. 60

Zimmer's Handbibliothek der praktifchen Theologie. XI.—XIV. Bd.

Abllg. 9, 15, 23, 35, 35a. u. 36. Gotha, F. A. Perthes, 1891. (gr. 8.)

6. 60

Inhalt: 9. Die Erziehung zur Arbeit. Von A. Lammers. (48 S.) —. 80.—
15- Die Sonntagsfrage. VonRoffeck. (V, 66 S.) 1. —. — »3. Bedrohungen
f. das Arbeiterwohl. Von Weber. (VII, 104 S.) j. 80. — 35. Der Wucher
u. feine Bekämpfung. Von Naumann. (25 S ) —. 40. — 35a. Antifemit od.
Philofemit? Wer hat recht? Bündig bearb. v. W. Becker. (V, 34 S.) —. 60.
— 36. Die Krankenpflege. Im wefentlichen nach Sick, Krankenpflege, bearb.
v. Lorenz. (V, 113 S.) a. —
Biltz, K., Neue Beitraege zur Gefchichte der deutfchen Sprache u. Litte-
ratur (Enthält u. A.: Über die fürftlichen Verfafler von Kirchenliedern.

— Z ir Gefchichte des Liedes: ,Wenn mein Stundlein vorhanden ift'.

— Minnefang u. Kirchenlied. — Wer hat die erfte deutfehe Bibel
gedruckt? — Fragen u. Probleme, die deutfehe Bibelübetfetzung betreffend
.). Berlin, J. A. Stargardt, 1891. (252 S. 8.) 4. —

Münz, S., Aus Quitinal u. Vatikan. Studien u. Skizzen. Berlin, Hüttig,
1891. (V, 210 S. gr. 8.) 4- 5o

Jäger, A., Die feciale Frage. Ein Schlüffel zur Prophetie d. Neuen wie
d. Alten Teftamenls. I. Bd. Neu-Ruppin, Petrenz, 1891. (X, 274 S.

P- 8 ) . T 3- -

Wacker. E., Maria, die Mutter d. Herrn, od. Natur u. Gnade. Gütersloh
, Bertelsmann, 1890. (72 S. 8.) —. 80; geb. 1. 20