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Ausgabe:

1890

Spalte:

137-138

Autor/Hrsg.:

Margoliouth, S.

Titel/Untertitel:

An essay on the place of Ecclesiasticus in semitic literature, being the inaugural lecture 1890

Rezensent:

Schürer, Emil

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. SchÜPer, Prof. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 6. 22- März l89°- 15. Jahrgang.

Margoliouth, An essay on the place of Eccle-
siasticus in semitic literature (Schürer).

Meyer's Kritifch exegetifcher Kommentar über
das Neue Teftament, I. Abth. [. Hälfte: Das
Matthäus-Evangelium, S. Aufl. bearb. v. Weifs
(Holtzmann).

Baijon, Exegetisch-kritische verhandeling over
den brief van Paulus aan de Galatiers (Holtzmann
)

Lightfoot, Essays on the work entitled Supernatural
Religion (Schürer).

Das Muratori'fche Fragment in Verfen (Schürer).

Usener, Sophronii de praesentatione domini
sermo (Weingarten).

Usener, Vita S. Theodosii a Cyrillo Scytho-
politano scripta (Derf).

Usener, Vita S. Theodosii abbatis a Theodora
ep. scripta (Derf.).

Handbuch der theologifchen Wifienfchaften, hrsg.

von Zöckler. 3. Aufl., 4. Bd.: Praktifche

Theologie (Achelis).
Knoke, Grundrifs der praktifchen Theologie.

2. Aufl. (Derf.).
Florin, 80 der fchönften und gebräuchlichften

evangelifchen Kirchenlieder (Achelis).
Köhler, Die Simultankirchen im Grofsherzog-

thum Helfen (Rieker).
Bruchmann, Pfychologifche Studien zur

Sprachgefchichte (Kauffmann).

Margoliouth. Prof. D. S., M. A., An essay on the place
of Ecclesiasticus in semitic literature, being the inaugu-
ral lecture. Oxford, at the Clarendon Press, 1890.
(24 S. 4.) 2 sh. 6 d.
Der griechifche Text des Buches Jefus Sirach ift
bekanntlich wegen fklavifch-wörtlicher oder fehlerhafter
Ueberfetzung der uns nicht erhaltenen hebräifchen Vorlage
oft kaum verftändlich. Ein werthvolles Hülfsmittel
zur Erklärung haben aber die bisherigen Ausleger, infolge
irriger Vorausfetzungen, fich in der Regel entgehen
laffen, nämlich die fyrifche Ueberfetzung.
Auch noch Fritzfche fetzt in feiner, vieles Vortreffliche
bietenden Erklärung (1859) voraus, dafs auch die fyrifche
Ueberfetzung wie alle anderen aus der griechifchen ge-
floffen fei (S. XXIVf.), und macht daher von erfterer
zur Ermittelung des hebräifchen Originales keinen Gebrauch
. Aber fchon Bendtfen {Specimen exercitationum
criticarum in V. Test, libros apoetyphos, 1789) hat angenommen
, dafs die fyrifche Ueberfetzung direct nach dem
Hebräifchen gemacht fei. Und diefe Annahme ift in
neuerer Zeit von Nöldeke (Die altteftamentliche Literatur
1868, S. 168 f., Zeitfchr. für die altteft. Wiffenfch.
1888, S. 156), Lagarde (Symmicta I, 1877, S. 88) und
Bickell (Zeitfchr. für kathol. Theol. III, 1879, S. 387.
VI, 1882, S. 319fr.) entfehieden gebilligt worden, freilich
mit dem Zufatz, dafs der Syrer nach einer fehr fchlech-
ten Recenlion des hebräifchen Textes gearbeitet habe
(Nöldeke a. a. O.).

Auch Margoliouth hält es für zweifellos, dafs
die fyrifche Ueberfetzung nach dem hebräifchen Originale
angefertigt ift, und er hat auf Grund diefer Voraus-
fetzung den Verfuch gemacht, nach dem Griechen und
Syrer den hebräifchen Urtext zu reconftruiren. Die Re-
fultate find nach feiner Verficherung von grofser Tragweite
. Er glaubt nicht nur für eine Menge einzelner
Stellen erft dadurch den richtigen Sinn ermittelt zu haben
, fondern auch zwei allgemeine Thatfachen feftge-
ftellt zu haben, nämlich: 1) dafs das Hebräifche des
Buches Sirach nicht das der Propheten, fondern das der
Eabbinen war, alfo das Neuhebräifche, wie wir es aus
der Mifchna kennen, und 2) dafs die Form der Sprüche
durchweg metrifch fei, indem bei richtiger Reconftruc-
tion des Hebräifchen fich in ungezwungenfter Weife lauter
Trimeter oder Tetrameter ergeben. Der Fufs oder
die Einheit derfelben fei ein trisyllabus, deffen mittlere
Sylbe ftets lang fei, während die beiden anderen lang
°der kurz fein können. Margoliouth hofft, feine Wie-
derherftellung des hebräifchen Sirach in nicht fehr langer
^e't (/>. 8: before very long) vollenden zu können. Einft-

weilen giebt er in dem vorliegenden Effay zwei Proben:
Sirach 12, 8—Ii und 16, 17—23 (nach anderer Zählung
16, 15—21).

Gegenüber der etwas volltönenden Ankündigung der
Wichtigkeit feiner Refultate wird eine vorfichtige Zurückhaltung
wohl am Platze fein. Dafs die Sprache des
Sirach fich dem Rabbinifchen nähert, ift nach feiner zeitlichen
Stellung nicht zu bezweifeln, wie das ja auch
fchon von einzelnen Büchern des Alten Teftamentes gilt.
Aber Margoliouth fcheint eine folche Annäherung in viel
höherem Mafse anzunehmen, als fich wird erweifen laffen
. Aeufserft problematifch aber ift die Entdeckung
der metrifchen Form, für welche freilich M. Regeln auf-
ftellt, die einen fehr weiten Spielraum in der Anwendung
geftatten. Sie kommen im Grunde darauf hinaus, dafs
der Umfang der Verszeilen zwifchen neun und zwölf
Sylben fchwankt. Eine folche Form kann man doch
kaum noch als ,metrifch' bezeichnen.

Auch im Einzelnen wird die von Margoliouth ver-
fuchte Reconftruction des hebräifchen Sirach mit grofser
Vorficht aufzunehmen fein. Ein abfchliefsendes Urtheil
ift freilich erft möglich, wenn das Ganze vorliegt. Aber
fchon nach den gegebenen Proben fürchte ich, dafs nur
die Minderzahl feiner ,Wiederherftellungen', fofern fie
vom Griechifchen abweichen, fich als probehaltig bewähren
wird. Er unterfchätzt den überlieferten griechifchen
Text und überfchätzt feine eigene Divinationsgabe,
fo vortrefflich er auch durch gründliche Sprachkenntnifse
zur Löfung einer folchen Aufgabe vorbereitet ift. Gleich
im zweiten Verfe, deffen Wiederherftellung er verfucht
(12, 9), ftofsen wir auf eine ganz willkürliche Aender-
ung. Der griechifche und fyrifche Text geben hier über-
einftimmend: ,Beim Glücke des Mannes find feine Feinde
traurig' (o< txtyol aixov iv Ivnrj, Syr.: ininiici eins in
dolore sunt). Margoliouth überfetzt: Iiis enenües diminisli
in number, indem er ohne Grund bei beiden Ueberfetzern
denfelben Lefefehler annimmt! Andererfeits zweifle ich
nicht, dafs uns in manchen Fällen durch Margoliouth's
Rücküberfetzung der urfprüngliche Sinn erfchloffen werden
wird. Ueberrafchend glücklich fcheint mir gleich
der Anfang der erften Probe 12, 8: ovv. iy.dr/.TjlriloeTia
iv äyatroiq b offAoc, Syr. non doctus fit in bonis suis avii-
cus. M. bemerkt, dafs bei den LXX Deut. 18, 19 Ixdi-
Xttv für irm fleht, und überfetzt darnach: »TP Vtb
nia'Toa ?"i ,nicht braucht man zu Richen einen Freund
im Glück'. Der Syrer nahm »n nach dem fyrifchen
Sprachgebrauch in der Bedeutung ,lehren'.

So wird uns gewifs M.'s Arbeit manches Werthvolle
bringen; aber fie wird einer ftarken Sichtung bedürfen.

Giefsen. E. Schür er.

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