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Ausgabe:

1891 Nr. 8

Spalte:

195-199

Autor/Hrsg.:

Gooszen, M. A.

Titel/Untertitel:

De Heidelbergsche Catechismus. Textus receptus met toelichtende teksten. Bijdrage tot de kennis van zijne wordingsgeschiedenis en van het gereformeerd protestantisme 1891

Rezensent:

Weiffenbach, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 8.

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vielfach des Studiums feiner Werke überhebt und die
Bedeutung feiner Perfon und feiner Leiftungen unter-
fchätzt. Das vorliegende Werk wird nicht ermangeln, beides
wieder in's Gedächtnifs zu rufen. Mir wenigftens ift
beim Lefen mehr als einmal das Wort von Reufs über
Hofmanns ,Weisfagung und Erfüllung' eingefallen, dafs bei
allem Verkehrten das Werk felbft eine Weisfagung fei,
der die Erfüllung nicht fehlen könne. Die, wenn auch
an theologifcher Bedeutung nicht mit H. zu vergleichende
, doch fo durch und durch edle Perfönlichkeit
von Delitzfch mag zum Schlufs noch ein Satz feiner
Briefe charakterifiren, der für uns alle ebenfo tröftend
wie beherzigenswerth ift: ,1m tiefften Grunde unferes
inneren Menfchen find wir Alle vollkommen Eins, Eins
in dem Einen, aus dem wir geboren. Aber fobald wir
aus diefem unferem Allerheiligflen, vor welchem Gottes
Friede die Wacht hat, hinausgehen und das uns im
Glauben unmittelbar d. h. erlebnifsweife Gewiffe in begriffliche
und fprachliche Formen faffen, da geht das
einige Ja auch fofort in Ja und Nein auseinander; der
Streit und die Mifsverftändnifse beginnen emporzu-
fchiefsen, und eine Verftändigung ift nur in dem Mafse
möglich, als die Diffentirenden fich der unterhalb ihrer
Gedankenverzweigung gelegenen, tiefinnerlichen, einigen
Wurzel erinnern und kraft der Liebe fich ineinander
zu verfetzen wiffen'.

Halle. Erich Haupt.

Gooszen, M. A., Hoogleeraar, De Heidelbergsche catechismus.

Textus receptus met toelichtende teksten. Bijdrage
tot de kennis van zijne wordingsgeschiedenis en van
het gereformeerd protestantisme. Leiden, Brill, 1890.
(XIV, 166 u. 252 S. gr. 8.) M. 8. 35.

,Hoch über den Compendien der Dogmatik, befonders
aus der letzten Zeit des 16. Jahrhunderts (um von denen
des 17. ganz zu fchweigen) müffen die zu Beginn oder
in der Mitte der Reformations-Zeit entftandenen eigen-
thümlichen Büchlein geftellt werden, durch welche die
verfchiedenen Richtungen die Kenntnifs ihrer Principien
zu verbreiten trachteten und Kindern wie Erwachfenen,
Einfältigen wie Gebildeten deutlich zu machen fuchten,
was fie als das eine im Leben und Sterben Nothwendige,
als das für die Seligkeit Unentbehrliche betrachteten':
mit diefer — von uns in deutfcher Ueberfetzung wiedergegebenen
— fchönen Charakteriftik (p. 135) der Katechismen
der Reformations-Zeit ftellt der oben genannte
niederländifche Autor die Wichtigkeit feiner Schrift, die
er als einen .Beitrag zur Kenntnifs der Entftehungs-
gefchichte des Heidelberger Katechismus und zur Kenntnifs
des reformirten Proteftantismus' bezeichnet, un-
bewufst in das hellfte Licht. Sein Buch verdient auch
diefe Beleuchtung, da es eine hervorragende wiffen-
fchaftliche Leiftung ift und nicht nur Geburtsort und
-Zeit des H. K. und feine gefchichtliche Stellung in ein
helles Licht rückt, fondern auch — feinen Titel überbietend
— ein höchft beachtenswerthes Stück Dogmen-
gefchichte des reformirten Proteftantismus in nuce darbietet
. (Wir verweifen in diefer Hinficht z. B. nur auf
die intereffanten kleinen Lebensbilder der bei der Ent-
ftehung des H. K. in Betracht kommenden theologifchen
und fonftigen kirchlichen Männer, p. 6 ff., ferner auf die
kurz zufammenfaffende, aber viele neue Gefichtspunkte
aufwerfende und die wefentlichen Unterfchiede fcharf
hervorhebende Ueberficht über den Entwicklungsgang des
Abendmahls-Lehrftücks im reformirten Proteftantismus,
p. 78—92, endlich auf die ebenfo liebevolle als meifter-
hafte Zeichnung des Reformators Bullinger, p. 153 ff.
163 f., u. a. m.) Unfer Hauptintereffe nehmen gleichwohl
die Theile des Buches in Anfpruch, die fich auf feinen
eigentlichen Gegenftand, den H. K., beziehen und fich
eingehend damit befchäftigen. Die Ausführungen und

Unterfuchungen des Verfaffers find auf forgfältigem
Studium der Quellen und einer reichen Kenntnifs und
Verwerthung der einfchlägigen Literatur aufgebaut, ver-
rathen durchweg eine in's Einzelne gehende Vertrautheit
mit den Thatfachen und führen darum zu geficherten
oder doch wenigftens fehr wahrfcheinlich gemachten und
vielfach neuen Ergebnifsen. Mit ganz befonderer Anerkennung
werden von dem Verfaffer als feine Vorgänger
und zum Theil Gewährsmänner aus den letzten
Jahrzehnten genannt: feine Landsleute Doedes, mein
hochverehrter Lehrer und Freund (dem wir, neben
feinen vortrefflichen Arbeiten über den H. K., aus den
jüngften Tagen feine fchöne und forgfältige Herausgabe
j ,des Büchleins vom Brotbrechen', eines befcheidenen
Zeitgenoffen des H, K., vgl. Goofzen p. 24, A. 1, verdanken
), und Kuyper, ferner die deutschen Theologen
und Hiftoriker: Wolters, Sudhoff (nicht, wie Goofzen
confequent fchreibt, Südhoff), Ebrard, Schweizer, Heppe
und ganz befonders der hochverdiente Herausgeber des
Lebensbildes und der Briefe Friedrich's des Frommen,
Dr. Kluckhohn. Aber auch der für eine unbefangenere
Beurtheilung der verfchiedenen kirchlichen Richtungen
der Reformations-Zeit werthvollen Arbeiten Nippold's,
der grofsen und gedankenreichen Werke Ritfchl's über
die Rechtfertigung und die Gefchichte des Pietismus,
fowie der verdienftvollen und tüchtigen Leiftung A. Baur's
über Zwingli, u. a. m. wird ehrend gedacht.

Die bedeutfame Schrift Gooszen's, aus zwei felb-
ftändigen Theilen (S. 1—166 und abermals S. 1—252,
alfo zufammen aus 418 Seiten) beftehend, ift in der
Weife angelegt, dafs nach einem befonders auch über
die Literatur orientirenden ,Vorbericht' (p. I—XIV) vier
f. g. Einleitungen (p. i—166) gegeben werden, worauf
der Text des Katechismus felbft — nach dem 4. Druck
! desfelben in der Pfälzifchen Kirchenordnung vom
15. November 1563 — nebft .beleuchtenden Texten', d. i.
rankenartig den H. K.-Text umfchlingenden reichlichen
Auszügen aus früheren, bei der Entftehung des H. K.
von Einflufs gewefenen reformirten Katechismen, folgt.

Für unfere Zwecke kommen hier zunächft nur die
vier .Einleitungen' in Betracht, welche auf das Verftänd-
nifs des fpäter abgedruckten Textes des H. K. felbft
fowie feiner Prämiffen und Parallelen vorbereiten follen.
In der Einleitung I (p. 1—30) befchreibt der Verfaffer in
Form kleiner Lebensbilder und orientirender gefchicht-
lichen Mittheilungen den Boden, auf dem der H. K.
entftanden ift; in der II. (p. 31 — 61) führt er uns die
katechetifchen Quellen, welche bei der Zufammenftellung
des H.K. zu Rathe gezogen wurden, vor Augen; in der III.
(p.62—132) wird erft die wahrfcheinliche ArtundWeife,
wie der H. K. zufammengeftellt wurde, befchrieben, und
fodann (p.95—128) von feinen vier erften Ausgaben des
Weiteren gehandelt; Einleitung IV endlich (p. 133—166)
zeichnet den dogmatifchen Charakter des H. K.

Nach unferem Dafürhalten wäre Einleitung II nebft
III a (die Katechismen des Urfinus, p. 62—94) beffer
vor Einleitung I geftellt, und die zweite Hälfte von
Einleitung III (die vier erften Ausgaben des H. K. u. a.
dgl., p. 95—132) zweckentfprechender unmittelbar mit
der biographifch-hiftorifchen Einleitung I verbunden
worden. Auf diefe Weife wäre die Entwicklung, aus
der der H. K. als reife Frucht hervorfpringt, in grader
und ununterbrochener Linie vor unfere Augen hingeftellt,
Zufammengehöriges (I und III b fowie II und III a) nicht
getrennt, und wohl auch manche Wiederholung vermieden
worden.

Auf die Ausführungen des Herrn Verfaffers im Einzelnen
einzugehen, verbietet der uns zugemeffene knappe
Raum1). Einige Andeutungen müffen genügen; und

1) Diejenigen Pefer, denen das Buch felbft nicht in die Hand
kommen follte, verweilen wir auf die ausführliche Reproduction feines
Gedankengangs durch Kohlfchmidt in der .Proteft. K. Z.' 1890, Nr. 28,
S. 650—660.