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Ausgabe:

1891

Spalte:

193-195

Titel/Untertitel:

Delitzsch, Theologische Briefe 1891

Rezensent:

Haupt, Erich

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Kiel.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 8.

18. April 1891.

16. Jahrgang.

Delitzfch und v. Hofmann, Theologifche
Briefe (Haupt).

Gooszen, De Heidelbergsche Catechismus
(Weiflenbach).

Acta et decreta sacrorum conciliorum recentiorum,
Collectio Lacensis, t. VII (Reufch).

Schulze, Pietismus, Ritfchl'fche Theologie und
Luthertum (Eck).

Laffon, Zeitliches und Zeitlofes (Ehrhardt).

Bornemann, Unterricht im Chriftentum (Herrmann
).

Crem er, Die Fortdauer der Geiftesgaben in
der Kirche (Eck).

Scholl, Gegen Rom und römifche Anmafsune
(Fay).

Haupt, Pilgerfchaft und Vaterhaus, Predigten
(Hans).

Robertfon, Religiöfe Reden (Hans).
Goebel, Brüderlichkeit, Gleichheit, Freiheit,
drei Zeitpredigten (Hans).

Delitzsch und v. Hofmann, Proff., Theologische Briefe, den Perfönlichkeit. Dazu kommt bei beiden Männern

Hrsg bevorwortet und mit Regiftern verfehen von gleichmäfsig, wenn auch in individuell verfchiedener Ge-

Prof'br Wilh Volck. Leipzig, Hinrichs, 1891. (XIV, ftal.t'.ein« den ganzen Menfchen erfüllende Frömmigkeit,

' ' „ - A,. *M * fi ' welche ihnen ihr ganzes Leben zu einem Dienft für Gott

233 S. gr. 8.) M. s. 60; geb. M. 6. 60. und fdne Kirche ^acht

Zwei Männer, in derfelben Stadt wohnend und eng Den Inhalt der Briefe betreffend gilt faft die Hälfte

befreundet, führen mehrere Jahre durch von Haus zu . derfelben der Frage nach dem Recht der fyftematifchen
Haus einen Briefwechfel wiffenfchaftlichen Charakters, ! Methode Hofmanns. Delitzfch findet, dafs, was Hof-
und zwar fo, dafs fie über den Inhalt ihres Briefwechfels mann mit dialektifcher Nothwendigkeit aus der von ihm
nie mit einander fprechen. Die Herausgabe diefes Brief- ; zu Grunde gelegten Definition des Chriftenthums abzu-
wechfels ifl nicht fowohl deshalb erfreulich, weil die j leiten fuche und nachträglich als mit der Schrift ftim-
Wiffenfchaft dadurch gefördert würde, — erfährt man | mend erweife, vielfach nicht wirklich fich dialektifch
doch fehr wenig, was nicht fchon aus Hofmanns Wer- ableiten laffe, fondern einfach aus der Schrift ftamme.
ken fonft bekannt gewefen wäre —, als vielmehr wegen Er will im Unterfchied von Hofmann die Schrift nicht
des überaus intereffanten Einblickes in die Perfönlichkeit nur Norm, fondern zum guten Theil auch einzige Quelle
der Brieffteller; intereffant gewifs für die, welche fie ge- für den Inhalt des chriftlichen Glaubens fein Iahen. Dem
kannt, vielleicht noch intereffanter für die, welche, wie gegenüber macht Hofmann geltend, dafs Glaube im
der Ref., keinen von beiden je gefehen haben. Das chriftlichen Sinne nichts geringeres heifse, als fein VerBild
beider tritt in fehr fcharfen Zügen in ihren Briefen hältnifs zu Gott auf etwas gründen, fich deffen getröften
hervor und gewinnt beiden volle Sympathie. Delitzfch zu feiner Seligkeit. Was diefe Bedeutung jemandem
ein Mann überftrömenden Herzens, fich felbft als Mann nicht habe, das glaube er nicht, auch wenn er fich
der Anfchauung mehr als der Begriffe bezeichnend, voll überzeugt halte, dafs es Thatfache fei (S. 122). Hier
der mannigfachften Intereffen und Kenntnifse, offenbar zeigt fich evident, wie fehr Hofmann dem Freunde an
ebenfo gern fein Herz als fein Wiffen anderen ausfchüt- Klarheit des evangelifchen Glaubensbegriffes überlegen

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tend, voll Bewunderung und zärtlicher Liebe für feinen
Collegen, dabei aber bemüht, was er für einfeitig und
verkehrt an ihm hält, fortzufchaffen. Ganz anders Hofmann
: auch in feinen Briefen knapp im Ausdruck, fo
dafs Delitzfch beftändig mahnt, etwas redfeliger zu
werden, zurückhaltend mit Gefühlen und Stimmungen,

gewefen ift, und wie viel freier und innerlicher fein Ver-
hältnifs zur Schrift war als das von Delitzfch. Daher
er auch mit Recht es zurückweift, wenn Delitzfch felbft
die anthropologischen, gefchichtlichen und geographischen
Beftandtheile der Bibel gern als mafsgebende Beftand-
theile der Offenbarung geltend machen will. Anderer -

mit allen Gedanken ohne abzufchweifen bei der vor- feits hat Delitzfch Recht, dafs es nur auf dialektifcher
liegenden Sache bleibend. Es ift offenbar etwas Lapi- Künftelei beruht, wenn Hofmann den ganzen Inhalt
dares an dem <*anzen Mann gewefen. Ueberaus wohl- feines Syftems mit Einfchlufs der Lehre von der höheren
thuend berührt "aber gerade bei diefer feiner Natur die Geifterwelt u. dergl. als nothwendige Confequenz aus.
Freundlichkeit und Geduld, mit welcher er das An- j der grundlegenden Definition des Chriftenthums betrach-
dringen des Freundes aufnimmt und fich bemüht dem- tet. — Wiederum auf die verfchiedene Stellung zur
felben crenug zu thun, und die adlige Art, in welcher | heiligen Schrift geht es zurück, wenn Delitzfch immer
er wo°er demfelben' Unrecht gethan zu haben meint, j von neuem über Hofmanns ,Lehrflucht' jammert. Er
das eingefteht Befonders intereffant find die Einblicke | findet diefelbe in denjenigen Abfchnitten des Schriftbein
Hofmanns ' wiffenfchaftliche Art und Perfönlichkeit, | weifes, welche H. überfchreibt: ,was die Schrift nicht
welche theils das aus feinen Werken Bekannte beftä- eigens lehrt' von diefem oder jenem Gegenftande. Auch
tigen theils aber auch neue Züge hinzufügen. So das , diefe Differenz der Freunde geht fchliefslich zurück auf
Bekenntnifs dafs er bis in feine reifen Jahre nie ein quellen- j einen verfchiedenen Begriff von Offenbarung: während
mäfsiees philofophifches Studium getrieben. Auch er- i H. die Offenbarung principiell als eine Kundgebung
wähnt er wiederholt, was fchon bekannt war, dafs er j Gottes m Bezug auf unfere Seligkeit fafst, möchte D.
feine Begabung in erfter Linie für eine hiftorifche halte, j auch möglichft viel an allerlei Kenntnifsen durch die
was ich freilich nur für eine völlige Selbfttäufchung an- | Offenbarung garantirt bekommen. Einen breiten Raum
fehen kann Mit Recht aber befchreibt er fich als einen nimmt die exegetifche Verhandlung über die Höllenfahrt
Menfchen der die Wiffenfchaftlichkeit in die Methode Chnfti ein, ohne dafs aber m. E. dabei etwas erkleck-

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fetze, und hält feine methodologifchen Leiftungen für
bedeutender als die eigentlich fyftematifchen. Alles in
allem erhält man aus den Briefen den Eindruck einer
überaus kraftvollen, in fich gefchloffenen und bedeuten-

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liches herauskäme.

Die Mängel der Hofmannfchen Theologie und theo-
logifchen Methode find heutzutage fehr allgemein zum
Bewufstfein gekommen; in folchem Grade, dafs man fich