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Ausgabe:

1891 Nr. 7

Spalte:

185-186

Autor/Hrsg.:

Schubert, Hans v.

Titel/Untertitel:

Die evangelische Trauung, ihre geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung 1891

Rezensent:

Caspari, Wilhelm

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1891. Nr. 7.

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und 1 Joh. 5, 7 citirt er bei der Lehre von Vater, Sohn
und Geift. — Aber wenn der Theologe auch feine Kritik
nicht zurückhalten darf, fo fühlt er fich doch durch das
edle aufrichtige Streben des Verf.'s gedrungen, jedes lieb-
lofe Urtheil über Dilettantismus untergehen zu laffen in
der Ueberzeugung: ,Nicht der gleiche Gedankenlauf in
den labyrinthifchen Gängen des Kopfes, aber der gleiche
Pulsfchlag in den einfachen Kammern des Herzens ift
möglich'.

Stuttgart. Max Reifehle.

Schubert, Dr. Hans v. Die evangelische Trauung, ihre ge-
fchichtliche Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung
. Berlin, Reuther, 1890. (XIV, 158 S. gr. 8.)
M. 3. 60.

Wie der Titel des Buches fchon zeigt, behandelt
der H. Verfaffer feinen Gegenftand nach zwei Seiten.
In der erften, ausführlicheren Hälfte (S. 1 —103) giebt er
einen Uebcrblick über die gefchichtliche Entwicklung
der evangelifchen Trauung, geht aber auf die Anfänge
der chriftlichen und der altgermanifchen Ehefchliefsung
zurück und kommt zu dem Ergebnifs, dafs feit der Zeit
des Tacitus bis zur heutigen kirchlichen Trauung durch
den Paftor die Continuität der gefchichtlichen Entwicklung
vorliegt. Die evangelifche Trauung ift ihm die ins
Religiöfe erhobene traditio puellae, jedoch in der Umbildung
, dass nach S. 121 jetzt unter Anrufung Gottes
Braut und Bräutigam fich einander übergeben auf eine
Treue bis in den Tod. Referent traut fich hinfichtlich
der mittelalterlichen Entwicklung kein Urtheil zu; was
S. 3 und 4 über die Anfänge der chriftlichen, kirchlichen
Ehefchliefsung gefagt wird, ift möglich, läfst fich aber
nicht nachweifen. Der ganze erfte Theil wird von den
Geiftlichen mit grofsem Intereffe gelefen werden, wie
Referent ihn ebenfalls mit grofsem Intereffe gelefen hat
und namentlich von der Darfteilung der Urfachen und
Beweggründe, welche zur Einführung der Civilehe geführt
haben, angezogen worden ift.

Luther's Anfchauungen find mit befonderer Ausführlichkeit
dargeftellt worden. Der H. Verfaffer hebt richtig
hervor, dafs Luther die rechtliche und die religiöfe
Seite der Sache klar getrennt hat. Referent fürchtet aber,
dafs Andere aus diefem Abfchnitt des Buches wieder die
Meinung herauslefen möchten, als fei Luther ein Anwalt
oder ein Prophet der modernen Civilehe gewefen. Wie
er fich dazu geftellt hätte, läfst fich nicht lagen. Er hat
unter ganz anderen gefchichtlichen Verhältnifsen gefchrie-
ben. Eine Ehe zwifchen Nichtchriften hat er wohl gekannt
und auch als Ehe anerkannt, aber daraus folgt
nichts für feine Auffaffung bezüglich der Ehe und Ehefchliefsung
unter Chriften. Das römifche Ceremoniell
mag ihm noch fo zuwider gewefen fein, er mag über
die neu einzuführenden kirchlichen Einrichtungen noch
fo frei gedacht haben: das hätte er wohl niemals zugegeben
, dafs Chriften ihre Ehe ohne das ,Wort' fchliefsen.
Sagt er doch in einer Hochzeitpredigt (Erl. Ausg. Bd.
18 S. 286): Ein Chrift foll die Ehe vom unehelichen Leben
wiffen.weit und fern zu unterfcheiden. Wodurch? Durch
Gottes Wort. Ohne diefs Wort wäre der eheliche Stand
auch ein unzüchtig Leben, und kein Eheftand. Darum
ift diefs das vornehmfte im Eheftand, dafs man könne
das Wort darinnen fehen leuchten. Luther fagt dies
allerdings vom Eheftand und nicht von der Trauung;
aber die Confequenzen für die Trauung ergeben fich
leicht, zumal wenn man bedenkt, dafs Luther felbft ein
Trauformular verfafst hat und grundfätzlich keine Gelegenheit
vorübergehen liefs, wo das chriftliche Volk
aus dem Worte Gottes zu unterrichten war.

Der zweite Theil des Buches befchäftigt fich mit der
gegenwärtigen Bedeutung des kirchlichen Trauactes.
Referent ift mit dem H. Verfaffer darin einverftanden,

dafs die Trauung nicht als eine zweite, chriftliche Ehefchliefsung
anzufehen ift. Wohl aber kann fie beftätigen,
dafs der eheliche Bund, mit dem fie es gerade zu thun
hat, den Anforderungen entfpricht, welche die Gemeinde
Chrifti im Namen ihres Herrn an ihre Glieder, die fich
in die Ehe begeben, ftellen mufs. Die Kirche kann aber
noch weit mehr: fie kann fegnen, was nach Gottes Ordnung
des Segnens bedürftig und werth ift. Will man
nun darin mit Scheurl und dem H. Verfafter eine religiöfe
Ergänzung fehen, fo mag es fein.

Aber diefe religiöfe Bedeutung des Trauactes ift auch
in den vergangenen Zeiten unterer Kirche erkannt gewefen
. Wie hat fich die Gemeinde oder, wenn man lieber
will, die Kirche in ihren Trauordnungen, Predigten, Erbauungsbüchern
, Liedern darüber ausgefprochen? Ein
tieferes Eingehen auf diefe Frage würde einen werthvollen
Beitrag zu der Erklärung der erfreulichen Thatfache
liefern, dafs untere evangelifche Bevölkerung im Grofsen
und Ganzen an der Trauung feilgehalten hat.

Hieran würde fich die Frage reihen: Was leiftet die
Kirche durch die Trauung? Und hiefür ift es nicht von
grofsem Belang, ob und inwiefern in dem kirchlichen Act
die traditio puellae fich erhalten hat, fondern was das Gebet
und der Segen der Kirche für die Nupturienten zu
leiften vermag. Die entfeheidende Erklärung, was es um
die kirchliche Trauung ift, mufs alfo aus der Lehre von
der kirchlichen Gemeinfchaft und den Befugnifsen und
Rechten der chriftlichen Gemeinde erholt werden. Dann
ift der Weg gebahnt, auf welchem man an die brennenden
Fragen der Gegenwart herankommen kann: Warum mufs
die Kirche darauf beliehen, dafs diejenigen Ehefchliefsen-
den, welche Glieder ihrer Gemeinfchaft fein wollen, fich
von ihr trauen laffen? Wie hat fie gegen diejenigen zu
verfahren, die fich aus eigenem Willen der kirchlichen
Trauung entziehen? In welchem Falle hat die Kirche
felbft die Trauung zu vertagen? Die Antworten auf diefe
Fragen finden fich S. 123. 126. 121, namentlich S. 128
und 129. Aber fie verlangen eine ausführlichere Behandlung
, und Referent erfucht den H. Verfaffer, fein Werk
nach diefer Seite hin entfprechend zu ergänzen.

Erlangen. Cafpari.

Kurzgefasste Mittheilungen.

Alcock, D., Die Schüler der ewigen Stadt. Autorifiert.

Ueberfetzt von Elifabeth Klee. Anklam, A.Schmidt's

Verl., 1890. (143 S. gr. 8.) M. 2. —; geb. M. 3. —

Die bekannte englifche Erzählerin, deren Ruf einft durch die
,Spanifchen Brüder' begründet wurde, kann wegen der Stoffe, die fie zu
behandeln pflegt, einen gewiffen Anfpruch erheben, auch von theolo-
gifcher Seite berückfichtigt zu werden; hat fie doch in der Gefchichte
des Proteftantismus in romanifchen Ländern gründliche Studien gemacht
und diefelben gewiffenhaft, wenn auch in der ganzen Einfeitigkeit der
Begeifterung verwendet. Aber diefes ihr Arbeitsgebiet, auf dem gewifs
noch Manches zu fchaffen wäre, hätte fie nicht verladen und namentlich
auch ihrer fchnell thätigen Feder gröfsere Befchränkung auferlegen follen.
Wie ihr ziemlich gleichzeitig veröffentlichter Verfuch (,Aus dem alten
Paris'), den Kampf zwifchen Janfenismus und franzöfifcher Staatskirche
zur Darftellung zu bringen, als ein wenig gelungener zu bezeichnen ift,
fo geht nun vollends das riefenhafte Unternehmen, in diefer Erzählung
von befcheidenem Umfange die ausfchlaggebenden Mächte des Cinquecento
, die entartete, aber eiferfüchtig herrfchende Kirche, die glaubenslofe
gebildete Gefellfchaft, die nach neuen Idealen ringende Kunft und Wiffen-
fchaft bis herunter zu dem die weltlichen Gefchäfte an fich reifsenden
Judenthum und das alles auf dem hindurchfeheinenden Grunde des
franzöfifchen Sonderkirchenthums zu malen, über ihre Kräfte ganz und
gar hinaus. Viel Befriedigung wird das Buch Niemandem gewähren.

Martensen, Bifchof Dr. H., Aus meinem Leben. Mittheilungen
. 3 Abtheilungen in 1 Bde. Deutfche, vom
Verfaffer autorifirte Ausg. 2., verb. Aufl. Berlin
Reuther, 1891. (VIII, 396 S. mit Bild. gr. 8.) M. 4. —•
geb. M. 5. —

Bei der vorauszufetzenden allgemeinen Bekanntfchaft mit diefer
Selbflbiographie des grolsen dänifchen Theologen, den wir gewöhnt find
als den unfrigen zu betrachten, mufs es genügen, die Thatfache an-