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Ausgabe:

1891

Spalte:

225-229

Autor/Hrsg.:

Gedeon, Manouel I.

Titel/Untertitel:

Patriarchikou Pinakes, eideseis istorikai biografikai peri ton patriarchon Konstantinoupoleos, apo Andreou tou Protokletou mechris Iokeim G‘ tou apo Thessalonikes 1891

Rezensent:

Meyer, Philipp

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ftändigkeit der jüngeren Faffung fchliefsen. Walther hat
hierüber fchon in feiner deutfchen Bibelüberfetzung des
Mittelalters (I, 40) fich ausgefprochen und dafelbft das
hübfche Beifpiel beigebracht, dafs fich mit Hilfe der
hergebrachten Methode der überzeugende Beweis führen
laffe, dafs Emfer eine aus den Kreifen der Myftiker
flammende, relativ fehr alte Münchener Handfchrift benutzt
habe. Naturgemäfs giebt es nicht wenige Ab-
fchnitte in der Bibel, welche ein Gymnafiaft unferer Tage
im Wefentlichen ungefähr ebenfo überfetzen würde, wie
wir fie in mittelalterlichen Handfchriften und Drucken, bei
Luther, bei Dietenberger und bei Neueren lefen. Erft
dann, wenn wörtliche Wiedergabe nicht ftatt-
haft ift, tritt die Eigenart der einzelnen Ueber-
fetzung ans Licht, fei es dafs doch wörtlich überfetzt
, fei es dafs ein neuer Weg eingefchlagen
wird. Walther verfügt über eine ungewöhnliche Erfahrung
in diefer Frage. Der erde Theil feiner deutfchen Bibelüberfetzung
läfst ihn als den vorzugsweife Berufenen
erfcheinen, auf Grund der höchft forgfältigen, fleifsigen
und werthvollen Textvergleichungen der vorlutherifchen
Bibeln nunmehr auch die Stellung Luther's aufzuklären.

Auch Krafft hatte anerkannt, dafs in den neuteftament-
lichen Briefen, in der Offenbarung Johannis, noch mehr im
Alten Teftament der Abftand der genialen Ueberfetzung
Luther's von der älteren Bibel oft fo grofs fei, dafs man
eine Uebereinftimmung nicht mehr bemerken könne.
Demnach müfste fich Luther gerade bei Bearbeitung derjenigen
Bücher, welche verhältnifsmäfsig leichter zu überfetzen
waren (Evangelien und Apoflelgefchichte), Hilfe
bei der älteren Bibel gefucht, bei den fchwierigeren Stücken
fie eigenfinnig verfchmäht haben! Noch mehr. Die
mittelalterliche Bibel fufst durchweg auf der Vulgata,
wie des Näheren von Walther in feinem grofsen Werke
bewiefen worden ift. Es ift eine allgemein zugeftandene
Thatfache, dafs unfer Reformator auf die Originaltexte
zurückgegriffen hat — er konnte folglich keinen
einzigen Satz aus der alten deutfchen Bibel ab-
fchreiben. Die gewaltige Sprachfchöpfung des Luther'-
fchen Stils ift fo fehr des Mannes felbfteigenes Ver-
dienft, dafs die Benutzung einer Vorlage fchon durch
diefe unumftöfsliche Thatfache ausgefchloffen wird. So
fagt uns denn auch Luther felbft in dem obengenannten
Briefe: ,Ich hoffe, dafs wir unferem Deutfchland eine
beffere Ueberfetzung liefern werden, als die Lateinifchen
(an ihrer Vulgata) befitzen'. Könnte die böswilligfte Verdächtigung
einen Grund ausfindig machen, weshalb der
ehrliche Mann hier die deutfche Bibel nicht genannt
haben follte? Wäre es nicht für den Patrioten ein
Hochgefühl gewefen, der älteren deutfchen Bibel den
Rang abzulaufen, wenn er von einer folchen gewufst
hätte? Herr Paftor Walther hat fich mit feinen Unter-
fuchungen, die zuerft in der Neuen kirchlichen Zeitfchrift
I> 359 ff veröffentlicht worden find, das Verdienft erworben
, einer gefährlichen Hypothefe den Garaus gemacht
zu haben.

Marburg i'H. Friedrich Kauffmann.

rtrfftov, MctVOVTjX I., UazQiaQXixol Tlivaxeq, tlÖrjOEig
lazoQixal ßioyga<pixai jcsgl xwv Jiaxgiagxojv Kmv-
ozavzivovnoXemg, dbtö slvögeov xov Ilgmzoxfojzov fiE-
XQig 'Imxs'ifi r' xov and OsooaXovlxrjq, 36—1884. 'Ev
KmvGxavxivovjzöXEi, Lorentz& Keil, (1890). (720 S. 8.)
frs. 17.

Das vorliegende Werk, welches, wie wir S. 720 lefen,
in einzelnen Heften bereits feit 1885 im Erfcheinen begriffen
war und im October 1890 vollendet wurde, be-
fteht aus einer längeren Einleitung (S. 1—78), die man
auch den erften Theil nennen könnte, und einem Hauptoder
zweiten Theile, der bis zum Ende des Werkes führt.
In dem erften Theile handelt der Verf. von den allgemeinen
Fragen, die fich auf die Verhältnifse der Patriarchen
namentlich der von Conftantinopel beziehen. Der
zweite Theil giebt in chronologifcher Ordnung die Biographien
fämmtlicher Patriarchen von Conftantinopel
und zwar von dem Apoftel Andreas an bis auf Joakim III.,
der 1884 fein Amt niederlegte. Die Biographien find
fo gehalten, dafs zuerft die Chronologie des Lebens und
fodann fämmtliche dem Verf. bekannte Regierungshandlungen
des Patriarchen genannt werden; wobei natürlich
auch auf die allgemeineren jezeitigen kirchlichen Fragen
Bezug genommen werden mufste.

Das Werk zeichnet fich wie alle Werke Jedeon's aus
durch eine gewaltige Anfammlung von Stoff, der kurz
und klar geordnet ift. An vielen Stellen merkt man, wie
der Verf. abfichtlich mit feinem Urtheil zurückhält. Mit
Recht, denn feine Arbeit legte dem Verf. viele Rückficht-
nahme auf.

Der Verf. klagt (S. 8), wie fchwer es ihm fei, an
feinem Orte, nämlich in Conftantinopel, alle ihm nöthigen
Quellen zufammenzubringen. In der That hat derfelbe
aber über ein gröfseres Quellenmaterial zu verfügen gehabt
, als je einer. Ihm lagen vor die Väter der Kirche,
die byzantinifchen Autoren, die claffifchen Arbeiten der
älteren Abendländer, des Montfaucon, Du Cange, Le
Quien, Banduri und aufserdem die für uns faft unerreichbaren
Arbeiten der neugriechifchen Literatur, endlich
aber für die fpäteren Zeiten die Reihe der handfchrift-
lichen Codices des Patriarchats. Der Verf. hat faft alle,
die vor ihm gearbeitet haben, forgfältig benutzt und felbft
fehr viel Neues herzugetragen. Darum find die nctxgi-
ctQXixai nivaxeq ein wahrer iripavgöq für byzantinifche
und neugriechifche Kirchengefchichte, am werthvollften
für die Abendländer aber in den Angaben über die
letzten Jahrhunderte, in denen auch Le Quien fein Licht
nicht mehr leuchten laffen konnte.

Im erften Theile oder der Einleitung fpricht Verf.
zunächft von dem Titel ,Patriarch'. Dem Konftant. Oeko-
nomos hierin folgend ift er der Anficht, dafs die Chriften
für ihre kirchlichen Häupter diefen Titel von den Juden
übernommen haben, deren Oberhaupt in Paläftina während
der erften chriftlichen Jahrhunderte diefen Titel bekanntlich
führte und grofses Anfehen genofs, eine Anficht, die
wohl nicht gefchichtlich zu belegen, aber nicht unwahr-
lich ift, denn ein zeitgefchichtlich begründetes Aufkommen
jenes Titels scheint mir annehmbarer als die Annahme,
dafs man denfelben ohne gefchichtl. Mittelglieder direct
dem alten Teftamente entlehnt habe.

Im 6. Canon des Nicaenums findet der Verf. den
Anfang der beiden älteften Patriarchate des Morgenlandes
(S. 13), im 7. Can. desfelben Concils den Anfang des
von Jerufalem und im 3. Can. der zweiten ökum. Synode
den Beginn des Patriarchats von Conftantinopel, ohne
jedoch fich näher über die Rechtsverhältnifse der damaligen
Stellung der fo ausgezeichneten Bisthümer zu
entfcheiden. Man darf annehmen, dafs der Verf. hierin
den Traditionen feiner Kirche folgt.

Ueber die Wahl der Patriarchen von Conftantinopel,
eine Frage, bei der uns namentlich die Verhältnifse nach
I453 intereffiren, berichtet Verf., dafs diefelbe öiä ovvö-
öov dgxiegtmv gefchah. Durch einen Firman Muhamet's II.
kam 1741 die Beftimmung hinzu, dafs der zu Erwählende
ein Zeugnifs haben mufste von den Metropoliten von
Heraclea, Kyzikos, Nicomedien, Nicaea und Chalcedon.
Hierin erblickt der Verf. den Anfang der Macht der
,Geronten', die bis auf die jüngften Zeiten folche Bedeutung
für das Patriarchat gehabt hat. Später gefchah die
Wahl in einer Verfammlung von Laien, Kaufleuten den
Vorftehern der Handwerke und Geiftlichen, nämlich den
Prieftern der iteydXrj sxxXr/Gla und den Erzprieftern, die in
Conftantinopel anwefend waren. Die Korten, die der
neue Patriarch früher felbft zu tragen hatte, behefen fich
1769 auf die ungeheuere Summe von 50,000 Piaftern nach
heutiger Rechnung 150,000 Francs. Ueber die Wahl feit

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