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Ausgabe:

1891

Spalte:

3

Autor/Hrsg.:

Düsterwald, F.

Titel/Untertitel:

Die Weltreiche und das Gottesreich nach den Weissagungen des Propheten Daniel 1891

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1891. Nr. 1.

Düsterwald, Convicts-Dir. F., Die Weltreiche und das
Gottesreich nach den Weissagungen des Propheten Daniel.

Freiburg i/Br., Herder, 1890. (VIII, 194 S. gr. 8.)
M. 2. 50.

Nach der Vorrede ift der Verf. zur Veröffentlichung
feiner Schrift zunächft durch den Umftand getrieben
worden, dafs die Katholiken ,den zahlreichen Commen--
taren und Abhandlungen' der Proteftanten über Daniel
aus neuerer Zeit fo wenig an die Seite zu Hellen hätten.
Wir find durchaus nicht gemeint, in diefer Buchmacherei
einen befonderen Vorzug des Proteftantismus zu erblicken,
und würden dem Verf. gern die Hälfte feiner Excerpte
aus diefer Literatur erlaffen haben, wenn er nur die
betten Sachen beffer oder überhaupt benutzt hätte.
Uebrigens hat er gerade eine fehr gute Arbeit von ka-
tholifcher Seite: Fraidl, die Exegefe der 70 Wochen
Daniel's, 1883, gänzlich unerwähnt gelaffen. — Seine
eigene Abficht geht dahin, die altkirchliche Anficht von
der Deutung der Weltreiche auf das babylonifche, medo-
perfifche, macedonifch-griechifche und römifche Reich
wieder zu Ehren zu bringen, um daran die Ausficht auf
den Sieg der katholifchen Kirche über alle Weltmächte
und den Uebergang derfelben in das Reich der Herrlichkeit
als Schlufstableau zu fügen. Der Verf. hat fich
viel Mühe mit der Herbeifchaffung alles möglichen gelehrten
Materials für fein Vorhaben gegeben. Aber in
der hiftorifchen Kritik ift er fchwach. So tröffet er fich
z. B. über den Umftand, dafs Daniel unter die KHubitn
geftellt ift, damit, dafs doch die LXX und Jofephus ihn
zu den Propheten rechnen S. 18 f., läfst den Belfazar
dem Daniel deshalb den dritten Platz im Reiche ver-
fprechen, weil jener felbft als Mitregent den zweiten inne
gehabt habe S. 63, macht den Darius den Meder mit einer
Leichtigkeit zu Cyaxares II S. 87—89, die ftaunenswerth
ift, läfst einen Ziegenbock die Eigenfchaften eines Panthers
annehmen S. 104 u. a. m. Ein Haupthebel für feine
eigene Deutung des vierten Thiers in c. 7 vom Römerreich
ift der Umftand, dafs es Mühe mache, die 10 Hörner
(c. 7, 7) refp. Könige in der makkabäifchen Zeit unterzubringen
(S. 136. 141). Da ift es nun freilich fehr
bequem, fie gar nicht unterzubringen und in die Zeit vor
dem Auftreten des Antichrift's zu verweifen (S. 139).
Wenn man fich fo hilft, hat man kein Recht, über Verbuche
Anderer zur Löfung hiftorifcher Schwierigkeiten
zu fpotten. Mit den fymbolifchen Zahlen weifs der
Verf. gar nichts anzufangen S. 173 ff., weil er — und
hiermit kommen wir auf den zu Anfang ausgefprochenen
Vorwurf zurück — die bette Arbeit über diefelben von
C. H. Cornill (Theol. Studien und Skizzen aus Oftpreufsen,
Bd. 2 [1889], S. 1—32) nicht gekannt hat. — Bisweilen
leidet die Darfteilung an einer gewiffen Breite und Weit-
fchweifigkeit. Wozu z. B. ausführliche Inhaltsparaphrafen
geben, wenn gleich darauf die Ueberfetzung der ganzen
Stücke folgt, vgl. S. 21 ff.? — Der berechtigte Spott, den
der katholifche Verf. S. 189 f. über die Exegefe der Berliner
Paftoral-Conferenz von 1889 ergiefst, hat uns mit Be-
fchämung erfüllt. Im Staate der Intelligenz pflegt man
feit längerer Zeit der Theologie wenig Antheil an der
letzteren zu gönnen.

Jena. C. Siegfried.

Bloch, Prof. Rabb. Mofes, Das mosaisch-talmudische Erbrecht
. Budapeft, 1890. [Leipzig, Fock.] (VIII, 70 S.
gr. 8.) M. 2. —

Die Grundlage des jüdifchen Erbrechts haben wir
in vereinzelten biblifchen Beftimmungen: vorzugsweife
in Nu. 27. 36. Dt. 21. 25. Die unermüdliche Arbeit der
talmudifchen Gelehrten hat daraus eine Maffe von Rechts-
fätzen entwickelt, die, auf alle möglichen Fälle der Wirklichkeit
und des Lebens berechnet, zunächft den Eindruck

eines Wirrfals machen, obwohl bei näherem Zufehen ein
innerer Zufammenhang wohl zu entdecken ift. Nachdem
zuerft der grofse Maimuni Bahn gebrochen, ift bis auf
die neuefte Zeit mehrfach der Verfuch einer fyftemati-
fchen Ueberficht diefer Gefetze gemacht worden. Wir
müffen dem Verf. zum Lobe nachfagen, dafs wir noch
nirgend das Syftem in folcher Klarheit und Durchfichtig-
keit entwickelt gefunden und die Einzelheiten in folcher
knappen und fliefsenden Darftellung gelefen haben, als
bei ihm. Befonders angenehm ift, dafs jedes Mal den
wichtigften technifchen Begriffen der hebräifche Ausdruck
beigefügt und in den Anmerkungen die Quellenftellen
für die einzelnen Beftimmungen angegeben find. Dafs
er nach S. II diefe Rechte für göttliche hält, wollen wir
dem Verf. weiter nicht verübeln. Uns fcheint es genügend
, wenn man fie meift recht verftändig findet.
Druckfehler f. S. IV Saboarer ft. Saboraeer, S. 7 Per-
zionio ft. Perizonio.

Jena. C. Siegfried.

Schiffers, Rect. Dr. M. J., Amwäs, das Emmaus des hl.
Lucas, 160 Stadien von Jerufalem. Mit Titelbild,
1 Grundplan u. 1 Karte von Judäa. Freiburg i. Br.,
Herder, 1890. (VIII, 236 S. 8.) M. 3.—

Ueber das Emmaus des Lucas giebt es eine ältere
und eine jüngere .Tradition'. Das kirchliche Alterthum
feit Eufebius identificirt es in der Regel mit dem in den
Makkabäerbüchern, bei Jofephus und fonft häufig vorkommenden
Emmaus oder Ammaus, welches fpäter
Nikopolis hiefs, 22 röm. mil. pass. (= 176 Stadien) von
Jerufalem. Die fpätere Legende, feit dem iö.Jahrhundert,
fucht es in dem heutigen Kubebe, welches kaum halb
fo weit von Jerufalem entfernt ift. Kräftige Vertheidiger
diefer Mönchslegende, für welche es keine hiftorifchen
Anhaltspunkte giebt, find nun fo weit gegangen, auch
das fonft bekannte Emmaus-Nikopolis nach Kubebe zu
verlegen. Und um ja alle Gegen-Gründe abzufchneiden,
hat man auch ein Ammaus, welches nach Jofephus 30
Stadien von Jerufalem entfernt war (Vefpafian vertheilte
dafelbft Grundbefitz an 800 Veteranen), ebenfalls nach
Kubebe verpflanzt. Gegen diefe Kunftftücke fträubt fich
nun das wiffenfchaftliche Gewiffen des deutfchen Katholiken
Schiffers (Rector der Marienkirche in Aachen
und Präfident der XI. deutfchen Pilgerkarawane zum
Heiligen Lande), welcher mit grofser Wärme, ja mit
leidenfchaftlichem Enthufiasmus für die alte, von Eufebius
vertretene Meinung eintritt. Seine Anficht läfst
fich in drei Thefen zufammenfaffen: 1) das Emmaus der
Makkabäerbücher oder Emmaus-Nikopolis lag an der
Stelle des heutigen Amwäs, an den weltlichen Ausläufern
des jüdifchen Gebirges, wo diefes in die Ebene
übergeht; 2) das Emmaus des Lucas ift mit diefem
identifch, alfo ift Luc. 24,13 die Lesart 160 Stadien die
richtige (nicht 60 Stadien); 3) das Emmaus bei Jerufalem
, wo Vefpafian 8co Veteranen anfiedelte, ift von
beiden verfchieden und an der Stelle des heutigen
Kulonieh (= colonid) zu fuchen.

Von diefen Sätzen ift der erfte zweifellos richtig
und heutzutage von allen, die nicht durch Mönchslegenden
gebunden find, anerkannt. Der zweite und
dritte find controvers. Es fcheint mir höchft wahrfchein-
lich, dafs der dritte richtig, der zweite aber unrichtig
ift, dafs nämlich das Emmaus des Lucas mit der Vete-
ranen-Colonie Vefpafian's identifch ift.

Der Beweis dafür, dafs die Veteranen - Colonie
Vefpafian's von dem fonft bekannten Emmaus verfchieden
ift, ift von Schiffers überzeugend geführt (S. 49—58);
nur find nicht alle in Betracht kommenden Momente
berückfichtigt. Mit Recht hebt er hervor, dafs von den
beiden Lesarten bei Ioscpli. Bell. lud. VII, 6,6 i§?jxovxa
und xQiäxovxa die letztere die richtige ift, weil fie ganz